Ein anhaltend hohes Kostenniveau und die weiterhin hohe Inflation haben Österreichs Privathaushalte auch 2023 vor große finanzielle Herausforderungen gestellt. Für das vergangene Jahr verzeichnet der KSV1870 8.845 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren und damit um 8,2 Prozent mehr private Pleiten gezählt als ein Jahr zuvor.
Die häufigsten Ursachen
Dabei wird das eigene Verschulden, vor allem die Überschätzung der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, in 28,6 Prozent der Fälle als häufigste Ursache gewertet. Im Speziellen junge Menschen schätzen ihre finanziellen Möglichkeiten häufig falsch ein.
"Aus der Erfahrung wissen wir, dass die Menschen in Krisenzeiten mit ihren finanziellen Mitteln deutlich vorsichtiger umgehen. Dennoch gab es 2023 knapp 30 Prozent, die konstant mehr ausgegeben haben, als ihnen zur Verfügung stand", sagt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.
Darunter fallen vor allem die über einen längeren Zeitraum anhaltende Überschätzung der eigenen wirtschaftlichen Leistungskraft (20,4 Prozent) und der insgesamt "schlechte Umgang mit Geld" im Bereich des Konsums (6,3 Prozent). Weiters führt eine ehemalige Selbstständigkeit bei rund einem Viertel in die Sackgasse. Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise fallen laut aktueller KSV1870 Analyse hingegen kaum ins Gewicht.
Vor dem Hintergrund der Analyse und dieser Ergebnisse plädiert der Gläubigerschutzverband für eine Rückkehr zur fünfjährigen Entschuldungsdauer für Privatpersonen und rückt die Bedeutung einer adäquaten Finanzbildung in den Fokus.
Bedenklicher Trend
Wie die KSV1870 Analyse von mehr als 8.000 Fällen zeigt, kommt "persönliches Verschulden" vor allem bei jungen Menschen besonders häufig vor. Dieser Faktor ist in der Altersgruppe "bis 25 Jahre" in 34 Prozent der Fälle die Insolvenzursache Nummer eins, bei den 25- bis 40-Jährigen sind es 31 Prozent. Mit diesem im Vergleich zum Vorjahr sehr ähnlichen Ergebnis liegen diese beiden Altersgruppen über dem österreichweiten Durchschnitt. "Die hohe Verschuldung von jungen Menschen – vor allem durch den Konsum – ist ein sehr bedenklicher Trend. Natürlich gibt es in jeder Alterskategorie Menschen, die den Überblick über ihre finanziellen Mittel verloren haben. Bei den Jungen passiert das jedoch häufiger, was auch auf ein fehlendes Verständnis für Finanzen zurückzuführen ist", so Götze.
Der KSV1870 plädiert angesichts dieser Entwicklung für einen Finanzbildungs-Boost und die verstärkte Verankerung des Themas in den Lehrplänen. Der KSV1870 selbst nimmt sich diesem Thema seit vielen Jahren an und geht regelmäßig in Schulen, um junge Menschen zu sensibilisieren und zu informieren. Der KSV1870 arbeitet zudem mit Teach for Austria zusammen, und im Sommersemester 2024 hat der Gläubigerschutzverband an der Wirtschaftsuniversität Wien erstmals eine Lehrveranstaltung zu den Themen Risikomanagement und Finanzbildung abgehalten.
Ehemalige Selbstständigkeit als Grund
Die zweithäufigste Ursache ist weiterhin eine vorangegangene ehemalige Selbstständigkeit. 26,3 Prozent aller Privatkonkurse sind darauf zurückzuführen, wobei hier ein minimaler Rückgang von 0,4 Prozentpunkten vorliegt. Auffallend ist, dass diese Ursache im direkten Vergleich deutlich mehr Männer als Frauen betrifft, was angesichts einer höheren Zahl an Unternehmern jedoch auf der Hand liegen sollte. Auch die Tatsache, dass dieser Faktor eher bei älteren als bei jüngeren Generationen auftritt, ist laut dem Gläubigerschutzverband nachvollziehbar.
Corona-Krise fällt nicht ins Gewicht
Geringfügige Veränderungen zur Auswertung für das Jahr 2022 zeigen sich in den Ursachen "Reduktion des Einkommens" (17,8 Prozent), "Lebenskrisen" (12,3 Prozent), "Persönliche Probleme" (8,6 Prozent) und "Lasten aus dem Bereich Familie" (6,4 Prozent). Zudem ist die Corona-Pandemie als Insolvenzursache bei Privatpersonen leicht rückläufig – 1,2 Prozent im Jahr 2022 stehen 0,9 Prozent im Jahr 2023 gegenüber. Damit kann laut dem KSV1870 festgestellt werden, dass die Corona-Krise nicht dazu geführt hat, dass Privatpersonen verstärkt von Konkursen betroffen waren oder sind.
Auf Basis dieser Annahme und der Novellierung des Privatkonkurses im Rahmen der Umsetzung der Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie der EU 2021 ist es aber zur Änderung der Insolvenzordnung gekommen. Ab dann gab es zwei Abschöpfungsverfahren. Der Abschöpfungsplan war auf fünf Jahre angelegt (und entsprach dem bis dahin geltenden Abschöpfungsverfahren) und der völlig neue Tilgungsplan auf drei Jahre (vorerst befristet bis ins Jahr 2026 zur Unterstützung der "Corona-Opfer").
"Wir sind der Meinung, dass der Tilgungsplan für Privatpersonen seine Berechtigung verloren hat. In der Praxis sehen wir auch, dass es verschuldeten Menschen nun sehr leicht gemacht wird, ihre Verbindlichkeiten relativ rasch wieder loszuwerden, obwohl "persönliches Verschulden" die dominierende Insolvenzursache ist. Auch sehen wir laufend Zahlungsplanangebote mit null Prozent. Im Ergebnis haben sich sowohl die durchschnittlichen Zahlungsplanangebote als auch die tatsächlich abgeschlossenen Quoten spürbar verschlechtert – und das zulasten der Gläubiger:innen", so der Experte.
Appell
Aktuell können sich Privatpersonen mithilfe eines Tilgungsplans entschulden. Aus Sicht des KSV1870 geht damit nicht nur die eigentliche Intention des Gesetzgebers verloren, sondern es wird den Menschen auch suggeriert, dass es verhältnismäßig einfach ist, angehäufte Schulden wieder loszuwerden. Der ursprüngliche Gedanke des Gesetzgebers bei der jüngsten Novellierung war es, Unternehmen eine schnellere Entschuldung innerhalb von drei Jahren zu ermöglichen. Gleichzeitig wurde dieses Verfahren aber auch für Privatpersonen geöffnet. Bleibt die aktuelle Regelung jedoch über den aktuellen Befristungszeitraum 2026 hinaus bestehen, steigt laut dem Gläubigerschutzverband die Gefahr, dass Privatpersonen Schulden aufgrund der raschen Entschuldungsmöglichkeit immer häufiger auf die leichte Schulter nehmen und "persönliches Verschulden" als Ursache Nummer eins weiter verstärkt wird. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
www.ksv.at
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