Die Zeiten, in denen die Marke Smart für kleine Cityflitzer mit eingeschränktem Platzangebot und überschaubarem Fahrkomfort stand, sind vorbei. Mittlerweile werden die Modelle beim Mercedes Joint-Venture-Partner Geely, der mit 51 Prozent auch den Mehrheitsanteil hält, in China gebaut. Und das ist alles andere als ein Nachteil, denn in Sachen Elektroautos gilt der Autoriese aus dem Reich der Mitte, zu dem auch Marken wie Volvo, Polestar oder Lotus gehören, als echte Bank.
Design und Platzangebot
Nach dem Erstling #1, der in etwa so lang wie ein VW Golf ist, wurde die Modellpalette jetzt um den #3 erweitert. Der sportlich gezeichnete Crossover ist noch einmal um 13 cm länger und reiht sich mit seinen 4,40 Meter in das Segment der gestandenen Kompakt-SUV(-Coupés) ein. Die dynamische Optik wird durch die geringere Höhe (-8 cm) und etwas mehr Breite (+ 2 cm) im Vergleich zum kleinen Bruder noch einmal unterstrichen. Trotz der flacheren Karosserie ist das Platzangebot vorne wie hinten absolut ausreichend. Hier kommt dem Smart #3 die reine Elektroplattform mit im Boden untergebrachten Batterien und ohne störendem Mitteltunnel sowie das große Panoramadach, das das Raumgefühl noch einmal verbessert, zugute. Im Fond hätten wir uns jedoch etwas mehr Variabilität wie eine verschiebbare Rückbank und eine etwas längere Schenkelauflage gewünscht. Dafür sind die Sportsitze vorne über jeden Zweifel erhaben. Sie bieten eine perfekte Mischung aus Seitenhalt und Langstreckenkomfort. Das Kofferraumvolumen legt im Vergleich zum #1 um 57 Liter zu. Vorne gibt es einen praktischen Frunk, in dem man beispielsweise das Ladekabel verstauen kann und so stets griffbereit hat, auch wenn der Kofferraum vollgeräumt ist.
Fahren und Reichweite
Bei unserem Testmodell, das von Merbag zur Verfügung gestellt wurde, handelte es sich um das Topmodell Brabus. Bei Autofans fangen bei diesem Namen gleich die Augen zum Glänzen an, denn schließlich handelt es sich bei Brabus um einen der bekanntesten und renommiertesten Veredlern von Modellen aus dem Hause Mercedes. Passend dazu, gibt es fast schon unverschämt viel Leistung. Denn während bereits das Einstiegsmodell mit einem 200 kW (272 PS) starken Heckmotor daherkommt, gibt es hier noch zusätzlich eine E-Maschine an der Vorderachse, die 114 kW (156 PS) leistet. Die Systemleistung des kompakten Allradstromers beläuft sich auf 315 kW (428 PS) und 543 Nm Drehmoment. So gerüstet, katapultiert sich der #3 Brabus - wie von der Tarantel gebissen - in 3,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Auf Wunsch wird innen dazu ein Benziner-ähnlicher Sound eingespielt, der jedoch Geschmackssache ist. Die Höchstgeschwindigkeit wird zugunsten einer höheren Reichweite bei 180 km/h abgeregelt. Apropos Reichweite: Smart gibt diese mit bis zu 415 km (WLTP) an. Wer die vorhandene Kraft häufig abruft, was angesichts des Spaßfaktors durchaus vorkommen kann, wird die 66 kWh (62 kWh netto) Batterie deutlich früher wieder aufladen müssen. Fahrwerk, Lenkung und Bremsen sind ebenfalls sportlich ausgelegt, bieten aber dennoch ausreichend Restkomfort. Zudem gibt es mehrere Fahrmodi, die den Charakter des Fahrzeugs merklich verändern. Das Kurvenräubern macht im Sport- oder Brabus-Modus richtig Laune, auch wenn sich das hohe Gewicht nicht komplett verleugnen lässt. Doch der Crossover kann durchaus sparsam. Wir haben das im Rahmen einer "Schleichfahrt" von Wien nach Oberösterreich ausprobiert. Mit 110 km/h auf der Autobahn und ohne Zwischensprints auf der Landstraße erzielten wir eine tatsächliche Reichweite von 395 km. Bei normaler Fahrweise und einer Außentemperatur zwischen zehn und 15 Grad sind wir auf rund 315 km gekommen, was angesichts der geboten Fahrleistungen ein sehr ordentlicher Wert ist. Die maximale Ladegeschwindigkeit (DC) von 150 kW kann sich im direkten Konkurrenzumfeld ebenfalls sehen lassen. Hier macht sich Geelys E-Kompetenz positiv bemerkbar. Gleiches gilt für den verbauten 22 kW AC-Lader sowie die Möglichkeit für echtes "One-Pedal"-Fahren. Hat man Letzteres einmal im Blut, muss man das Bremspedal nur noch in ganz seltenen Fällen benutzen.
