Text von Alexandra Bolena und Friedrich Ruhm Perdomo
LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das Nachhaltigkeits-Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in allen ihren Facetten von Environment über Social bis Governance.
Nachdem es beim letzten Mal um Krankenhäuser und ihren Energie- sowie Ressourcenverbrauch gegangen war, geht es dieses Mal um Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive).
Rund 2.000 Unternehmen in Österreich werden in den nächsten Jahren von der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD, betroffen sein. Wie gut die heimische Wirtschaft darauf und auf weitere Regularien rund um das Thema Nachhaltigkeit vorbereitet ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. So ortet Daniela Knieling, Geschäftsführerin von respACT, eine Plattform für nachhaltiges Wirtschaften in Österreich, bei ihren mehr als 430 Mitgliedsunternehmen ein "zunehmendes Engagement. Insbesondere im Zusammenhang mit der CSRD wird Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung relevant." Und Tamara Kapeller von Board Consulting attestiert jenen Firmen, die bereits für das Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen, dass sich diese "mitten in den Vorbereitungen für die Berichterstattung Anfang 2025" befinden.
"Ein Gutteil der österreichischen Unternehmen ist nicht ausreichend auf die kommende ESG- Reporting-Regulatorik vorbereitet" - Philipp Gaggl, PWC Österreich
Eine Meinung, die Philipp Gaggl, Director Sustainability Consulting von PwC Österreich, nicht teilt: "Unser 'PwC ESG Performance Ranking 2023' zeigt, dass ein Gutteil der österreichischen Unternehmen nicht ausreichend auf die kommende Regulatorik und noch weniger auf die Bewertungen durch Kund:innen oder den Finanzmarkt in puncto ESG-Leistung vorbereitet ist." Die Gründe dafür sieht die Wirtschaftsprüferin und Expertin für Nachhaltigkeitsberichterstattung Brigitte Frey darin, dass aufgrund des langen Wartens auf finale Standards wertvolle Vorbereitungszeit verloren ging. Frey: "Zwischenzeitlich ist klar, welche Unternehmen in welchem Umfang betroffen sind. Das erste Standardset der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) liegt final vor. Soweit dies noch nicht geschehen ist, muss jetzt zeitnah notwendiges Expert:innenwissen aufgebaut werden."
Das bestätigt auch Katharina Schönauer, Head of ESG und Partnerin bei KPMG Austria: "Für diejenigen, die für das Geschäftsjahr 2025 verpflichtend einen Nachhaltigkeitsbericht verfassen müssen, wird 2024 das entscheidende Jahr, um die richtigen Weichen zu stellen."
CSRD UND ESRS aktuell im Fokus
Um was geht es eigentlich? Die rechtliche Grundlage für die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die die bislang geltende Non Financial Disclosure Directive (NFDR) ablöst. Gleichzeitig erweitert die CSRD den Kreis der Unternehmen, die in den kommenden Jahren zur Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeit verpflichtet werden. Nach welchen Kriterien diese zu erfolgen hat, definieren die European Sustainability Reporting Standards. Welche ESRS im Nachhaltigkeitsbericht tatsächlich zu behandeln sind, wird im Zuge der (doppelten) Wesentlichkeitsanalyse ermittelt, für die es ebenfalls festgelegte Regeln gibt.
Aufwand: Die aktuell eingesetzten Ressourcen für die Finanzberichterstattung werden für die Umsetzung der CSRD nicht reichen © Shutterstock
Aufwand wird ziemlich unterschätzt
Was grundsätzlich nach klaren Spielregeln klingt, entpuppt sich in der Umsetzung dann aber doch als ziemlich tricky. So rechnet laut einer aktuellen Studie von Deloitte mehr als die Hälfte mit einem Aufwand von maximal einer Vollzeitkraft für die Umsetzung der Anforderungen und mit einem halben Vollzeitäquivalent für die laufende Berichterstattung. Dazu Christoph Obermair, Partner und Sustainability Lead bei Deloitte Österreich: "Wenn man das mit den aktuell eingesetzten Ressourcen für die Finanzberichterstattung vergleicht, ist das definitiv nicht ausreichend."
