Digital(k) – Digitalisierung im Blut?

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Valerie Höllinger, Geschäftsführerin des BFI Wien, einen anderen, unerwarteten Blick auf aktuelle Fragen der Digitalisierung. Heute: Warum man die Digital Natives nicht alle über einen Kamm scheren sollte. 

Soziologische Studien erzählen uns von ihnen – ja sind geradezu voll von ihnen. Sind sie Ihnen schon begegnet? Die „Digital Natives“? Diese Menschen, die zwar im Prinzip so aussehen wie wir, aber völlig anders ticken? Die seit früher Kindheit mit den Segnungen des Digitalzeitalters beglückt wurden? Für die der Umgang mit sozialen Medien eine unverzichtbare Selbstverständlichkeit geworden ist? Die mobil – always on – online shoppen, bloggen und all das mit geradezu spielerischer Leichtigkeit in ihren Alltag integrieren? Ja, es scheint sie zu geben. Wir begegnen ihnen in der U-Bahn, auf öffentlichen Plätzen, natürlich – zumindest in Form ihrer Avatare – in ihrem ureigenen Biotop, den sozialen Medien. Sie begegnen uns auch als Kunden und nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt. Nachdem die Digitalisierung in alle Lebensbereiche und auch die Berufswelt mit enormer Geschwindigkeit vordringt und bereits jetzt omnipräsent erscheint: Sind diese neuen Erdlinge hilfreich bei der wirtschaftlichen Eroberung einer digitalen Welt? Und wenn ja – was brauchen sie, um motiviert und engagiert ihre Potenziale zu entfalten?

Viele kleine Pokémon?

Nun, es ist wohl wie mit allen soziologischen Beobachtungen: Kollektive Zuschreibungen von Eigenschaften sind immer hart am Risiko zum – egal ob positiven oder negativen – Vorurteil. Vorurteil im Sinne von Zuschreibung „statistisch häufiger“ Eigenschaften zu einem Individuum. Da heißt es aufpassen. Haben wir es mit einem „Exemplar“ zu tun, dessen Digitalkompetenz nicht weit über die Pokémonjagd und die Live-Übertragung des eigenen Lebens hinausgeht oder haben wir es mit einem reflektierten Nutzer der neuen Technologien zu tun? Haben wir es mit jemandem zu tun, der über den weitgehend symmetrischen Umgang in sozialen Medien an uns herantritt – also mit der Erwartung von und Bereitschaft zu Hierarchiefreiheit und offener Kommunikation? Oder etwa sogar mit jemandem, der den vielfältigen Zugang zu Information und Diensten in Sinnfragen münden lässt, zu deren Beantwortung nun auch der Beruf beitragen soll? Ja, all die gibt es meiner Erfahrung nach wirklich. Das Spektrum reicht von „digital naives“ bis zu „digital natives“, mündig, verantwortungsvoll und ideenreich. Und, selbst das Pokémonbeispiel ist mit Vorsicht zu genießen: Ein junges Mädchen, um die 20, habe ich im Zuge eines Events etwas spöttisch auf das Phänomen angesprochen. Lachend bestätigte sie, dass sie selbst auch höchst erfolgreiche Jägerin sei. Mein kleiner vermeintlicher Triumph hielt nicht lange an. Denn sie bot mir eine Wette an: Sie wisse über meinen Wohnbezirk nun wesentlich mehr als ich. Geschichtliches wie Soziales. Denn diese Fakten seien dem Spiel unterlegt. Ich entschied mich, die Wette nicht anzunehmen und mich künftig etwas vorsichtiger auf den vielen rutschigen Vorurteilsbahnen zu bewegen. Es gibt sie, die echten digital Natives – und wir können uns freuen, sie in der Arbeitswelt willkommen zu heißen. Natürlich nicht ohne das übliche individuelle Kennenlernen. Sollten auch nur einige von ihnen einige der zugeschriebenen Eigenschaften aufweisen, die ich kurz umrissen habe, werden wir profitieren. Gemeinsam und kooperativ – in unserer gemeinsamen digitalen Zukunft.

Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien

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