Die ÖBB Werbung hat vor kurzem ihr österreichweites Digital Out Of Home-Netzwerk "Railscreen Station" gelauncht (LEADERSNET berichtete). LEADERSNET hat sich deshalb mit ÖBB-Werbung-Chefin Karin Seywald-Czihak zum Interview getroffen und sich mit ihr darüber unterhalten, welche Veränderungen das digitale Netzwerk für die Kunden bringt, was es heißt Teil eines staatlichen Unternehmens zu sein, wie die Schnittmenge aus Online, Mobile, TV und Digital Out Of Home (DOOH) zu einer "Meta-Mediengattung" verschmilzt und wo die ÖBB Werbung noch ihr größtes Wachstumspotential hat.
LEADERSNET: Wie lange hat es gebraucht, das Projekt "Railscreen Station" umzusetzen und was war der Antrieb dahinter?
Seywald-Czihak: Wir haben bereits 2011 begonnen, erste DOOH Flächen am Bahnhof zu realisieren und ab 2013 diese unter dem Produktnamen "Railscreen" vermarktet. Auf neun Bahnhöfen wurden unterschiedliche Bildschirmgrößen, Interaktionsmöglichkeiten und technische Umsetzungen ausgetestet und weiterentwickelt. Auf Marktseite haben wir verschiedene Pricing-Modelle entwickelt und erhoben, für welche Zielgruppe DOOH am Bahnhof den größten Mehrwert erzielen kann. Railscreen Station ist das Ergebnis dieser Erfahrungen. Mein Ziel war es, diesen Entwicklungsprozess weiterzutreiben um unseren Kunden ein System anbieten zu können, bei dem Kundensujets rasch und zentral ausgesteuert werden. Gerade die für den Handel so wichtige Aktionswerbung braucht schnellere Zyklen als einen 14-tägigen Wechsel.
LEADERSNET: Welche Änderungen und welche Vorteile bringt Railscreen Station für Ihre Kunden?
Seywald-Czihak: Unser aktuelles Netz besteht bereits jetzt schon aus 40 Einzelstandorten, die bis Jahresende auf 75 Stationen anwachsen. Damit bieten wir ein DOOH Netz in 4K Ultra HD, das österreichweit potentielle Zielgruppe erreicht. Unsere Kunden können das gesamte Netz buchen, zu denselben Konditionen auch Teilnetze oder einzelne Bahnhöfe. Unsere Zielsetzung ist klar: Wir wollen unseren Kunden für ihre Kampagne optimale Reichweite anbieten. Dazu kommen noch die erhöhte Aufmerksamkeit, durch Bewegtbilder und interaktive Möglichkeiten per Gestensteuerung und Touchscreen. Aber auch Auslieferung von Content auf Basis von Triggern wie Wetter, Temperatur oder Uhrzeit. Digitale Außenwerbung bei der ÖBB Werbung bietet Möglichkeiten, die es in dieser Form noch nicht gab – und das künftig österreichweit.
LEADERSNET: Welche Schritte haben Sie im DOOH-Bereich als nächste geplant?
Seywald-Czihak: Wir schließen mit Anfang März die ersten beiden Ausbauphasen ab. Mit diesem Netz bieten wir der Werbewirtschaft die Aufmerksamkeit der Fahrgäste der 40 größten Bahnhöfe Österreichs an. Bis Ende 2019 werden wir die Anzahl von Monitoren pro Bahnhof erweitern und gleichzeitig neue Bahnhöfe erschließen. Unser Ziel liegt bei 100 interaktiven Bildschirmsystemen an 75 Standorten in Österreich.
LEADERSNET: Wo sehen Sie das größte Wachstumspotential bei der ÖBB Werbung?
Seywald-Czihak: Digital Out of Home wächst stark. Viele Experten dachten, der erste Boom bei DOOH wäre schon vorbei, aber auch 2018 hatten wir in Österreich einen starken Zuwachs von über 20 Prozent. Weltweit gesehen ist digitale Außenwerbung einer der wenigen Kanäle, denen die großen Reichweitenstudien 2019 ein relevantes Wachstum zutrauen. Parallel zu digitalen Angeboten erweitern wir unser Produktportfolio um den Bereich Promotion am Bahnhof. Hier haben wir bereits einen guten Kundenstock, aber definitiv noch Potential. Da viele Verkehrsunternehmen Verteilaktionen auf deren Flächen grundlegend untersagen, haben die ÖBB uns damit ein Alleinstellungsmerkmal ermöglicht.
