LEADERSNET: Sie sind die Gründerin von Techwoman.io. Warum haben Sie diesen Schritt gesetzt?
Gloria Wagner: Die Idee zu techwomen.io hatte ich, als ich nach meinem Auslandssemester in Mexico City ein Praktikum bei einem Health-Tech Start-up gemacht und gemerkt habe, dass die Frauen eigentlich nur im Marketing vertreten waren und das Produkt selber nur von Männern gebaut wurde. Zurück in Wien habe ich mich dann dazu entschlossen in meiner Masterarbeit die Unterpräsenz der Frauen im Technologiesektor zu behandeln. Während der Arbeit kam mir dann schließlich die Idee für techwomen.io. Ich habe einfach feststellen müssen, dass es ganz viele lokale offline Initiativen gibt, die kurzfristig auch funktionieren. Ich wollte diese online zusammenfügen und langfristig mehr Frauen in die Technik bringen.
Generell ist es mir ein Anliegen mehr Frauen in diesen Bereich zu bringen, weil diese dann auch im Endprodukt mehr berücksichtigt werden. Wir kennen das am Beispiel von den Tests mit Sicherheitsgurten bei Autos. Hier werden nämlich Dummies benutzt, die dem männlichen Körper ähneln. Das resultiert dann darin, dass Frauen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben bei Verkehrsunfällen zu sterben. Ich weiß, dass es Männer nicht böse meinen, denke aber, dass viele Dinge nicht berücksichtigt werden, wenn keine Frau im Team ist.
LEADERSNET: Stichwort prozentueller Anteil: Auf der TU Wien gibt es signifikant weniger weibliche Studierende als männliche. Woran liegt das?
Wagner: Die drei Hauptgründe sind alte Stereotypen, geringe Unterstützung und zu wenige Role Models. Das führt dazu, dass sich Frauen in der Technik selber unterschätzen. Allerdings denke ich auch, dass es viele Frauen in der Technik gibt, die aber keine Sichtbarkeit haben und somit nicht als Vorbilder funktionieren können. Genau diese Sichtbarkeit wollen wir ihnen mit Techwoman.io geben.
Gloria Wagner © Julian Schmidt/Roast Media
LEADERSNET: Aber auch Abseits des akademischen Umfelds gibt es in den Berufen – etwa bei der Lehre – einen großen Männerüberhang.
Wagner: Ein weiterer Grund, wieso sich Frauen in technischen Berufen oft nicht wohlfühlen, ist sicher, weil sie die einzige Frau sind und oft keine inklusive Sprache verwendet wird. Das führt dazu, dass sich Frauen oft schlicht nicht angesprochen fühlen. Ein Beispiel: Ich hatte ein Gespräch mit einer Person in einer leitenden Funktion bei einem der größten Maschinenbauunternehmen in Österreich. Dieser hat mir drei Tage später einen Screenshot von einer Mail geschickt. Es war die Erste, in der er jemals gegendert hatte. Er meinte, es war ihm davor nie wirklich bewusst und er hat darauf viele Rückmeldungen von Frauen in dem Unternehmen bekommen, dass sie sich endlich angesprochen fühlen.
LEADERSNET: Was ist euer Vorgehen um Frauen in der Branche mehr Sichtbarkeit zu geben?
Wagner: Wenn sich Unternehmen bei uns anmelden, geben wir ihnen nicht nur die Möglichkeit, sich als attraktiver Arbeitgeber für Frauen zu positionieren, sondern den Frauen, die dort schon in der Technik arbeiten, als sogenannte "Ambassadors" ein Profil, in dem sie von ihrem Karriereweg erzielen.
Den Frauen, die auf der Plattform sind, wird dadurch die Möglichkeit in verschiedene technische Karrierewege zu sehen, aber auch mit den role models zu interagieren. Ganz oft sind Vorbilder sehr weit weg. Ich kenne das von mir und wir wollen sie damit auch angreifbarer machen.
LEADERSNET: Ihr befindet euch gegenwärtig noch in der Gründungsphase. Gibt es dennoch schon erste Erfolgserlebnisse?
Ich habe mich über die ersten Rückmeldungen wahnsinnig gefreut. Alle Frauen, die sich vorangemeldet haben sagen, dass es so eine Plattform auf jeden Fall braucht und sie sich schon sehr freuen, wenn sie "life" geht.
LEADERSNET: Sie sind von Forbes in die "30 unter 30" gewählt worden. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Wagner: Es war natürlich eine große Ehre für mich, aber viel mehr hat es mich gefreut, dass es ein Zeichen dafür ist, dass Frauen in der Technik auch ein Anliegen der Gesellschaft sind und eine Wichtigkeit darin gesehen wird, diese zu fördern. Für mich als Frau, die in KI Start-ups gearbeitet hat, ist es auch wichtig, dass mehr Frauen in die Technik kommen. Denn die KI wird unsere Lebenswelt bedeutend verändern und das sollten genauso Frauen wie Männer machen.
LEADERSNET: Apropos KI: Spätestens seit dem Launch von ChatGPT ist KI ein Hype-Thema geworden. Gleichzeitig werden hier auch Sorgen und Bedenken laut. KI hat etwa das Potenzial zahlreiche Jobs in Industrienationen überflüssig zu machen. Wie stehen Sie zu der Thematik? Worauf sollte man achten, wo liegen Gefahren, wo Chancen?
Wagner: Eine interessante Frage. Ich habe erst letzte Woche auf der MWC mit dem Director of Engineering der Schwarz Global Services Barcelona, ein Teil der Schwarz Gruppe – Europas größtem Einzelhandelsunternehmen, gesprochen. Wir haben darüber diskutiert, wieso große Unternehmen noch immer lieber auf Robotic process automation als auf KI setzen. Und da geht es tatsächlich, um die Angst davor Arbeitsplätze zu verlieren. Ich denke, dass mit KI Arbeitsplätze abgeschafft werden, die aus repetitiven Aufgaben bestehen. Die Menschen, die diese Jobs heute machen, können morgen Jobs ausführen, in denen sie ihr Know How einbringen können.
www.techwomen.io
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