Atradius ist ein globaler Anbieter von Kreditversicherungen, Bürgschaften, Inkassodienstleistungen und Wirtschaftsinformationen mit einer strategischen Präsenz in mehr als 50 Ländern. Die von Atradius angebotenen Produkte schützen Unternehmen weltweit vor den Ausfallrisiken beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Kredit. LEADERSNET hat Franz Maier, Atradius Generaldirektor Österreich, Ungarn und Südosteuropa, und "Krisenmanager 2020 in der Kategorie Finanzen" zum Interview gebeten.
LEADERSNET: Wie haben Sie als großer Player im Kreditversicherungswesen das Jahr 2020 erlebt?
Maier: Im Februar 2020 haben wir bereits das Ausmaß dieser Krise gesehen und ja selbstverständlich war dies sehr Besorgnis erregend und wir schalteten auf "Krisen Modus". Die Finanzkrise war ein komplett anderes Szenario – jetzt sprechen wir davon, dass tatsächlich jedes Land, jede Branche und somit jedes Unternehmen unter der COVID-Pandemie leidet. Top Unternehmen sind kurz vor der Insolvenz. Unternehmen haben keine Aufträge zum Produzieren, Geschäfte sind geschlossen, es gibt keine Umsätze und Firmen können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Wir haben in diesem Krisenmodus täglich mit unseren Kunden die Entwicklung analysiert und sind mit ihnen den doch teilweisen riskanten und holprigen Weg bis zum Schluss gegangen, um die bestmögliche Absicherung die bestmögliche Sicherheit für sie zu offerieren.
Es war ein Jahr voller unglaublicher Herausforderungen, welche wir jedoch als Kreditversicherer mit unseren Kunden und Partnern gemeinsam ausgezeichnet gemeistert haben.
LEADERSNET: Haben die heimischen politischen Finanzverantwortlichen zeitgerecht und richtig auf die Krise reagiert?
Maier: Teils, Teils – die Krise kam praktisch über Nacht und über Nacht waren auf einmal alle Mitarbeiter zu Hause und die Umsätze und Aufträge weg. Auf so eine Krise hat man sich ganz einfach nicht eingestellt, da es dies ja auch in dieser Form nicht gab. Ich kann jedoch definitiv sagen, dass eine Vielzahl, ich würde meinen die Mehrheit, sehr schnell und gut reagiert hat.
LEADERSNET: Wie hat sich Atradius auf eine drohende Insolvenzwelle im CEE-Raum gerüstet?
Maier: Wir haben natürlich alle Risiken tagesaktuell in unserem Monitoring, es war und ist eine immense Arbeitsbelastung welche dahintersteht, Millionen von Unternehmen neu zu bewerten und die Ausfallswahrscheinlichkeiten anzupassen. Wir sind proaktiv mit unseren Kunden in den Dialog gegangen und haben mit ihnen gemeinsam die Kreditlimite besprochen, angepasst und die Strategie festgelegt.
LEADERSNET: Hat die Wirtschaft in den vergangenen Jahren mit Katastrophen in dieser Größenordnung gerechnet? Und sich eventuell darauf vorbereitet?
Maier: Nein mit einem solchen Szenario hat keiner gerechnet, die BIP Rückgänge sind enorm und ein Schrumpfen der Weltwirtschaft hat es so noch nicht gegeben.
LEADERSNET: Welches Risikoportfolio empfehlen Sie Unternehmen nach der Pandemie?
Maier: Alle Unternehmen können natürlich Risken bergen, in Österreich ist die Quote jener Unternehmen, welche Liquiditätsengpässe haben bei 50 Prozent. Daher ist faktisch überall ein Risiko vorhanden – deswegen gibt es ja uns auch.
LEADERSNET: Was muss man heute tun, um künftig wirtschaftlichen Erfolg zu haben?
Maier: Neben einem soliden Businessplan benötigt man ebenso einen Business Continuity Plan. Diese Krise hat uns gelehrt, dass die Mehrheit aller Unternehmen eine Pandemie wie diese ohne staatliche Hilfspakete nicht überleben kann. Vorsorge für schlechte Zeiten schaffen, flexibel zu sein, rechtzeitig wichtige Banklinien sichern und seine Kunden täglich prüfen – nur Kunden, welche auch zahlen, sind gute Kunden. Davon hängt immer das Überleben des eigenen Unternehmens ab.
LEADERSNET: Wovon hängt die weitere Entwicklung des Zahlungsrisikos allgemein ab?
Maier: Es wird sehr viel von den nächsten Wochen und Monaten abhängen, wie schnell wir eine ordentliche Durchimpfungsrate erzielen – das wird der Schlüssel zur Normalität sein. Selbstverständlich werden die Hilfspakete über kurz oder lang auslaufen müssen, hier muss man sehr bedacht reagieren, um langsam eine phasing out vorzubereiten, da es ansonsten zu einer sofortigen Pleitewelle kommt.
LEADERSNET: Wo wird es zu den meisten Insolvenzen kommen?
Maier: Prinzipiell waren schon vor der Corona Krise 30 Prozent aller Handelsunternehmen in der Verlust Zone, 50 Prozent der Hotellerie und 40 Prozent der Gasthäuser hatten negatives Eigenkapital, eine Vielzahl von Branchen ist schwer betroffen: Luftfahrt, Bereiche des Transports, Catering, der gesamte Tourismusbereich, es gibt tatsächliche wenige Unternehmen, die nicht betroffen sind. Auch haben 50 Prozent aller österreichischen Unternehmen Liquiditätsprobleme. Es wird daher leider doch eine hohe Anzahl an Insolvenzen in vielen Branchen kommen.
LEADERSNET: Wagen Sie für uns einen Ausblick auf 2021?
Maier: Ab Mai, Juni wird sich die Stimmung schnell aufhellen und ich erwarte ab Juli beziehungsweise August wieder ordentliche Wachstumsraten.
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