Wie aktuelle Statistiken bestätigen, geht es mit der Schweizer Uhrenindustrie zügig bergauf. Laut einem Bericht der NZZ befindet sich die Branche seit etwa einem Jahr wieder zurück auf Wachstumskurs. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2018 lagen die Ausfuhren 9,9 Prozent über dem Vorjahreswert, für das Gesamtjahr rechnen Branchenkenner mit einem Plus von etwa sechs Prozent.
Was die Schweizer Uhrenindustrie in den letzten rund zwanzig Jahren so stark gemacht hat, war die Strategie, den Marketing-Diskurs in Richtung Herkunft und Authentizität zu lenken. Laut dem Neuenburger Innovationsforscher Hugues Jeannerat verkaufen sich Schweizer Uhren heute nicht mehr in erster Linie mit dem Argument, dass sie technologisch führend sind und auch der Modeaspekt, der die ersten Jahre der Swatch-Erfolgsgeschichte prägte, spiele nur mehr vereinzelt eine zentrale Rolle. Es gehe auch nicht darum, wie sehr die Produkte weiterentwickelt bzw. verbessert wurden, sondern meistens drehe es sich um die Kernfrage, was eine „echte Uhr“ ist.
Betont wird die „Swissness“ als wichtige Herkunftsbezeichnung und Qualitätsgarantie in einem. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Uhrenbranche für eine strengere Regulierung des „Swiss made“-Labels starkgemacht hat. Anderseits stellen die Marken ihre Tradition, das geschichtliche Erbe und die Authentizität immer stärker in den Vordergrund. Durch die Betonung ihrer historischen Bedeutung können sich Traditionsmarken, von denen es in der Schweiz besonders viele gibt, von der jüngeren Konkurrenz abheben.
Craft-Brands und Smartwatches
Die heutigen Herausforderer der Schweizer Uhrenindustrie kommen von außen. Einerseits sprießen die bei den Jüngeren sehr beliebten „Craft-Brands“ richtiggehend aus dem Boden und andererseits beteiligen sich die Tech-Konzerne mit ihren Smartwatches am Wettstreit um die potentiellen Kunden. Uhrmacherische Tradition oder Qualitätssiegel zählen da wenig. Diese Craft-Brands nehmen einen Design-Trend auf und fahren dann über Social Media die gesamte Vermarktung. Ihre Produktstrategie erinnert an „fast fashion“: modisch top, die Qualität ist sekundär. Vor allem für Hersteller von günstigeren Uhren sind diese Marken zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz geworden, zumal sie eine ganz andere Kostenstruktur aufweisen.
Auch wenn es um die Smartwatches vermeintlich etwas ruhiger geworden ist, werden die Produkte mit großem Tempo weiterentwickelt und der Marktführer Apple wächst weiterhin zweistellig. Peter Stas, Chef von Alpina und einer der Smartwatch-Pioniere in der Schweiz, sieht vor allem in den Gesundheitsfunktionen eine Gefahr für traditionelle Uhren. Wenn die Leute plötzlich das Gefühl hätten, es sei aus medizinischen Gründen sinnvoll, ständig Sensoren am Handgelenk zu tragen, werde es für normale Uhren eng.
Noch lebt die Schweizer Uhrenindustrie allerdings gut davon, dass ihre Produkte als Inbegriff der echten Uhr gelten. Das dürfte sich auch nicht so rasch ändern. Genau genommen bietet die Digitalisierung sogar neue Chancen, denn der direkte Kontakt mit dem Kunden spielt bei einer Strategie, bei der es stark um Emotionen geht, eine wichtige Rolle. Das haben die Schweizer spät, aber doch noch rechtzeitig erkannt und investieren nun viel Geld und Herzblut in den Austausch mit Kunden und Fans über das Internet und Social Media. (red)