LEADERSNET: Herr Neuer, Sie sind mit Ihrem Architekturbüro mostlikely Gewinner des Architektur- und Städtebauwettbewerbs für das Erholungsgebiet Pier 22. Was ist Ihr Konzept bei dieser Neugestaltung?
Mark Neuer: Wir entwickelten zunächst den Masterplan mit dem Ziel, die Rolle der Donauinsel als öffentlicher Freizeitraum für ganz Wien weiter auszubauen. In einem interdisziplinären Team aus Architekt:innen und Sozialwissenschafter:innen fragten wir uns, welche Nutzungsangebote hierfür notwendig sind, welche Aktivitäten es auf der Donauinsel bereits gibt und welche wir stärken oder auch erneuern wollen. Es entstand ein Nutzungsprogramm, das wir unter dem Motto "Körper, Geist und Seele" zusammenfassen und sich in drei gut ausgestattete und robust gestaltete Bereiche für Sport-, Arbeits- und Kulturaktivitäten ganzjährig erleben lässt.
Mark Neuer, Mostlikely Architecture © Mostlikely Architecture
LEADERSNET: Frau Arapovic, Sie sind Architektin und Sprecherin für Stadtentwicklung in Ihrer Partei, welche langfristigen städtebaulichen Ziele verfolgt die Stadt Wien mit der Entwicklung von Projekten wie Pier22, und wie fügt sich dieses Projekt in die übergeordnete Stadtentwicklungsstrategie ein?
Selma Arapovic: Die langfristigen städtebaulichen Ziele Wiens zielen auf die Vision einer klimafreundlichen, modernen und lebenswerten Metropole ab. Der öffentliche Raum gehört uns allen und birgt große Potenziale. Es gilt, diese Potenziale zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen zu heben, um die Stadt noch lebenswerter zu machen.
Uferbereiche sind solche Orte mit hohem Potenzial, die das städtische Leben bereichern und nachhaltige Erholungsgebiete bieten. In einer wachsenden Stadt wie Wien ist es essentiell, qualitative und attraktive Naherholungsgebiete zu schaffen, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden, insbesondere angesichts immer heißer werdender Sommer.
Ein herausragendes Merkmal dieses Projekts ist die exzellente klimafreundliche Anbindung durch die U-Bahn und das Radwegenetz. Außerdem harmoniert die Neugestaltung von Pier 22 perfekt mit unserem Konzept der "Wiener Viertelstunde", einer Stadt der kurzen Wege, in der alle wichtigen Ziele innerhalb von 15 Minuten erreichbar sein sollen.
Insgesamt gibt es in Wien rund 63 km kostenfreie Wasserzugänge zu Naturbadegewässern, was wirklich toll ist.
Selma Arapovic, NEOS Wien, © NEOS Wien
LEADERSNET: Was erwartet die Bevölkerung in den nächsten Umsetzungsabschnitten?
Neuer: Mit dem Pier 22 wollen wir einen ganzjährigen Ort schaffen, der auch im Winter zum Flanieren einladet. Deshalb nahmen wir in der Gestaltung besonderen Bedacht auf die Verbesserung der Zugänglichkeit der Uferpromenade. Die Uferpromenade entlang des Donauufers lädt Besucher:innen zum Spazieren, Flanieren, Entspannen und Treffen ein. Auch die fließenden, grüne Landschaften mit üppigen Staudengärten, die das ganze Jahr einen schönen Anblick bieten, ersetzen die derzeit noch von Beton dominierte Gestaltung.
In den Bauabschnitten zwei und drei werden diese Betonwände entfernt und durch grüne Böschungen ersetzt, die dennoch den notwendigen Hochwasserschutz bieten. Im Zentrum des Pier 22 ist das große Ausflugscafé situiert, das auch ganzjährig geöffnet sein wird. Das neue Pier 22 bietet aber insgesamt weniger Lokale als es derzeit in der Sunken City gibt. Es wird mehr eine Erlebnislandschaft sein, die zum aktiven Verweilen einladet und gastronomische Angebote in einem der drei Lokale bietet. Die Lokale stehen jeweils im Zentrum der drei Bereiche und sind thematisch mit diesen 3 Bereichen eng verbunden.
Architektonisch haben wir eine lebendige Formensprache mit starken Farbakzente für das Pier 22 entwickelt. Die Gestaltung der Gebäude wird durch weit auskragende Flugdächer auf grazilen Stützen gekennzeichnet sein. Diese Dächer sind geschwungen und inszenieren durch die offenen Holzlamellen ein lebendiges Schattenspiel und Ausblicke auf die naturnahe Landschaft. Für den Freiraum haben wir eigene Möbel entworfen - von Liegenetzen in denen man über dem Wasser schwebt, zu Liegeplattformen und Sitzbänken. Sie alle sind von der geschwungenen Formensprache beeinflusst und bieten Orientierung, Komfort und Identitätsmarker.
LEADERSNET: Welche Maßnahmen werden getroffen, um auch die weiteren Bauphasen reibungslos zu gestalten und sicherzustellen, dass Pier22 planmäßig bis 2025 abgeschlossen wird?
Arapovic: Um sicherzustellen, dass Pier 22 planmäßig bis 2025 abgeschlossen wird, sind die drei Bauphasen so gestaltet, dass jede Phase in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden kann und die Uferpromenade nach jeder Teilfertigstellung uneingeschränkt genutzt werden kann. Die Bauarbeiten finden immer im Herbst und Winter statt, wenn der Nutzungsdruck geringer ist. Dadurch ist gewährleistet, dass die Uferpromenade im Sommer der Bevölkerung vollständig zur Verfügung steht.
Der erste Teil von Pier 22 wurde bereits fertiggestellt. Die nächste Bauphase beginnt im Herbst dieses Jahres, und die letzte Phase, die den Bau eines Multifunktionssportfelds und eines Cafés umfasst, wird im Herbst 2025 abgeschlossen sein.
Das übergeordnete Ziel ist es, Pier 22 nach der Fertigstellung zu einem nachhaltigen und inklusiven Ort der Erholung und ganzjährigen Nutzung zu machen. Wie ich das jetzt sehe, sind wir auf einem sehr guten Weg dorthin.