"willhaben verleiht den Dingen ein zweites Leben"

| 02.05.2018

willhaben-Chefin Sylvia Dellantonio über Unternehmenskultur, die "Kraken" Google und Facebook und was wirklich hinter dem Erfolg der Plattform steckt.

willhaben ist heuer zum neunten Mal von Great Place To Work als "Österreichs Bester Arbeitgeber" ausgezeichnet worden. Das hat hierzulande sonst noch niemand geschafft. LEADERSNET hat das zum Anlass genommen um willhaben-Geschäftsführerin Sylvia Dellantonio zu einem Gespräch zu treffen und sich mit ihr über den Erfolg bei Great Place To Work, die neue Bild-basierte Suche auf dem Onlinemarktplatz, internationale Konzerne, die "alles absaugen" sowie die Pläne für die kommenden Monate zu unterhalten.

LEADERSNET: Wie erklären Sie die herausragenden Erfolge von willhaben bei Great Place To Work?

Dellantonio: Dahinter steckt ein langer Prozess. Wir haben als relativ kleines Unternehmen angefangen und haben intern früh etabliert, dass wir ein "Great Place To Work" sein wollen. Das hat natürlich eine bestimmte Außenwirkung und hat uns geholfen, als wir noch nicht so bekannt waren, wirklich tolle Leute zu bekommen. Vor allem ist es aber eine Haltung nach innen. Wir haben dieses Thema immer sehr ernst genommen. Ein "Great Place To Work" zu sein, hat auch Auswirkungen darauf, wie man Entscheidungen trifft. Natürlich haben sich viele Sachen in den vergangenen neun Jahren verändert. Mit zunehmender Größe muss man bestimmte Dinge anders machen bzw. braucht es mehr Unterstützung, wenn es um die Unternehmenskultur geht. Wir haben bei ca. 100 Mitarbeitern einen Corporate Culture Coordinator eingeführt und damit unseren Fokus in der HR Arbeit immer stark auf unser wichtigstes Gut, die Unternehmenskultur, gelegt.

LEADERSNET: Firmen, die wachsen, sind damit konfrontiert, dass sie die interne Kommunikation und die Führung der Mitarbeiter adaptieren müssen. Wie haben Sie das geschafft?

Dellantonio: Uns war immer wichtig, dass die Kommunikation gut funktioniert und dass jeder im Unternehmen weiß, woran willhaben arbeitet und was die Ziele von willhaben sind. Das geht natürlich einfacher bei einem Team von 30 oder 40 Menschen. Da ist alles von Haus aus transparenter, weil die Wege kürzer sind und jeder den anderen kennt und dadurch weiß, woran er arbeitet. Umso größer willhaben geworden ist, umso mehr haben wir Strukturen eingeführt. Wir haben beispielsweise mit "willjobsehen" ein Programm, wo man in andere Abteilungen gehen und sich einen ganzen Tag mit den dortigen Aufgabenstellungen auseinandersetzen kann, um zu verstehen welche Herausforderungen dort herrschen und um willhaben als Gesamtes besser zu verstehen. Auch was die Kommunikation betrifft haben wir neue Instrumente geschaffen. Um die Strategie des Unternehmens zu kommunizieren, hat es früher gereicht, wenn man bestimmte Dinge einfach erzählt hat. Jetzt haben wir aber 220 Mitarbeiter und machen alle zwei Monate ein halbstündiges willhaben-Meeting, wo wir alle Mitarbeiter zusammen holen. In einer halben Stunde kann man aber nicht ins Detail gehen. Deshalb gibt es darüber hinaus einen OKR-Prozess (Objectives and Key Results), mit dem wir transparent darstellen können, woran willhaben gerade arbeitet. Die OKRs werden dann auch in Meetings vorgestellt. Aber jedes Team erarbeitet das für sich. Da werden die Schwerpunkte für das jeweilige Quartal festgelegt.

LEADERSNET: Employer Branding ist in den letzten Jahren zu einem großen Thema geworden. Viele Unternehmen beklagen sich, dass sie keine guten Bewerber bekommen. Dieses Problem scheint willhaben nicht zu haben. Wie haben Sie das gelöst?

Dellantonio: Das hat mehrere Gründe. Einerseits haben wir natürlich den Vorteil, dass wir sehr bekannt sind. 98 Prozent der Österreicher kennen willhaben. Zudem stellen wir unseren internen Anspruch an die Kultur und an die Organisation so transparent wie möglich dar. Wir haben vor Jahren begonnen, unsere Kultur in Videos einzufangen. Das ist eine Möglichkeit sie nach außen zu tragen. Darüber hinaus ist die Teilnahme an "Great Place To Work" eine gute Möglichkeit zur Außendarstellung der Unternehmenskultur. Andererseits versuchen wir intern, die unterschiedlichen Mitarbeiter-Welten – Leute im Verkauf haben andere Ansprüche als beispielsweise Entwickler – unterschiedlich anzusprechen. Wir lernen gerade, das noch ein bisschen differenzierter anzugehen, um noch besser auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen zu können.

