LEADERSNET: Mit den Worten "Erfahrung zählt. Erfolg verpflichtet. Expertise bewiesen. Ich habe soeben meine Bewerbung für die Funktion des ORF-Generaldirektors abgegeben" haben Sie Ihre Kandidatur bekannt gegeben. Wann keimte dieser Gedanke erstmals in Ihnen auf?
Prantner: Vor ein paar Monaten als ich begonnen habe, Überlegungen für die zukünftige strategische Ausrichtung und Positionierung des ORF als modernes, öffentlich-rechtliches Medienunternehmen im Zeitalter der Digitalisierung schriftlich festzuhalten. Die finale Entscheidung, mich mit einem Reformkonzept bei der ORF-Generaldirektor:innen-Wahl zu bewerben, habe ich dann im Juli getroffen.
LEADERSNET: Gerüchte über eine Kandidatur gab es bereits bei der Wahl 2016, warum sind Sie damals nicht ins Rennen gegangen?
Prantner: Weil damals noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür war.
LEADERSNET: ORF-Chef Wrabetz positionierte sich bei der Ankündigung seiner Bewerbung als erfahrener Alleingeschäftsführer des Milliardenkonzerns. Was sind Ihre Argumente?
Prantner: Ich bin seit 33 Jahren in unterschiedlichsten Management-Funktionen und Bereichen des ORF – Öffentlichkeitsarbeit, Generalintendanz, Informationsintendanz, Kommunikation und Marketing, Technik, Online und neue Medien – tätig und kenne dieses Haus sehr gut. Ich habe seit 26 Jahren Führungserfahrung im ORF, davon fünf Jahre als Direktor für Online und neue Medien und fast zehn Jahre als stv. Direktor für Technik, Online und neue Medien. Mit einer objektiv nachweisbaren Erfolgsbilanz konnte ich in den vergangenen 15 Jahren die Digitalisierungsoffensive des ORF entscheidend mitprägen, u.a. mit der Gründung der ORF-TVthek, die heute die größte und erfolgreichste österreichische Videoplattform ist.
LEADERSNET: Wie wollen Sie den ORF in die Zukunft führen?
Prantner: Mit einem umfassenden Reformprogramm, mit klaren Zielen und Schwerpunktsetzungen, mit Verantwortungsbewusstsein, Umsicht, Einsatz, Dynamik, Entscheidungsstärke, Durchsetzungskraft und mit einem starken und kompetenten Team, das zu 50 Prozent aus Frauen besteht. Wir stehen an einer Zeitenwende und wir haben jetzt die Chance für Veränderungen. Wir müssen den ORF neu denken – von der Selbstbezogenheit zur Kundennähe. Dieser Mind-Change bedeutet auch einen Change- und Transformations-Prozess im Unternehmen. Und dieses neue Denken erfordert auch neues Handeln. Wir werden unsere Ziele erreichen – mit einer Fortsetzung der Digitalisierungsoffensive, einer starken ORF-Technik, umfassenden Modernisierungsschritten, weitreichenden Strukturreformen, spannenden Programm-Innovationen und einem klaren Fokus auf Österreich. Damit können wir den ORF erneuern und für die Zukunft optimal aufstellen.
LEADERSNET: Wodurch unterscheidet sich Ihr Programm von jenen der Mitstreiter?
Prantner: Ich kenne noch nicht im Detail die Konzepte der Mitbewerber:innen, aber in einem wichtigen Punkt habe ich einen etwas offensiveren Ansatz, das betrifft die Unternehmensstruktur. Da es – alleine schon wegen der Vorbildwirkung – notwendig ist, bei Strukturreformen und Sparprogrammen oben zu beginnen, schlage ich für die Funktionsperiode 2022-2026 eine neue Geschäftsverteilung in der ORF-Führung vor, nämlich eine Reduktion der Anzahl der zentralen Direktionen von vier auf drei und damit eine Einsparung um 25 Prozent. Damit verbunden wäre auch eine neue Kompetenzverteilung innerhalb der Direktionen. Mein Reformkonzept beinhaltet folgenden Vorschlag: Unter der Generaldirektion soll es diese drei Direktionen mit folgenden Geschäftsbereichen geben: "Direktion für Programm/Content für TV/Radio/Online", "Direktion für Finanzen, Personal und Business Development" und eine "Direktion für Technik, Digitalisierung und neue Medien".
