Seit mittlerweile neun Jahren leitet Wilfried Weitgasser die Geschicke von Porsche Austria. LEADERSNET hat den Manager im Zuge der Berichterstattung rund um die Vienna Autoshow zum Gespräch getroffen. Weitgasser erzählt dabei, warum er sich in seinem Job wie ein ÖSV-Ass fühlt, wie er mit hohen Ansprüchen und Erwartungen umgeht, was es mit der markenübergreifende Firma Allmobil auf sich hat und warum der Kunde über zukünftige Vertriebskonzepte entscheiden wird.
LEADERSNET: Sie sind seit rund 20 Jahren in den unterschiedlichsten Positionen für Porsche tätig. Hat Sie ein Wechsel zu einem anderen Hersteller oder in eine andere Branche in all den Jahren nie gereizt?
Weitgasser: Die Porsche Holding ist so dynamisch, vielseitig und international aufgestellt, dass es permanent Möglichkeiten zum internen Wechsel oder zur Weiterentwicklung gibt. Als Geschäftsführer der Marken VW PKW und Nutzfahrzeuge sowie der Premiummarke Audi verantworte ich aktuell mehr als ein Fünftel des österreichischen PKW-Marktes. Dazu kommt der gesamte After-Sales-Bereich aller Marken und das Ersatzteilegeschäft. Dank der langen Haltbarkeit unserer Fahrzeuge sind das fast 40 Prozent des gesamten Fahrzeugbestandes in Österreich. Erst vor Kurzem habe ich noch die Funktion des Chief Digital Officers für die Porsche Austria übernommen. Sie merken schon, wie viel Abwechslung meine Arbeit mir bietet. Ein umfassendes Aufgabengebiet, bei dem es wichtig ist, exzellente Teams zu haben, die eigenständig und verantwortungsbewusst in den jeweiligen Bereichen arbeiten.
LEADERSNET: Zwischen 2005 und 2009 waren Sie Geschäftsführer von Porsche Slovenjia. Welche Unterschiede haben Sie zwischen dem heimischen und dem slowenischen Automarkt bemerkt?
Weitgasser: Diese fast fünf Jahre Auslandserfahrung waren für mich persönlich sehr wertvoll. Ich konnte in dieser Zeit sehr viel lernen und dabei ein anderes Land intensiv kennenlernen, das sich von Österreich doch grundlegend unterscheidet. Neben Volkswagen und Audi, die schon damals sehr erfolgreich waren, war ich für den Aufbau von Seat und Skoda zuständig. Wir haben damals mit Skoda in der Kommunikation neue Wege bestritten und vermehrt Onlinekanäle genutzt. Und hatten damit Erfolg! Ein Unterschied ist sicher die Größendimension. Während der gesamte PKW-Markt in Slowenien rund 70.000 Neuwagen beträgt, haben wir in Österreich alleine im letzten Jahr rund 85.000 VW und Audi an Kunden ausgeliefert.
LEADERSNET: Sie sind seit Anfang 2009 Geschäftsführer von Porsche Austria. Wie lautet Ihr Resümee?
Weitgasser: Es macht mir große Freude ein Team von mehr als 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu führen. Die Autobranche ist enorm dynamisch. Kein Jahr gleicht dem anderen. Als Marktführer wirst du von deinen Mitbewerbern natürlich laufend gefordert. Wir nehmen diese Herausforderungen im Team sehr gerne und enorm sportlich an. Für Porsche in Österreich zu arbeiten, ist wie im ÖSV-Team Ski zu fahren. Die Ansprüche sind hoch und die Erwartungen auch. Aber es macht eben den größten Spaß, in Österreich Rennen zu gewinnen.
LEADERSNET: Wie Sie vorhin erwähnt haben, fungieren Sie neben Ihrer Funktion als Geschäftsführer auch als Chief Digital Officer. Wie sieht die Digitalisierungsstrategie von Porsche Austria aus?
