LEADERSNET: Die Aufregung um das mögliche Werbeverbot für bestimmte Lebensmittel ist groß. Das Gesundheitsministerium hat jetzt mitgeteilt, dass ein "gänzliches Werbeverbot für ungesunde nicht notwendig" sei. Jedoch sei es notwendig Regelungen für die Bewerbung solcher Lebensmittel vorzuschreiben, wenn sich diese an Kinder richtet und vor, nach und in Kindersendungen vorkommt. Klingt das nicht nach einem guten Vorschlag?
Bauer: Ursprung der Diskussion ist eine neue EU-Richtlinie, um audiovisuelle Mediendienste stärker zu regulieren. Durch Verhaltenskodizes soll „unangebrachte Werbung" im Rahmen von Kindersendungen verringert werden. Bereits 2010 wurden in Österreich von den Rundfunkunternehmen diese Vorgaben für die Bewerbung von Lebensmitteln mit einem hohen Gehalt an Salz, Zucker oder Fett im Rahmen von Kindersendungen durch einen Verhaltenskodex erfolgreich umgesetzt. Der Gesetzesentwurf, den des Gesundheitsministerium vorgelegt hat, schießt weit über die EU-Richtlinie hinaus. Da ist ein "österreichisches Nährwertprofil" vorgesehen, womit die Behörden entscheiden könnten, welche Lebensmittel „gesund genug" sind, um beworben zu werden, und welche nicht. Das würde ganze Produktgruppe treffen, nicht nur Süßigkeiten, sondern auch Fischstäbchen, Salamiwurst oder sogar ein Fruchtjoghurt. Die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien spricht sich klar gegen Verbote aus. Verbote haben noch selten etwas Positives bewirkt. Verbiete ich etwas, fühlen sich Menschen bevormundet und tun erst recht das Gegenteil von dem, was eigentlich beabsichtigt war. Viele Menschen haben kein Verständnis für diese Oberlehrer-Politik, ich auch nicht. Abgesehen davon ist der Bundesregierung hoffentlich bewusst, welche Konsequenzen das hätte: nämlich enorme Schäden für Medienunternehmen, Werbe- und Kreativbranche und natürlich für Nahrungsmittelhersteller und Handel.
LEADERSNET: Die Leser-Reaktionen auf unseren Artikel zu dieser Thematik waren überwiegend so, dass es sehr wohl notwendig sei, Werbung von Lebensmitteln, die auf Kinder abzielen, stärker zu regulieren. Können Sie die Sorgen der Eltern nachvollziehen?
Bauer: Sorgen kann ich immer nachvollziehen, aber die Erziehung kann ich den Eltern nicht abnehmen. Es ist wichtig, Kinder zu selbstständigen und selbstbewussten Menschen zu erziehen. Sie müssen lernen, selbst zu beurteilen, was ihnen gut tut und was richtig für sie ist. So reifen sie zu mündigen Bürgern heran, die Verantwortung für sich selbst und ihre Umwelt übernehmen.
Wissen Sie, es fängt bei Verboten im Rahmen von Kindersendungen an, aber was kommt als Nächstes? Die meisten Wiener und österreichischen Klassiker sind nicht gesund: Schnitzel, Kaiserschmarren, Speck, Punschkrapfen. Soll dafür dann auch keine Werbung gemacht werden dürfen? Das kann es doch nicht sein. Ich kann mich noch erinnern, wie groß der Aufschrei war, als die Bräune des Schnitzels reglementiert werden sollte. Darf ich künftig dann die Kinderportion des Schnitzels nicht mehr "Cinderella Teller" nennen, weil es die Gefahr des Schnitzels verharmlost?
LEADERSNET: Können Sie beziffern, wie hoch der Schaden für die Medien- und Werbebranche durch die geplanten Einschränkungen wäre?
Bauer: Der Werberat schätzt, dass etwa die Hälfte der gesamten Werbeausgaben betroffen wären. Ich halte das noch für eine optimistische Schätzung. Fest steht, es wäre fatal für die österreichische Kreativwirtschaft. Man muss sich das vorstellen: Allein in Wien, Österreichs Kreativhauptstadt, sind 18.000 Menschen unmittelbar – also bei den Arbeitgeberbetrieben unserer Fachgruppe – in der Werbe-, Kommunikations- und Kreativbranche beschäftigt. Komm das Gesetz wie vom Gesundheitsministerium vorgeschlagen, würden mit einem Schlag große Etats wegfallen, die Unternehmer würden massive Umsatzeinbußen haben, tausende Menschen würden um ihre Existenzgrundlage oder ihren Job bangen müssen. Aber wir wären selbstverständlich bei weitem nicht die einzigen, die das treffen würde: Auch für Medien, Hersteller von Nahrungsmitteln und den Handel hätte dieses Gesetz fatale Auswirkungen.
LEADERSNET: Die betroffenen Unternehmen und die österreichische Werbewirtschaft verweisen darauf, dass es ein "funktionierendes System der Selbstkontrolle" gibt. Wo gäbe es hier noch Verbesserungspotential?
Bauer: Ja, mit dem Werberat haben wir ein sehr gut funktionierendes System der Selbstkontrolle. Das muss laufend weiterentwickelt werden, keine Frage. Das tun wir auch, und das sehr erfolgreich, wie die Vergangenheit zeigt. Wir treten daher für eine Stärkung des bewährten Selbstregulierungssystems ein. Werbeselbstkontrolle statt überbordende staatliche Werbeverbote und Werbebeschränkungen muss die Devise sein.
LEADERSNET: Bei welchen Nahrungsmitteln würde es Sinn machen die Werbung stärker zu regulieren?
Bauer: Unser seit Jahren bestehendes Selbstregulierungssystem funktioniert gut und wir sollten es stärken anstatt über neue gesetzliche Einschränkungen nachzudenken.
LEADERSNET: Wie sind die Reaktionen aus den Agenturen auf den Gesetzesentwurf?
Bauer: Unter vorgehaltener Hand: Die Branche ist ernsthaft alarmiert! Es gibt Agenturen, denen ihre gesamte Existenz entzogen wird, wenn das Gesetz so kommt. Die Coronakrise macht vielen in unserer Branche ohnehin schon zu schaffen, weil Unternehmen bei Werbeaktivitäten als Erstes den Sparstift ansetzen. Das im Raum stehende Werbeverbot kommt da einer Hiobsbotschaft gleich. (as)
www.werbungwien.at
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