LEADERSNET: Wie wollen Sie als Generaldirektor den ORF für eine moderne Mediennutzung fit machen?
Prantner: Die Strategie lautet: "ORF-Content auf allen Plattformen". Wir müssen spannendes Programm und attraktiven Bewegtbild- und Audiocontent produzieren und diesen mithilfe einer modernen, digitalisierten ORF-Technik in optimaler Qualität zu unserem Publikum transportieren – auf allen technologischen Verbreitungswegen, auf alle relevanten Plattformen und Devices. Das Motto muss lauten: ORF, wann und wo sie wollen. Inhaltlich müssen wir auf unsere Stärken, auf unsere unverwechselbaren USPs setzen, die uns von privaten Mitbewerbern, den Angeboten internationaler Internet-Player und Bezahl-Plattformen unterscheiden: das sind die Information, Österreich-Inhalte, Ausbau der TV-Regionalisierung und Live-Programme, vor allem bei Sport- und Kultur-Events. Ganz im Sinne des Titels meines Reformkonzepts: "Für Österreich und seine Menschen".
LEADERSNET: Wie steht es um die Digitalstrategie und geht damit auch ein interner Umbau einher?
Prantner: Im Kern geht es darum, dass wir mit unseren digitalen Angeboten – vom ORF-Player, ORF.at, der ORF-TVthek, der ORF-Radiothek bis zu den Apps und Podcasts – möglichst viele Menschen, vor allem die jungen Zielgruppen, 1. rasch und rund um die Uhr, 2. Live und on-Demand und 3. vor allem mobil erreichen wollen. Neben der aktuellen Information, hochwertigen Kultur- und Wissenschaftsstorys, spannenden Sport-Events und einem kurzweiligen Angebot für Kinder und Jugendliche möchte ich die Themen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz massiv forcieren. Mein Plan ist es, in der neuen Programm- und Contentdirektion eine neue Abteilung zu etablieren, die Berichte, Beiträge, Reportagen und Serviceinfos für alle TV-, Radio- und Online-Channels anbietet. Dieses extrem wichtige Thema muss im ORF-Programm massiv aufgewertet werden. Der ORF muss einen noch stärkeren medialen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten!
LEADERSNET: Wie würde der ORF in fünf Jahren unter Ihrer Führung aussehen?
Prantner: Moderner, schlanker, digitaler, jünger, österreichischer, nachhaltiger und weiblicher. Mit einer Gleichstellungsoffensive bei Personalbesetzungen habe ich das fixe Ziel, dass wir innerhalb der nächsten fünf Jahre einen 50 Prozent-Frauenanteil beim angestellten ORF-Personal erreichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das schaffen werden und können mit der Gleichstellung gleich in der Geschäftsführung beginnen. Ich plane eine signifikante Anhebung des Frauenanteils im Direktorium und bei den Landesdirektor:innen. Derzeit lautet das Verhältnis im zentralen Bereich 60:40 zugunsten der Männer (Generaldirektor, Technischer Direktor, Kaufmännischer Direktor gegenüber Programmdirektorin und Hörfunkdirektorin). Ich verpflichte mich zu einem Gleichstand, das heißt, sollte ich zum Generaldirektor gewählt werden, dann werde ich zwei von drei Direktor:innen-Stellen mit Frauen besetzen (und damit einen 50 Prozent- Frauen-Anteil erreichen). Auf der Ebene der Landesstudios sind derzeit nur zwei von neun unter weiblicher Führung. Mein Ziel ist es, dass es ab 2022 vier bis fünf Landesdirektorinnen gibt.
LEADERSNET: "Andere reden, wir handeln", lautet Ihr Motto nicht nur auf Twitter, oder?
Prantner: Genauso ist es. (jw)
www.orf.at
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