Aufsehenerregende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH): Gefälligkeitsartikel, die im Gegenzug für gebuchte Inserate erscheinen, unterliegen keiner gesetzlichen Kennzeichnungspflicht. „Diese Kennzeichnungspflicht erfasst nur entgeltliche Veröffentlichungen, nicht auch Veröffentlichungen aus bloßer Gefälligkeit“, so die Entscheidung des OGH im Rechtsstreit zweier Gratiszeitungen im Burgenland.
Aufmerksame und kritische Leser
Der durchschnittlich aufmerksame und kritische Leser gehe heute davon aus, dass auch redaktionelle Beiträge in periodischen Medien nicht „neutral“ sind und keine absolute Objektivität in Anspruch nehmen können, weil sie von – zumeist auch namentlich genannten – Journalisten stammen, die ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen, sei es in politischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Belangen, so der OGH weiter.
Der Entscheidungstext (Rechtssache 4Ob60/16a) wurde kürzlich im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts veröffentlicht, berichten die Salzburger Nachrichten (SN). Es geht unter anderem um Artikel und Inserate in den Burgenland-Ausgaben der Gratis-Wochenzeitung Tips. Laut dem Höchsturteil müssen Beiträge, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, so wie bisher als „Anzeige“, „Werbung“ oder „entgeltliche Einschaltung“ gekennzeichnet werden. Unentgeltliche redaktionell gestaltete Anzeigen oder unbezahlte Werbung hingegen nicht.
„Mit der gängigen Praxis zu argumentieren ist einseitig und kurzsichtig“
Der Kläger brachte im Verfahren vor, es handle sich um entgeltliche Einschaltungen, die als redaktionelle Beiträge getarnt worden seien. Den Lesern seien reine Werbeinhalte als redaktionelle Beiträge „untergejubelt“ worden. „Das als 'Schleichwerbung' beanstandete Verhalten der Beklagten in redaktionellen Beiträgen ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG nicht unlauter“, ist man beim OGH überzeugt, da „für den Durchschnittsleser am Charakter der beanstandeten Veröffentlichungen als redaktionelle Beiträge kein Zweifel besteht, bedarf es im Fall der Unentgeltlichkeit dieser Beiträge unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots (§ 1 UWG) auch dann keiner zusätzlichen Aufklärung des Publikums durch Kennzeichnung, wenn der Beitrag aus Gefälligkeit Äußerungen kommerziellen Charakters mit 'werblichem Überschuss' enthält.“
Der OGH entschied laut SN anders als die beiden Vorinstanzen. Sowohl das Landesgericht Eisenstadt als auch das Oberlandesgericht Wien bejahten in ihren Urteilen die Verpflichtung zur Kennzeichnung der werblichen Beiträge, auch wenn sie unentgeltlich sind. Für den PR-Ethikrat ist das Urteil des OGH „demokratiepolitisch bedenklich“. Nach Ansicht der PR-Ethikrat-Vorsitzenden Gabriele Faber-Wiener öffne dieses Urteil Tür und Tor für Koppelungsgeschäfte und damit für das Täuschen der Leser. „Das wollen wir alle nicht“, erklärt Faber-Wien dem Standard. Dies würde den Status der Medien als Korrektiv unterminieren und in Frage stellen: „Mit der gängigen Praxis zu argumentieren ist einseitig und kurzsichtig.“ (as)
Wie stehen Sie zu der Entscheidung des OGH? Teilen Sie uns Ihre Meinung mit einem Kommentar mit!
www.ogh.gv.at
www.prethikrat.at
Kommentar schreiben