Weitgasser: Digitalisierung ist längst Realität, aber noch eine lineare Entwicklung. Wir sind momentan dabei, das bestehende Kerngeschäft in eine digitale Zukunft zu transformieren. Der Kunde steht bei uns ganz klar im Fokus. Entscheidend ist dabei die Schnittstelle zwischen der digitalen Onlinewelt und der realen Welt beim Händler vor Ort. Wir haben in den letzten zwei Jahren eine wahre Digitalisierungsoffensive gestartet und den Handel mit innovativen Tools ausgestattet. Wir sprechen nicht von Charts über digitale Produkte und Ideen, wir sprechen von realen Produkten im Markt, welche die Kunden und unsere Händler bereits täglich nutzen. Diese Tools entwickeln wir mit Fokus auf den Kundennutzen laufend weiter.
LEADERSNET: Welche großen Herausforderungen und welche Chancen erwarten Sie sich für Ihr Unternehmen und die Branche ganz allgemein noch durch die Digitalisierung?
Weitgasser: Durch Vernetzung, Venture Capital und enorme Rechnerleistung – Stichwort Big Data – gelingt es einigen Start-ups, Ideen zu entwickeln, die unsere Branche erschüttern können. Es wird neue Mitbewerber geben, die wir heute noch gar nicht sehen. Was wir haben, wird noch viele Jahre gut sein, aber wir müssen auch in neue Geschäftsfelder eintreten. Und dafür haben wir eine eigene Firma gegründet: Allmobil ist markenübergreifend und bietet Lösungen für die gesamte Autobranche. Zwei Marken wurden bereits geboren: Mobidrome, als Plattform für alle, die nichts vom Auto verstehen, aber im richtigen Auto sitzen wollen. Von Usern für User – mobidrome.com entwickelt sich jedenfalls sehr gut. Mit der Marke Moon engagieren wir uns stark bei der Individualisierung der Lade-Infrastruktur. Gemeinsam mit den Kreisel-Brüdern und anderen etablierten Anbietern wollen wir verstärkt die E-Mobilität demokratisieren. Jede Privatperson, jeder Betrieb, jeder Händler kann sich demnächst ein Moon-Komplettpaket vor die Haustür stellen.
LEADERSNET: Tesla verzichtet im Vertrieb auf eine Importeurs- und Händlerstruktur. Ist das ein Weg, der auch für die großen Autobauer in Zukunft ein gangbarer sein könnte?
Weitgasser: Denken Sie, dass die Kunden das wirklich wollen? Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie eine Hotline an Stelle einer physischen Person als Ansprechpartner haben? Wir setzen auf ein durchgängiges Vertriebsnetz, einen örtlich nahen Service, rasche Teileversorgung und eine persönliche Ansprache. Fest steht: der Kunde wird über das Vertriebskonzept entscheiden.
LEADERSNET: Welche Pläne haben Sie für das Unternehmen für 2018?
Weitgasser: Durch das gute Wirtschaftswachstum erwarten wir 2018 einen stabilen Gesamtmarkt und wir wollen weiter wachsen. Bei VW haben wir mit dem neuen T-Roc endlich einen kleinen SUV und steigen damit in ein ganz neues Marktsegment ein. Seit 40 Jahren in Folge ist der Golf das meist verkaufte Modell in Österreich und dieses Jubiläum feiern wir mit einem wunderbaren Golf Rabbit Sondermodell. Bei Audi erwartet uns ein wahres Produktfeuerwerk mit spannenden Autos wie dem Q8 oder dem vollelektrischen Audi e-tron. Gerade im Bereich E-Mobilität werden wir in den kommenden Jahren deutliche Zeichen setzen. Und im Digitalbereich werden wir unter anderem die bereits erwähnten markenübergreifenden Plattformen Mobidrome und Moon intensiv weiterentwickeln.
LEADERSNET: Die Autoindustrie befindet sich in einer Phase großer Veränderung – Stichwort E-Mobilität. Wie begegnet man bei Porsche Austria und den unterschiedlichen Marken, die das Unternehmen repräsentiert, diesen Herausforderungen und welche Schwerpunkte werden Sie setzen?