Warum der Aufwand größer sein wird, erklärt Jela Mohr, ESG-Managerin von Wolf Theiss Rechtsanwälte: "Unternehmen werden ihr Geschäftsgebaren bezogen auf Umweltthemen, soziale Nachhaltigkeit sowie Governance sehr detailliert analysieren müssen – und das über das eigene Betriebstor hinaus! Sie müssen mögliche Impacts, die sie auf Umwelt und Menschen haben, nicht nur ermitteln, sondern auch offenlegen, wie sie planen, diese zu minimieren."
Dazu kommt, dass es mit der CSRD alleine nicht getan sein wird, warnt Florian Moritz, Managing Director der Nachhaltigkeitsberatung 3π – Enabling Sustainability: "Viele haben noch nicht vollständig erkannt, dass erhebliche Ressourcen und spezifisches Know-how erforderlich sind. Weiters ist zu beobachten, dass der Fokus häufig auf CSRD-Compliance liegt, es aber unerlässlich ist, auch andere kommende und bestehende Regulierungen wie das Lieferkettengesetz, die Green Claims Directive oder die EU-Taxonomie zu antizipieren und in die strategischen Überlegungen einzubeziehen."
Fakten statt Marketing-Blabla
Eine Änderung, auf die Unternehmen sich ebenfalls einstellen werden müssen, ist, dass Nachhaltigkeitsberichte gemäß CSRD keine Aufgabe "der Marketingabteilung" sein werden, wie Daniela Knieling von respACT erklärt. Das bestätigen auch Stephan Pachinger und Dora Rendessy, von der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer: "Auch wenn Nachhaltigkeitsberichte gerne der Marketingschublade zugeordnet werden, gehen deren Zweck und damit auch die Anforderungen an ebendiese weit darüber hinaus. Nachhaltigkeitsberichte werden integraler Bestandteil der Unternehmensberichterstattung und müssen somit allem voran inhaltlich korrekt, transparent und schlüssig sein."
"Ohne intensive Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit kann auch keine effektive Berichterstattung dazu erfolgen" - Dora Rendessy, Freshfields Bruckhaus Deringer
Tatsächlich wird der Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD Teil des Lageberichts und hat künftig Kriterien und Merkmalen zu entsprechen, die eine gute Finanzberichterstattung ausmachen, so Susanna Gross, Wirtschaftsprüferin und Senior Managerin im Bereich Climate Change and Sustainability Services von EY Österreich: "Beide Formen der Berichterstattung haben ein gemeinsames Ziel: Transparenz zu schaffen, Vertrauen durch zuverlässige Informationen aufzubauen und Stakeholder:innen umfassend zu informieren."
Sogar Freiheitsstrafen drohen
Bei Nichteinhaltung der CSRD drohen jedenfalls drastische Sanktionen. Sowohl Bußgelder von bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes oder bis zu zehn Millionen Euro als auch Schadenersatzansprüche können fällig werden. Und der Vorstand haftet bei fehlerhaftem Reporting sogar doppelt: Erstens kann er – genau wie das Unternehmen selbst – bußgeldpflichtig werden. Sollte bewusst Greenwashing betrieben werden, sind sogar Freiheitsstrafen möglich. Zweitens ist der Vorstand gegenüber dem Unternehmen regresspflichtig, wenn dieses aufgrund falscher oder fehlerhafter Berichterstattung mit Sanktionen belegt wird. Und auch der Aufsichtsrat, dessen Aufgabe ja die Überwachung des Vorstands ist, hat CSRD-Prüfverantwortung. Wie weit diese Prüfungspflicht reicht, ist zwar noch nicht final geklärt, eine Plausibilitätskontrolle ist aber jedenfalls fix vorgesehen.
