Der "Lockdown - Aktion Scharf", welcher mit Dienstag, den 17. November bis vorerst 6. Dezember 2020 in Kraft tritt, schlägt hohe Wellen. Die Maßnahmen und ihre Auswirkungen betreffen ausnahmslos jeden - doch manche noch ein bisschen mehr, je nachdem ob und in welcher Branche man berufstätig ist, und...ob man betreuungspflichtige Kinder hat.
"Lockdown begründet keinen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit"
Es ist kein neues Problem: Schon im ersten Lockdown im März und April machte die Schließung von Schulen und Kindergärten die Betreuung von Kindern für viele berufstätige Eltern zur großen Herausforderung. Nachdem es nun nach vielem Hin und Her fix ist und ebendiese Betreuungs- und Ausbildungsstätten geschlossen werden, fühlen sich viele Eltern von der Regierung allein gelassen oder gar "veräppelt", denn: "Der Lockdown begründet keinen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit für Eltern", hieß es am Sonntag aus dem Büro von Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Und das, obwohl die Kindergartenpflicht fällt und Schulen auf Fernunterricht umstellen. Laut Verordnung besteht ein Rechtsanspruch dann, wenn die Einrichtungen ganz oder teilweise geschlossen sind. Erst am Mittwoch wurde die Novelle erarbeitet, die Vorzüge besonders hervorgehoben.
Als Argument hierfür gibt das Arbeitsministerium an, dass es ja auch während des Lockdowns die Möglichkeit auf Betreuung in den Kindergärten und Schulen gebe. Doch das ist de facto nur eine Notlösung der Regierung für all jene, denen die Ressourcen für die klare Empfehlung – und das sind Heimbetreuung und nach Möglichkeit auch -unterricht – fehlen. Unterreicht findet in den Schulen bis 7. Dezember nämlich dezidiert keiner statt.
Verlassen auf "Absprache mit dem Arbeitgeber"
Der Ansprechpartner und Urteilsgeber in Verhandlungen rund um Sonderbetreuungszeit sei dem Arbeitsministerium zufolge also nicht der Staat bzw. das zuständige Ministerium, sondern der Arbeitgeber – trotz Rechtsanspruch. Der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit greife nämlich erst dann, so Aschbachers Sprecher, wenn die Betreuungseinrichtung geschlossen sei, etwa wenn die Betreuerinnen und Betreuer an COVID-19 erkrankt seien. Und weiter: "Wo Kindergärten und Schulen momentan geschlossen sind, das heißt keine Kinderbetreuung angeboten wird, gibt es natürlich einen Rechtsanspruch. Nach Rücksprache des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber kann die Sonderbetreuungszeit aber auch in sonstigen Fällen in Anspruch genommen werden."
Widersprüchliche Aussagen von Kurz und Anschober
Bei wem sich nun ein gewisses Gefühl der Verwirrung breit macht, der ist nicht allein. Am Sonntag sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in der ORF-Pressestunde folgendes: "Wer die Möglichkeit hat, Kinder zu Hause zu betreuen, den bitten wir, das zu tun." Man dürfe nicht vergessen, dass man derzeit Hunderttausende Arbeitslose habe sowie Menschen in Kurzarbeit und Menschen, deren Geschäfte und Betriebe geschlossen seien.
Kurz sagte auch, dass all jenen, denen die Möglichkeit der Betreuung hingegen berufsbedingt nicht gegeben sei, die Betreuung in den Schulen zur Verfügung stehe. Es würden auch Lehrerinnen und Lehrer anwesend sein, um die Kinder in Kleingruppen zu unterstützen. Auch er betonte, dass der Rechtsanspruch für den Fall so konzipiert sei, "dass ganze Schulen geschlossen sein müssen." Diesen Aussagen folgte wiederum Aschbacher mit einer Aussendung, in der es heißt: "Vereinbarkeit von Familie und Beruf beruht auf einem Balanceakt, jetzt mehr denn je. Wichtig ist daher, dass die Sonderbetreuungszeit in Absprache zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auch in jeglichen Fällen in Anspruch genommen werden kann."
Jedoch stand dies in gewissem Maße in Widerspruch zu den Aussagen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Dieser hatte am Samstag den von Wirtschaftsvertretern behaupteten Entfall der Sonderbetreuungszeit noch sehr anders formuliert. In der ORF-ZIB2 gab er klar zu verstehen, dass die Schulen trotz Fernunterrichts geöffnet bleiben und verneinte ebenso klar, dass dies nicht den Entfall der Sonderbetreuung bedeuten könnte: "Nein, das glaube ich nicht. Uns geht es ja nicht darum, dass wir hier jemanden austricksen, sondern es gibt ein Angebot für jene Eltern, die es brauchen." Hier muss jedoch angemerkt sein, dass für das Arbeitsrecht nicht der Gesundheitsminister, sondern Arbeitsministerin Aschbacher zuständig ist, und somit ihr Wort gelten sollte.
Nationalratsbeschluss kommt in KW 47
In der eben angelaufenen Kalenderwoche 47 wird im Nationalrat der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit von bis zu vier Wochen beschlossen. Er gilt rückwirkend mit 1. November auch für systemrelevante Arbeitskräfte – vorausgesetzt, das zu betreuende Kind hat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet und es besteht keine andere Möglichkeit, das Kind adäquat zu betreuen. Dabei solle aber auch niemand gefährdet werden – es gelte also gerade in Zeiten der Pandemie etwa die Großeltern als Risikogruppe zu schützen und sie nicht als Betreuungsmöglichkeit zu nutzen. Das Arbeitsministerium nannte am Donnerstag gegenüber orf.at als geeignete Betreuungspersonen "bestenfalls Personen, die den Kindern schon vertraut sind, wie Tanten/Onkel der Kinder, andere Verwandte oder auch bereits ältere verlässliche Geschwister".
Kritik von allen Seiten, Prüfung durch ÖGB
Das Verwirrspiel um die Bertreuungsreglements versetzt viele Eltern in Aufruhr und erntet heftige Kritik. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) will die Situation prüfen und merkte an, dass Eltern nicht im Stich gelassen werden dürften. Das sei nicht die Intention des Gesetzes und "Verunsicherung hilft gerade niemandem". Auch die SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek übte scharfe Kritik an der Situation. Dass es den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit im bevorstehenden Lockdown de facto nicht gebe, sei "ein Schlag ins Gesicht der Eltern", kritisierte sie in einer Aussendung.
Vergangene Woche billigte der Sozialausschuss des Nationalrats mit großer Mehrheit eine entsprechende Novelle zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz. Auch zur Betreuung von in Quarantäne befindlichen Kindern wird im Bedarfsfall ein Fernbleiben von der Arbeit bei voller Lohnfortzahlung möglich sein. Im Gegenzug erhalten die jeweiligen Betriebe die gesamten – und nicht nur wie derzeit die Hälfte der – Lohnkosten ersetzt. Darum kann der Arbeitgeber bei der Buchhaltungsagentur des Bundes ansuchen. Gelten soll die neue Regelung laut Gesetzesentwurf bis zum Ende des Schuljahrs 2020/21. Der Anspruch auf Sonderbetreuungszeit gilt übrigens nicht in den Ferien – laut Arbeitsministerium wurde dies mit einem Abänderungsvertrag korrigiert. (red)
www.bmafj.gv.at
www.sozialministerium.at
www.oegb.at
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