Railscreen Station am Bahnhof Innsbruck. © ÖBB/Johannes Plattner
LEADERSNET: Sie haben vergangenen Sommer Ihre Kreativstrategie geändert: Die Inhouse-Agentur soll gestärkt werden, unterstützt wird sie dabei von dem externen Kreativduo von AANDRS. AANDRS hat auch FCB Neuwien als Creative Lead abgelöst. Welche Learnings können Sie aus dieser Änderung bisher ziehen?
Seywald-Czihak: Ziel der gesamten Strategie ist eine enge Vernetzung bereits im Kreativ-Prozess. Wir haben uns ganz zu Beginn gemeinsam vielen Fragen gestellt, deren Beantwortung die Basis für kommende Kreativ-Ansätze sind. Wie weit darf Kreativität bei einem großen Konzern wie den ÖBB gehen? Welche Produktmarke verträgt wie viel Änderung, wie viel Hard-Selling braucht ein Angebot im Personenverkehr, wie viel im Güterverkehr? Da gibt unsere interne Grafik-Unit viel Feedback direkt an die externen Kreativen weiter, ohne dass wir dazu Meetings oder Briefing-Gespräche bräuchten. Oftmals sind diese "leisen Töne" dann das, was eine Umsetzung wirklich treffsicher macht. Das erspart Korrekturschleifen und macht uns schneller und effizienter in der täglichen Kreativarbeit.
Wir arbeiten nicht nur mit AANDRS, sondern auch mit anderen Kreativteams zusammen. Die vergangenen Monate haben wir genutzt, um unsere internen Prozesse zu optimieren. Meine Ziele für diesen Schritt des Insourcings sind ganz klar: effizienter zu werden und gleichzeitig die kreative Schlagkraft zu erhöhen. Mit den ersten Umsetzungen die unser Team unter Federführung von Arno Reisenbüchler und René Pichler erarbeitet hat, gehen wir in die richtige Richtung. Aber ich bin überzeugt: da geht noch mehr. Ich will generell dem Thema Kreativität im ÖBB Konzern einen höheren Stellenwert einräumen. Kreativität ist der Treiber für Innovation und Veränderung.
LEADERSNET: Sie haben die Geschäftsführung der ÖBB Werbung vor rund eineinhalb Jahren übernommen. Welche Ziele hatten Sie sich bei ihrem Antritt gesetzt und welche davon haben Sie bisher umsetzen können?
Seywald-Czihak: Im Bereich der Online Vermarktung ist das Ziel, unser Portfolio für unsere Kunden mit dem neuen DOOH Netz zu optimieren. Das ist auch die Basis für weitere vertriebliche Akzente. Beim zweiten Geschäftsfeld, der Inhouse-Agentur, setze ich auf die kreative Profilierung durch die direkte Zusammenarbeit mit Kreativprofis und den Ausbau der digitalen Skills. Das bringt auch einen ganz neuen Spirit in unser bestehendes Team.
LEADERSNET: Sie waren ja bereits zuvor als Prokuristin bei der ÖBB Werbung tätig. Sie waren dann rund ein Jahr als Marketing Director bei General Motors Austria. Welche Erfahrungen haben Sie dort gesammelt und was hat Sie bewogen, zur ÖBB Werbung zurückzukehren?
Seywald-Czihak: Ich möchte die Zeit bei General Motors nicht missen, da ich mir auch umfangreiches Marketing Know-how aus einer anderen Branche mitnehmen konnte. Wissen, das ich jetzt auch für die ÖBB einsetzen kann. Und natürlich ist für mich als Marketing Native eine Geschäftsführungsposition, in der man auch selbst entsprechend gestalten kann, besonders reizvoll. Noch dazu wo es wenige Jobs gibt, in denen man täglich gleichzeitig als Mediavermarkter, Agentur und Kunde arbeitet.
LEADERSNET: Welche Vor- und Nachteile hat es für die ÖBB Werbung Teil eines staatlichen Unternehmens zu sein?
Seywald-Czihak: Wir gehören zu 100 Prozent der Republik und damit allen Österreicherinnen und Österreichern. Der gute Markenname hilft in der Vertriebsarbeit. Meine Key Accounter bestätigen mir oft, dass wir von Anfang an ein klares und sehr gutes Image bei Neukunden haben und wir auch gerne zu Terminen eingeladen werden. Gleichzeitig hat die ungewöhnlich starke Marke ÖBB natürlich auch die Tendenz, unseren Markenauftritt als Außenwerber zu überstrahlen. Auch der B2B Kunde unterscheidet selten zwischen dem ÖBB Personenverkehr oder der ÖBB Infrastruktur – ÖBB ist ÖBB. Deshalb ist das Ziel unseres Vertriebsmarketings immer die klare Positionierung der ÖBB Werbung als Out Of Home-Anbieter.