Apropos Prüfpflicht: Die Verantwortung dafür, dass Nachhaltigkeitsberichte nach CSRD "genau, zuverlässig und vollständig" sind, liegt bei unabhängigen, akkreditierten Prüf- oder Zertifizierungsstellen, vor allem Wirtschaftsprüfer:innen und ist eine weitere Parallele zur finanziellen Berichterstattung. Diese Kontrollinstanzen müssen bestätigen, ob ein CSRD-Bericht sowohl den eigenen, im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse ermittelten, als auch den standardisierten Vorgaben gemäß ESRS entspricht.
Achtung! Trickle-down-Effekte!
So weit, so komplex und noch so weit weg für KMUs. Oder doch nicht …? Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für die betroffenen Betriebe bringt mit sich, dass gewisse Verpflichtungen in der Wertschöpfungskette "nach unten rieseln" und die Verpflichtung zur ESG-Datenerhebung auch bei kleineren Unternehmen früher greifen, als vielleicht erwartet. Ein Phänomen, das Wirtschaftsexpert:innen als "Trickle-down-Effekte" bezeichnen. Und von diesen gibt es gleich einige. So kooperieren CSRD-pflichtige Firmen typischerweise mit einer Unzahl an vor- und nachgelagerten Unternehmen in der Wertschöpfungskette. Große Unternehmen werden von diesen ESG-Daten einfordern (müssen), um ihre eigene Berichtsverantwortung wahrnehmen zu können.
Aber auch die bereits seit 2021 geltende Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) – Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung im Finanzdienstleistungssektor (kurz "Offenlegungsverordnung") – zwingt Unternehmen de facto zur Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeit, wenn sie sich über den Kapitalmarkt finanzieren wollen. Gleiches gilt für Kredite. Die von der European Banking Authority (EBA) formulierte Kreditrichtlinienvergabe fordert für die Kreditvergabe von Banken eine ESG-Analyse, um Risiken im Kreditportfolio zu vermeiden. Und die europäische Versicherungs-Aufsichtsbehörde EIOPA plant ebenfalls, ESG-Kriterien in Risikobewertungen einzubetten.
CSDDD. Das EU-Lieferkettengesetz nimmt direkt und indirekt alle in die Pflicht, ihre Nachhaltigkeit zu checken © Shutterstock
(K)ein Ende bei der Lieferkette?
Last, but not least gibt es auch noch die CSDDD – die Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit), besser bekannt als Lieferkettengesetz. Am 15. März 2024 wurde nach langen Verhandlungen eine Einigung erzielt. Basis dafür war eine erhebliche Abschwächung des Richtlinientextes hinsichtlich des Anwendungsbereichs. Das Ziel der Richtlinie – der bessere Schutz von Menschen- und Umweltrechten innerhalb der EU – bleibt aber unverändert. So müssen Beschaffungsprozesse und HR-Abläufe umfassende umwelt- und menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten erfüllen. Im Rahmen dieser Sorgfaltspflichten sind sowohl tatsächliche als auch potenzielle (!) negative Effekte umgehend zu thematisieren und abzustellen. Sollte dies nicht gelingen, müssten Unternehmen Verträge mit Lieferanten auch kündigen. Im Gegensatz zu früheren Entwürfen sind nun (zunächst!) nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen und einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro sowie Nicht-EU-Unternehmen mit einem Nettoumsatz innerhalb der EU von mehr als 450 Millionen Euro betroffen.
Die Angst vor dem damit verbundenen und befürchteten Bürokratieaufwand ist für den Geschäftsführer von CRIF Austria, Boris Recsey, allerdings unbegründet: "Es gibt bereits eine Technologie zur Darstellung und Evaluierung von globalen Lieferketten. CRIF hat diese seit 2020 weltweit erfolgreich im Einsatz." –
Wie Ihnen der Nachhaltigkeitsbericht in sieben Schritten gelingt, sehen Sie in der Infobox.
Reporting Rules: Wer wie was berichten muss
Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD
Warum muss berichtet werden? - Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist die rechtliche Grundlage für die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Die CSRD verpflichtet Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, zur Offenlegung von Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmer:innenbelangen (ESG).
