Wissenschafts-Talk zur neuen Gentechnik bei der Pflanzenzucht

Ein Expert:innen-Panel widmete sich im Rahmen einer APA-Science-Diskussion dem Für und Wider rund um den Vorschlag der EU-Kommission.

Der Vorschlag der EU-Kommission, die Auflagen für Verfahren der Neuen Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft aufzuweichen, ruft aktuell Kritiker an den Plan. Im Zuge einer von APA-Science veranstalteten Diskussion über "Neue Gentechnik bei Pflanzenzucht - weiterhin ein Tabu?" widmete sich eine Expertenrunde dem Thema. Die neue Technologie, mit der gezielt Erbgutänderungen ausgelöst werden können, erschien bei den Diskutierenden weniger als Aufreger denn die Sinnfrage sowie die Kennzeichnungspflicht.

Genschere CRISPR/Cas soll resistentere Nutzpflanzen möglich machen  

Verfahren wie die Genschere CRISPR/Cas in der "Grünen Gentechnik" sollen Nutzpflanzen so beeinflussen, dass sie Dürren besser wegstecken und mehr Ertrag auf weniger Fläche bringen. Beim Anbau sollen auch weniger Pestizide vonnöten sein. Auf der anderen Seite hegen Kritiker:innen Bedenken, dass durch das Ausbringen von neuen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) Risiken für Umwelt und Mensch entstehen können, die sich kaum abschätzen lassen. Die heimische Politik und einige Interessensvertretungen stehen einer Aufweichung der momentanen strikten Regelungen im Rahmen des EU-Vorschlags sehr skeptisch gegenüber. Wissenschaftsinstitutionen wiederum mahnten zuletzt mehrfach ein, NGT aufgeschlossen und ohne Vorurteile auf Basis wissenschaftlicher Fakten zu bewerten.

Gesellschaft miteinbeziehen

Allein der naturwissenschaftliche Blick auf die Gen-Thematik greift für Ulrike Felt vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien allerdings zu kurz. Sie unterstrich in der Diskussion, dass die Entscheidung darüber, ob eine Technologie in einer demokratischen Gesellschaft eingesetzt werden soll, über eine Risikoabschätzung hinausgehen sollte. Für Felt geht es in der aktuellen Diskussion eher nicht darum, "ob Menschen Wissenschaft verstehen". Es gehe um Werte und um das gemeinschaftliche Abklopfen von Fragen dazu, was die Änderungen für wen bedeuten könnten.

Wahlfreiheit für Konsument:innen, Bäuerinnen und Bauern 

Einen Mangel an Auseinandersetzung kritisiert auch Molekularbiologe und Wissenschaftskabarettist Martin Moder. Die Kluft im Blickwinkel zwischen der Wissenschaft und vielen Teilen der Bevölkerung sei kaum wo so groß wie bei der "Grünen Gentechnik". Frühere Bedenken, etwa dass sich Mutationen aus GVO in der Umwelt quasi ausbreiten oder landwirtschaftliche Produkte schlichtweg krebserregend sein könnten, habe die Forschung mittlerweile aber umfassend ausgeräumt. Es gehe jetzt eher um Fragen zu Patenten auf GVO und Werte wie Wahlfreiheit, so der Forscher und Wissenschaftsvermittler, der eine möglichst "undogmatisch" geführte Auseinandersetzung einmahnte.

Jens Karg vom Verein ARGE Gentechnik-frei würde sich in dem Zusammenhang wünschen, dass man Menschen, die bei dem Thema eine kritische Betrachtung einfordern, nicht prinzipiell Wissenschaftsskepsis vorwirft. Der EU-Vorschlag würde schlichtweg die Wahlfreiheit für Konsument:innen, Bäuerinnen und Bauern einschränken. Man wolle die Forschung an der neuen Technologie jedenfalls nicht verteufeln, beim Ausbringen solcher Pflanzen seien aber die strengen Standards einzuhalten. 

So wie die Regeln zurzeit in Österreich ausgestaltet sind, bestehe jedenfalls keine Gefahr, dass solche Pflanzen im Freiland getestet werden. Kein Wissenschafter würde die Hürden in den Zulassungsverfahren für solche Untersuchungen auf sich nehmen, erklärte Ortrun Mittelsten Scheid vom Gregor Mendel Institut für molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.

Verfeinerte Methode 

"Ich möchte die Risikoforschung auf jedes einzelne neue Produkt angewandt haben, nicht aber auf die Methode", betonte Mittelsten Scheid mit Blick auf das Gen-Editing mit CRISPR/Cas. Letzteres sei die "Fortsetzung einer langen Erfolgsgeschichte", die schon vor Jahrtausenden mit herkömmlicher Züchtung begann und seither in mehreren Stufen verfeinert wurde. Das "Risiko für unerwartete Effekte" sei bei herkömmlichen Gentechnik-Methoden jedenfalls "viel größer" als beim gezielten Einsatz der Genschere, für den es bereits rund 700 Anwendungsbeispiele in der Pflanzentechnologie gebe, darunter etwa eine Weizensorte mit Mehltauresistenz. 

www.science.apa.at

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