Weiterhin hohe Zinsen und wachsende Nettozinsmargen bescherten den Privatkundenbanken 2023 ein weiteres Rekordjahr – das zweite in Folge - auch in Österreich. Zu diesem Ergebnis kommt das "European Retail Banking Radar 2024", welches die globale Unternehmensberatung Kearney jährlich herausgibt. Demnach stiegen die Nettozinsmargen in Europa von 1,8 Prozent im Jahr 2021 auf 2,3 Prozent im Jahr 2023 und von jedem verdienten Euro flossen 39 Cent direkt in den Gewinn.
Das "European Retail Banking Radar 2024" von Kearney deckt 90 Privatkundenbanken in 21 Märkten ab: 50 Banken in 13 westeuropäischen Märkten und 38 Banken in acht osteuropäischen Märkten. Das Radar analysiert mehr als zwölf Bereiche in Bezug auf Ertragsstärke, betriebliche Effizienz und Risikomanagement. Die langfristigen Daten, die Lehren aus Wirtschafts-, Finanz- und Gesundheitskrisen seit 2008 enthalten, sollen dabei helfen, kommende Trends und zukünftige Notwendigkeiten für die Branche zu identifizieren.
Erste Zinssenkung könnte im Juni kommen
Da die Inflation in der Eurozone im März 2024 auf 2,4 Prozent sank und die Europäische Zentralbank ihrem mittelfristigen Inflationsziel von 2 Prozent näherkam, rechnen Analysten mit der ersten Zinssenkung im Juni. Weitere Zinssenkungen um 95 bis 125 Basispunkte könnten bis Dezember erfolgen. Ist der Performance-Höhepunkt der Privatkundenbanken damit auch in Österreich bald vorbei?
Rekordniveau: Erträge stiegen um 37 Prozent
Daniela Chikova, Autorin und Partnerin Financial Services bei Kearney: "Auch in Österreich erlebten Retailbanken im Jahr 2023 einen bemerkenswerten Aufschwung, so das Ergebnis der Erhebung. Hier wurde eine Ertragssteigerung von etwas mehr als 37 Prozent verzeichnet. Der Ertrag pro Kunde in Österreich betrug 935 Euro im Jahr 2023 vs. 699 Euro im Jahr 2022. Der Ertrag pro Mitarbeiter stieg auf 375.000 Euro im Jahr 2023 vs. 272.000 Euro im Jahr 2022."
Das Ertragswachstum im Jahr 2023 brachte deutliche Verbesserungen beim Cost-Income-Ratio. In Österreich sank die Quote signifikant um fast 12 Prozentpunkte von 56 Prozent im Jahr 2022 auf 44 Prozent. Der Gewinn pro Kunde wuchs um etwas mehr als 73 Prozent von 268 Euro auf 464 Euro. Österreich hat eine bemerkenswerte "Entwicklung" beim Cost-Income Ratio durchgemacht. Aktuell schneiden die österreichischen Banken mit 44 Prozent deutlich besser ab als der europäische Durchschnitt mit 53 Prozent. 2019 und die Jahre davor war Österreich allerdings Schlusslicht und hat sich mit Deutschland und Frankreich unter die drei Ländern mit der niedrigsten Effizienz in Europa eingereiht.
Mischung aus Inflation und höheren Zinsen sorgt für Gegenwind
Die Kostenbasis blieb 2023 insgesamt hinter dem Wachstum der Einnahmen zurück, trotz des hohen Inflationsumfelds für den größten Teil des Jahres. Haushalte mit erheblichen, ausstehenden Krediten verzeichneten einen Anstieg ihrer monatlichen Rückzahlungen, wobei Schätzungen zufolge die Zinsrückzahlung auf das verfügbare Bruttoeinkommen bis Ende 2025 von 2,2 Prozent zum Ende des zweiten Quartals 2023 für die Eurozone auf 2,6 Prozent steigen wird.
Während höhere Zinssätze zu einem Anstieg der Erträge bei den Privatkundenbanken führten, stellten sie für einige ihrer Kunden eine Belastung dar. Die Wohnkostenüberlastung (1) stieg in mehreren EU-27-Ländern.
Die Kombination aus Zinserhöhungen und Inflation wirkte abschreckend auf Sparer und Kreditnehmer. Kundeneinlagen stiegen bei den im Radar erfassten europäischen Banken um magere 0,5 Prozent – deutlich unter der historischen CAGR 2008-2022 (Compound Annual Growth Rate) von 4,2 Prozent. "Österreich lag von 2022 bis 2023 mit einem Rückgang der Privatkundeneinlagen um 1,8 Prozent und einem Anstieg der Privatkundenkredite um 0,3 Prozent unter dem Durchschnitt in Europa", erläutert Chikova.
Ausblick und Trends
Der Blick nach vorn bringt für Privatkundenbanken eine Gratwanderung mit sich. Um diese zu meistern, müssen Banken ihre starke Finanzposition nutzen, um ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle zukunftssicher und regenerativ zu gestalten, anstatt nur auf die Herausforderungen von heute zu reagieren. Konkret bedeutet das für Banken:
- Rückkehr zu den Grundlagen: Kosten angehen, trotz des anhaltenden Inflationsdrucks.
- Nutzung von Daten und Technologien, um Kundenbedürfnisse zu verstehen, zu antizipieren und darauf zu reagieren, sowie um betriebliche Effizienz zu schaffen und das Risikomanagement zu verbessern.
- Sorgfältige Überwachung und Steuerung von Risiken, insbesondere neuer Risiken, die in der sich verändernden Technologielandschaft auftreten, wie z. B. Cyberangriffe und KI-gesteuerter Betrug.
- Weiterentwicklung und Transformation des Geschäftsmodells, sowie Aufbau von Ökosystemen, welche Regulierungsbehörden, Investoren und Kunden umfassen.
- Den Übergang zu einer grüneren und gerechteren Wirtschaft fördern.
Durch regeneratives Wachstum können Privatkundenbanken die heutigen Herausforderungen bewältigen und gleichzeitig einen dauerhaften wirtschaftlichen Mehrwert für alle Beteiligten erzielen, so das Fazit des "European Retail Banking Radar 2024". Demnach kann regeneratives Wachstum den Blick für die Zukunft schärfen, indem es Menschen, digitale Technologien und operative Bausteine zusammenbringt und Banken dabei helfen, sich auf die Zukunft vorzubereiten.
www.kearney.com
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