LEADERSNET: Wo können Sie sich von der Konkurrenz von Gewista, Epamedia und Co. noch etwas abschauen?
Seywald-Czihak: Sowohl Gewista als auch Epamedia sind nicht alleine Mitbewerber, sondern auch Partner, Kunden und Auftraggeber. Wir sind auf unterschiedlichen Ebenen miteinander vernetzt und lernen voneinander. Unser aller Ziel ist es, den grundlegenden Marktanteil von Außenwerbung im Media-Mix zu steigern. Was uns voneinander unterscheidet, sind sicherlich die verfügbaren Personalressourcen. In der ÖBB Werbung sind 13 Personen mit dem Vertrieb, der Umsetzung und Vermarktung beschäftigt. Das macht uns agil, beschränkt aber auch die Menge an Kunden, die wir betreuen können. In diesem Sinne würden wir uns gerne regionale Vertriebsbüros "abschauen" können.
LEADERSNET: Out Of Home hat es nicht nur in Österreich, sondern auch weltweit geschafft, seinen Anteil am Gesamtwerbekuchen relativ konstant – zum Teil auch mit Zuwächsen – zu halten. Zu verdanken ist dies vor allem dem extrem starken Wachstum von DOOH. Welche Entwicklung erwarten Sie sich für die Außenwerbung in den kommenden zehn Jahren und denken Sie, dass es in Zukunft überhaupt noch so klare Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen wie Out Of Home, Online und TV-Werbung geben wird?
Seywald-Czihak: Mediengrenzen existieren nur in den Köpfen der Vermarkter. Der Endkonsument einer Werbung sieht die komplette Kommunikations-Palette, der Werber will Menschen über den effizientesten Kanal erreichen. Wir sehen bereits jetzt, wie stark nach Leistungswerten gebucht wird und die Entscheidung weniger vom Kanal beeinflusst wird, als nach belegbaren Messkriterien. Außenwerbung hat durch seine produktgegebene Verortung einen leicht anderen Ansatz in der Buchung. Ein City Light steht eben genau da wo ein City Light steht. Die Idee dahinter ist aber ident: die besten Kontakte durch das ideale Medium zu generieren.
Wir erleben gerade mit DOOH, wie Mediengattungen ineinanderfließen, konkret hier Online und Außenwerbung. Die Schnittmenge "Online/Mobile/TV/Digital Out of Home" wird eine sehr starke "Meta-Mediengattung" werden. Sie teilen sich den Kern-Nutzen für buchende Kunden erfolgreich: direkt aussteuerbarer Bewegtbild-Content, der sogar interaktiv sein kann, Hypertargeting über Mobile, kurzfristige Änderungen und Flexibilität. Es wird oft von der Digitalisierungs-Offensive gesprochen – die Anbieter digitaler Medien sind in ihrem Feld die Speerspitze.
LEADERSNET: In deutschen Städten wie Berlin ist in den vergangenen Jahren das Thema Außenwerbung zum Politikum geworden, da es Bürgeriniativen gibt, die Plakate und Co. aus dem Stadtbild verbannen wollen, da sie sich von dieser Art von Werbung gestört fühlen. Denken Sie, dass es diese Diskussion in den kommenden Jahren auch in Wien geben könnte und was würde es Ihrer Meinung nach bedeuten, Außenwerbung aus dem Stadtbild zu verbannen?
Seywald-Czihak: Außenwerbung findet immer im öffentlichen Raum statt. Dass hier die Öffentlichkeit auch Mitspracherecht hat, finde ich wichtig und richtig. Manche Communities sind aufgeschlossener, andere weniger. Wir stehen als Außenwerber mit beinahe jeder österreichischen Gemeinde im Kontakt. Wir suchen das Gespräch und finden immer Kompromisse oder Alternativen, wenn eine Einzelfläche aus unterschiedlichen Gründen als störend empfunden wird. Die gesetzlichen Bestimmungen zu Errichtung und Betrieb von OOH-Flächen sind in Österreich sehr klar definiert und wir sind als ÖBB den Kontakt mit anderen Behörden gewöhnt. Es herrscht auf beiden Seiten immer viel Verständnis für den Verantwortungsbereichs des Gegenübers. Würde es konkret für Wien ein Plakatverbot geben, was ich persönlich für äußerst unwahrscheinlich halte, würden Außenwerber stärker auf Verkehrsmittelwerbung umsteigen. London ist dafür ein ideales Beispiel, fast jeder der berühmten Doppeldecker trägt ein Werbe-Branding, einfach weil im Großteil von London großflächige Außenwerbung nicht gestattet ist.
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