LEADERSNET: Internationale Konzerne wie Facebook und Google haben angefangen, eigene Online-Marktplätze zu entwickeln. Fürchten Sie diese Konkurrenz?

Dellantonio: Das sind Marken, die eine sehr große Reichweite haben und in vielen unterschiedlichen Geschäftsfeldern für viele Unternehmen eine Bedrohung darstellen. Es sind Kraken, die alles absaugen und das macht mir natürlich Sorgen. Da geht es nicht nur um das ureigene Geschäft von willhaben, sondern auch darum, wie viel Werbebudget z. B. Google in den letzten Jahren aus dem österreichischen Markt abgezogen hat. Dieses Geld, das von österreichischen Werbetreibenden investiert wird, bleibt nicht in Österreich. Das finde ich in Summe schon problematisch. Facebook drängt mit Facebook Marketplace explizit in unseren Bereich. Ich tue mich schwer, das jetzt schon zu beurteilen. Wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir eine österreichische Marke sind, dass wir in Österreich tätig sind, Mitarbeiter in Österreich haben, Geld in Österreich investieren und eine Nähe zum Markt haben. Ich glaube auch, dass wir den österreichischen Markt besser verstehen und auf lokale Eigenheiten eingehen können. Gleichzeitig genießen wir bei den Usern auch Vertrauen, weil wir eine österreichische Marke sind.

LEADERSNET: Da wir schon beim Thema Daten sind: Wie gehen Sie mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der ePrivacy-Verordnung um?

Dellantonio: Wir setzen uns schon sehr lange und sehr intensiv mit diesen Themen auseinander. Es braucht ein paar technologische Voraussetzungen, um alles möglich zu machen und daran arbeiten wir.

LEADERSNET: Welche Pläne und Ziele hat willhaben für 2018?

Dellantonio: Wir verstehen uns als Matchmaker. willhaben ist dazu da Käufer und Verkäufer zusammen zu bringen und das wird es im Kern immer bleiben. Wie wir das schaffen, hat sich über die Zeit natürlich verändert. Allein schon deswegen, weil wir uns technologisch weiterentwickelt haben. Wir haben extrem viel investiert in Kategorien und Filter, um die Suchen noch viel genauer setzen zu können. Wir haben auch kürzlich eine Chatfunktion implementiert, die dazu beiträgt, dass die Kommunikation über das inserierte Objekt viel schneller stattfinden kann und der Treffpunkt zur Übergabe der Ware schneller ausgemacht werden kann. Das war auch eine Funktion, die sich die User explizit gewünscht haben. willhaben bietet in einigen Kategorien auch eine Bildsuche. Man kann über das Foto eines Objekts, das ich auf willhaben gefunden habe und das mir gefällt, ein ähnlich aussehendes Objekt suchen. Das funktioniert bereits irrsinnig gut. Wir haben es in der Mode- und in der Möbelkategorie bereits implementiert und der Traffic hat sich hier bereits gesteigert, da die User noch intensiver suchen.

LEADERSNET: Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Bildsuche gekommen?

Dellantonio: Es ist oft schwer einen Artikel mit den Filtern und Kategorien ausreichend einzugrenzen. Deshalb sind wir auf die Idee mit der Bildersuche gekommen. Wir arbeiten hier mit einem Styria-Team aus Kroatien zusammen, das kürzlich einen Preis in New York gewonnen hat. Die Suche basiert auf Artificial Intelligence (AI), im konkreten Fall Picture Recognition. Mit diesen Technologien lässt sich unsere Kernfunktion noch weiter verbessern. Matchmaking ist das Kerngeschäft von willhaben. Es bieten sich immer wieder neue Dinge an, um das Core Business zu verbessern. Wir experimentieren auch mit Logistik. In Wien gibt es beispielsweise Door-to-Door Deliveries, die man in Anspruch nehmen kann. Wir probieren immer wieder unterschiedliche Dinge aus, um den Ablauf für die User noch einfacher zu machen und lernen und verbessern das Angebot. In der Auto-Kategorie sind wir gerade dabei, den Händlern noch bessere Tools zur Verfügung zu stellen, Zusatzservices anzubieten und die Usability noch mehr zu erhöhen.

LEADERSNET: Die ÖWA (Österreichische Webanalyse) bescheinigt Ihnen bereits ein Reichweite von über 50 Prozent und ein Wachstum von über 250.000 Usern pro Jahr. Was ist Ihrer Meinung nach das Geheimnis dieses Erfolgs?

Dellantonio: Nichts Spezielles, es ist die Summe unserer Aktivitäten. Aber ein Aspekt, der immer noch wunderschön an willhaben ist, ist die Tatsache, dass Dinge ein zweites Leben kriegen und nicht weggeworfen werden. Das treibt uns auch intern an. Nachdem es immer noch Unmengen von Dingen und Gegenständen in den Kellern und auf den Dachböden gibt, die man heben kann, glaube ich, dass wir immer noch weiter wachsen können, weil es eine gute Möglichkeit ist, einerseits Geld zu machen aber auch nachhaltig Dinge weiter zu nutzen.

www.willhaben.at

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