Weitgasser: Wir befinden uns zweifelsohne in einer Transformationsphase. Aber man muss schon festhalten: Es gibt nach wie vor sehr viele Menschen, die das Auto schlichtweg brauchen, um beispielsweise in die Arbeit zu kommen, insbesondere in ländlichen Gebieten. Und beim Thema Nachhaltigkeit rennt man bei uns offene Türen ein. Der VW-Konzern setzt voll auf E-Mobilität. Bis 2025 werden weltweit 80 neue elektrifizierte Modelle auf den Markt kommen, 50 davon als reine Elektrofahrzeuge. Ab 2030 wird es in jeder Modellbaureihe aller Konzernmarken mindestens ein Elektroauto geben. Audi startet schon bald mit dem e-tron, Porsche bringt Ende 2019 den faszinierenden Mission-E und Volkswagen kommt ab 2020 mit der neuen I.D.Familie. In Österreich bereiten wir uns auch schon auf die Elektro-Offensive vor. Bis 2025 wollen wir die Marktführung im Bereich der Elektromobilität übernehmen. Aktuell bauen wir die Schnellladepunkte bei unseren Händlerbetrieben aus.
LEADERSNET: Denken Sie, dass es neben dem Elektromotor noch eine weitere alternative Antriebsmethode gibt, die sich langfristig erfolgreich wird etablieren können?
Weitgasser: Der Volkswagen-Konzern setzt stark auf die umweltfreundlichen CNB- Motoren (Erdgas – Anm. d. Red.) als weitere alternative Antriebsform. Zwar ist die Marktakzeptanz leider noch sehr gering, aber über alle Marken halten wir mit unseren Konzernmodellen schon jetzt knapp 60 Prozent Anteil am CNG-Markt. Daneben wird uns der Diesel sicher noch länger begleiten. Aufgrund seiner Effizienz wird der Diesel speziell in höheren Fahrzeugklassen auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Der VW-Konzern investiert auch in Zukunft intensiv in die Diesel-Technologie und arbeitet konsequent an der Optimierung der Verbrennungsmotoren.
LEADERSNET: Ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren vor allem im urbanen Bereich etabliert hat, ist Carsharing. Das könnte bedeuten, dass es in Zukunft weniger Autos in der Stadt geben wird. Welche Konsequenzen erwarten Sie sich darauf für die Autohersteller?
Weitgasser: Ich bin überzeugt, dass Carsharing ein gutes, tragfähiges Konzept ist, wenn das Auto einem Dritten oder einer Kommune gehört. Allerdings sollte Carsharing dort stattfinden, wo es kein alternatives Angebot gibt. Derzeit gibt es das ja nur im urbanen Bereich, wo es ohnehin eine top Infrastruktur gibt. Mit „sharetoo" bieten wir bereits Firmen, Bauträgern oder Kommunen Sharing Modelle über die Porsche Bank und Europcar an.
LEADERSNET: Im Gegensatz zu anderen Automessen, wo die Zahl der teilnehmenden Hersteller zuletzt rückläufig war, erlebt die Vienna Autoshow einen regelrechten Boom, mit einem neuen Ausstellerrekord in diesem Jahr. Hat das Auto in Österreich einen anderen Stellenwert als in der restlichen Welt?
Weitgasser: Das Interesse der Österreicher am Automobil ist ungebrochen, Autos faszinieren und emotionalisieren. 2017 hatten wir in Österreich den zweithöchsten PKW-Markt, wobei Wien und Umgebung rund ein Drittel des Marktes einnimmt. Deshalb hat auch die Vienna Autoshow mit zuletzt rund 150.000 Besuchern eine große Bedeutung. Es gibt keinen Schauraum, der so viele Modelle unterschiedlichster Marken fassen könnte. Daher ist die Messe als zentraler Jahresauftakt der Automobilbranche bedeutend.
LEADERSNET: Österreich hat seit kurzem eine neue Regierung. Welche Wünsche für die Autoindustrie haben Sie an die Politik?
Weitgasser: Die Automobilwirtschaft ist ein enormer Jobmotor und schafft Arbeitsplätze: Direkt und indirekt finden 450.000 Österreicherinnen und Österreicher in der Automobilwirtschaft Beschäftigung. Somit sind rund 11 Prozent aller Beschäftigten der Automobilwirtschaft zuzurechnen und das wiederum entspricht jedem 9. Arbeitsplatz in Österreich. Zudem benötigen viele Menschen ihr Fahrzeug für ihren Beruf und damit für ihren Lebensunterhalt. Wenn ich nun drei Wünsche frei hätte, dann wären das eine Erleichterung beim Sachbezug, der Vorsteuerabzug für Unternehmer analog dem Modell in Deutschland und zusätzliche Anreize für alternative Antriebsformen und für den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur. (as)
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