LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Schmidt, die Frage, wer Schuld an der hohen Inflation in Österreich hat, wird gerade mit großer Leidenschaft geführt und die Regierung glaubt, die Schuldigen gefunden zu haben, nämlich die E-Wirtschaft...
Barbara Schmidt: Ich verstehe, dass angesichts der anhaltend hohen Inflation, bei manchen politischen Verantwortungsträger:innen die Nerven blank liegen. Ja, die hohen Preise stellen die Menschen in Österreich und die Unternehmen vor große Herausforderungen und das kann niemandem egal sein. Trotzdem sollten wir rasch zu einer sachlichen Debatte zurückkehren, die Fakten sprechen lassen und aufhören mit Schuldzuweisungen. Nur ein Miteinander hilft den Menschen und sicher kein überzogener Populismus. Und ganz gewiss hilft es nicht, einer ganzen Branche mit mehr als 20.000 Beschäftigten den schwarzen Peter zuzuschieben. Schuld ist der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der im letzten Jahr zu einer massiven Verknappung und Verteuerung des Gases geführt hat und auch Lieferketten bei der Versorgung mit Lebensmittel weltweit ins Wanken gebracht hat. Wir haben eine Angebotskrise, die wir aber gut gemeistert haben.
LEADERSNET: Aber die Inflation ist, trotz eines Rückgangs, in Österreich im Mai mit 8,8 Prozent noch immer höher als in Deutschland und insgesamt in der Europäischen Union.
Schmidt: Gerne zu den Fakten – ja, die Inflation ist in Österreich höher, aber anders als im Vorjahr, sind dafür nicht mehr die Strompreise verantwortlich. Der Beitrag zur Inflation hat sich halbiert. Und weil wir immer gerne nach Deutschland schauen: Dort liegen die Strompreise für Haushaltskund:innen um 40 Prozent über jenen in Österreich und trotzdem ist dort die Inflationsrate deutlich niedriger als in Österreich. Mir ist schon klar, Verweise auf höhere Strompreise anderer Länder – etwa auch in Italien – helfen niemandem weiter, aber das Beispiel zeigt, dass Milchmädchenrechnungen ebenso wenig helfen, wie vermeintlich einfache politische Lösungsversuche. Uns ist sehr bewusst, dass das Leben der Menschen etwas anderes ist, als ein statistischer Warenkorb und daher lassen uns die hohen Preise auch nicht kalt. Die Branche hat die Preissteigerungen aus dem Großhandel nicht in vollem Ausmaß und mit Verzögerung an die Kund:innen weitergegeben, die Senkungen werden nun auch mit Zeitverzug und je nach Beschaffungsstrategie weitergegeben. Entspannung ist also in Sicht.
LEADERSNET: Was also soll geschehen, was kann die E-Wirtschaft als Beitrag leisten?
Schmidt: Wer ist eigentlich die E-Wirtschaft? Man hat in letzter Zeit ja fast den Eindruck, das wären internationale Konzerne mit Konten auf den Cayman Islands, denen das Land und die Menschen egal sind. Die E-Wirtschaft, das sind 20.000 Frauen und Männer, die das Land am Laufen halten, die auch in den ärgsten Krisen dafür sorgen, dass der Strom fließt. Ganz selbstverständlich, Tag und Nacht und bei jedem Wetter. Das lasse ich mir nicht schlecht reden und das so sollte auch in der aktuell schwierigen Situation anerkannt werden! Die E-Wirtschaft, das sind viele kleine Unternehmen und Familienbetriebe, die ihren Beitrag dafür leisten, dass Österreich bei der Versorgungssicherheit international an der Spitze steht. Die großen Energieversorger stehen im Eigentum des Bundes oder der Bundesländer, die Stadtwerke im Eigentum der Städte. Die Dividenden, die ausgeschüttet werden, fließen ins Budget und die Energieunternehmen zahlen insgesamt mehr als sechs Milliarden Euro an Steuern und Abgaben.
LEADERSNET: Für immer mehr Menschen werden die hohen Lebenshaltungskosten zum Problem. Gibt es Lösungen?
Schmidt: Sauberer, sicherer und leistbarer Strom ist der Treibstoff für Österreich. Jetzt und noch viel mehr in zehn oder 20 Jahren. Wir wehren uns nicht gegen den höheren Energiekrisenbeitrag, den die Regierung einheben will. Das Geld muss aber bei den Stromkund:innen landen und darf nicht im Budget versanden. Wir sind daher für einen Sozialtarif für Menschen, die finanzielle Unterstützung wirklich brauchen. Da könnte die Regierung ansetzen. Auch die E-Wirtschaft tut das ihre: Wir unterstützen Menschen, die es schwer haben, in Kooperation mit Sozialeinrichtungen und wir beraten diese wie sie ihren Stromverbrauch senken können. Die Lieferant:innen finden bei kurzfristigen Zahlungsschwierigkeiten in Einzelfällen Lösungen damit keine Wohnung finster wird.
Andererseits müssen wir die erneuerbare Stromerzeugung in Österreich ausbauen. Nicht nur um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch um unabhängiger von Energieimporten zu werden. Die Energiewende wird etwas kosten – wir rechnen mit mindestens 50 Milliarden Euro bis 2030 – andererseits ist das nur die Hälfte dessen, was wir bis dahin für Importe von fossilen Energien ausgeben werden. Der Umbau des Energiesystems für eine saubere, sichere und leistbare Energiezukunft ist daher das Gebot der Stunde. Dafür brauchen wir einen nationalen Schulterschluss.
www.oesterreichsenergie.at
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