Beschäftigte und Gewerkschaften der US-Automobilindustrie blicken zunehmend mit Argusaugen über die südliche Grenze nach Mexiko. Grund dafür sind die steigende Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der dortigen Fertigungsstätten, während gleichzeitig die Löhne der mexikanischen Arbeiter nur einen Bruchteil ihrer US-Konkurrenten betragen. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen spricht dabei von einem spürbaren Druck, der dadurch auf den Beschäftigten und den Gewerkschaften in den USA lastet. "Die Autobauer werden Mexiko künftig verstärkt als Druckmittel gegenüber ihren Arbeitern nutzen, damit die Löhne und andere Kostenpunkte überschaubar bleiben", so Dudenhöffer.
Deutliches Wachstum erwartet
Erst kürzlich hat die VW-Tochter Audi bekannt gegeben, dass sie ihre neue, eine Mrd. Euro teure Nordamerika-Fabrik im mexikanischen Bundesstaat Puebla aufmachen wird. Doch nicht nur Audi, auch Mazda und Nissan sowie der US-amerikanische Autobauer General Motors investieren dort in neue Produktionsstätten. Derzeit gehen in Mexiko jährlich drei Mio. Autos vom Band. Dies soll sich allerdings spürbar ändern. Experten erwarten bis zum Jahr 2016 ein Produktivitätswachstum von rund 38 Prozent. Ein kleiner Teil der in Mexiko hergestellten Wagen ist für die dort zunehmend größer werdende Mittelklasse bestimmt. 80 Prozent werden exportiert, vor allem in die USA. 2012 ist die Autoindustrie in Mexiko gegenüber dem Jahr zuvor um zwölf Prozent gewachsen. "Mexikanische Industriebetriebe bieten die Produktivität und Qualität der Ersten Welt bei Löhnen der Dritten Welt", erklärt Harley Shaiken, Professor an der Universität Berkeley gegenüber der Washington Post. Shaiken bezeichnet dies als ungewöhnliche aber derzeit sehr bestimmende Kombination. Im vergangenen Jahr wurden in ganz Nordamerika 15,5 Mio. Autos produziert. Laut George Magliano von IHS-Automotive sind dabei 10,1 Mio. auf die USA und 2,9 Mio. auf Mexiko entfallen. Kanada hat es auf 2,5 Mio. gebracht. Für das Jahr 2020 schätzt Magliano die gesamte Stückzahl der drei Länder auf 17,8 Mio. Dabei sollen die USA und Mexiko mit 11,7 bzw. 4,1 Mio. produzierten Wagen ein Wachstum verzeichnen, während Kanadas Autoindustrie auf 1,9 Mio. Fahrzeuge schrumpft.
Langfristiger Job-Abfluss?
Die US-Automobilindustrie mit ihren drei Größen GM, Ford und Chrysler hat die Krise mithilfe tatkräftiger Unterstützung von seiten der Regierung aus Washington gut überstanden. Die Verkaufszahlen ziehen wieder an und die Beschäftigungszahlen wachsen. Während viele US-Amerikaner in der wachsenden Bedeutung Mexikos einen langfristigen Job-Abfluss sehen, meinen andere wiederum, dass genau dieses Wachstum in Mexiko dazu führt, dass auch in den USA weiterhin neue Jobs geschaffen werden. Sie argumentieren, dass die Autoindustrie mehr integriert sei denn je und eine breite nordamerikanische Wirtschaft besser mit Asien und Europa konkurrieren könne. "Das durchschnittliche Auto der 'Big Three' besteht heutzutage zu rund 40 Prozent aus mexikanischen Komponenten", so Sean McAlinden, Chefökonom bei Center of Automotive Research in Michigan "Wir könnten ohne Mexiko gar keine Autos bauen", konstatiert er. (pte/red)
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