Die CSRD löst die bislang gültige Non Financial Reporting Directive (NFRD) ab und erweitert den Kreis von Unternehmen, die zur Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeit verpflichtet werden.
Wer muss ab wann berichten?
- Ab 2025 für das Geschäftsjahr 2024
Alle Unternehmen, die schon bisher nach der NFRD berichtspflichtig waren.
- Ab 2026 für das Geschäftsjahr 2025
Große Unternehmen (mindestens zwei dieser Kriterien treffen zu:)
Umsatz > 50 Mio. EUR
Bilanzsumme > 25 Mio. EUR
Mitarbeiter:innen > 250
- Ab 2027 für das Geschäftsjahr 2026 (Opt-out-Option bis 2029)
Börsennotierte KMUs (Umsatz <50 Mio. EUR, Bilanzsumme < 43 Mio. EUR, < 250 Mitarbeiter:innen)
- Ab 2029 für das Geschäftsjahr 2028
Nicht-EU-Unternehmen (mit Umsatzerlösen in der EU von > EUR 150 Mio. EUR in den letzten zwei Jahren und einer EU-Tochtergesellschaft)
Was muss berichtet werden? - Betroffene Unternehmen müssen ihre Wirkung auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen offenlegen. (Doppelte Wesentlichkeit)
Der Nachhaltigkeitsbericht folgt der doppelten Wesentlichkeit, die sowohl die Inside-out- wie auch die Outside-in-Perspektive berücksichtigt. Das heißt, es ist zum einen die Wirkung des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte (Umwelt, Soziales, Governance) offenzulegen, zum anderen wie diese Aspekte (ESG-Kriterien) auf die wirtschaftliche Lage
des Unternehmens wirken.
Wie muss berichtet werden?
Die Analyse der doppelten Wesentlichkeit folgt den European Sustainability Reporting Standards (ESRS).
Wo muss berichtet werden? Nachhaltigkeitsinformationen dürfen nur noch im Lagebericht veröffentlicht werden.
Nachhaltigkeitsbezogene Informationen müssen gemäß CSRD in einem separaten Abschnitt des Geschäftsberichts enthalten sein. Gesonderte Nachhaltigkeitsberichte – isoliert vom allgemeinen Geschäftsbericht – sind nicht mehr zulässig. Die Veröffentlichung muss auch in einem digitalen und maschinenlesbaren Format erfolgen.
Wer verantwortet den Bericht? Dieselben Organe, die auch die finanzielle Berichterstattung verantworten.
Die Erstellung des Geschäftsberichts einschließlich der CSRD-Berichterstattung ist Vorstandsaufgabe. Als Überwachungsorgan trifft jedoch auch den Aufsichtsrat eine CSRD-Prüfverantwortung.
Wer prüft den Nachhaltigkeitsbericht? - Die Prüfung liegt bei unabhängigen, akkreditierten Prüf- oder Zertifizierungsstellen.
Die Prüfung, dass Nachhaltigkeitsberichte nach CSRD "genau, zuverlässig und vollständig" sind, erfolgt in der Regel durch Wirtschaftsprüfungsorganisationen. Aufgrund der steigenden Nachfrage sollen sich jedoch auch andere Organisationen dafür qualifizieren.
Was passiert, wenn nicht oder falsch berichtet wird? - Nichteinhaltung oder bewusstes Greenwashing wird sanktioniert.
Bei Nichteinhaltung der CSRD können sowohl Bußgelder (bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes oder zehn Millionen Euro) als auch Schadenersatzansprüche fällig werden. Wird bewusst Greenwashing betrieben, werden sogar Freiheitsstrafen gegen Vorstandsmitglieder in Aussicht gestellt.
Hier finden Sie den 2. Teil des aehre-Reporting-Guides – mit Expert:innen-Tipps.
Außerdem: Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im neuen Nachhaltigkeits Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der aktuellen Ausgabe am Kiosk.
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