Interieur und Bedienung
Das Cockpit kennen wir weitestgehend vom #1. Lediglich die Lüftungsdüsen und die Mittelkonsole sind eigenständig gestaltet. Und während beim kleinen Bruder ein animierter Fuchs als digitaler Assistent über den 12,8 Zoll großen Touchscreen pirscht, ist es beim #3 ein Gepard. Der Bildschirm bietet eine hervorragende Auflösung und schöne Animationen. Dank großer Icons ist er auch vergleichsweise einfach zu bedienen. Das Navigationssystem plant bei Bedarf gleich die passenden Ladestopps ein. Einige Funktionen wie die Klimasteuerung oder die Spiegelverstellung hätten wir uns jedoch separat gewünscht. Aber das ist eben dem Zeitgeist geschuldet und alles andere als eine Smart-Eigenheit. Praktisch sind die "echten" Lenkradtasten sowie die Schnellwahltasten vorm Display für Fahrmodi & Co. Hinterm Volant sitzt noch ein kleines Infodisplay, das alle fahrrelevanten Informationen anzeigt. Besonders gut gefallen hat uns das große und gestochen scharfe Head-Up-Display. Und auch die Sprachbedienung funktioniert wirklich gut. Die verbauten Materialien und die Verarbeitungsqualität hinterlassen einen hochwertigen Eindruck.
Wie alle modernen Autos verfügt auch der #3 Brabus über eine ganze Reihe an Assistenzsystemen. Hier macht sich die chinesische Herkunft ebenfalls bemerkbar, denn einige von ihnen reagieren etwas übersensibel. Vor allem die Müdigkeitskontrolle ermahnt äußerst übereifrig. Der Intelligent Speed Assistance (ISA) meldet sich beim Einlegen einer Fahrstufe zum Dienst und soll vor Geschwindigkeitsüberschreitungen warnen. Leider übernahm das System im Test mehrmals LKW-spezifische Geschwindigkeitsbegrenzungen und schlug deshalb fälschlicherweise Alarm. ISA lässt sich aber auch deaktivieren (muss man bei jedem Neustart machen). Der Abstandsregeltempomat und der Spurführungs-Assistent haben hingegen souverän gearbeitet und sind vor allem auf der Autobahn eine echte Entlastung.
Fazit
Mit dem #3 hat Smart einen dynamischen Bruder des #1 im Programm. In der getesteten Brabus-Variante werden die Fahrleistungen und der Antritt dem sportlichen Outfit (mehr als) gerecht. Weitere Pluspunkte sind das ordentliche Platzangebot, die gute Praxisreichweite, die hohe Ladeleistung, die umfangreiche Komfort- und Sicherheitsausstattung sowie die insgesamt moderne Technik. Und dank "Over-the-Air"-Updates bleibt auch das Bediensystem stets auf dem neuesten Stand. Einige Assistenzsystem brauchen noch etwas Feinschliff und die sehr touch-lastige Bedienung entspricht zwar dem Zeitgeist, ist aber dennoch nicht der Weisheit letzter Schluss. Preislich positioniert Smart den #3 (ab 39.700 Euro) passend zu den Hauptkonkurrenten. Der deutlich kürzere Plattformbruder Volvo EX30 kostet in etwa gleich viel. Die Brabus-Variante (ab 52.200 Euro) ist freilich keine Okkasion, bietet dank der kompletten Ausstattung und den sportwagenverdächtigen Beschleunigungswerten dennoch ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis.
www.merbag.at
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