Die Wirtschaftskammer Wien (WKW) rief in den vergangenen Wochen ihre Mitglieder zur größten Befragung seit Jahrzehnten auf. Das Ergebnis spricht eine klare Sprache: 72,6 Prozent stimmten für die Errichtung von Wiener Tourismuszonen, wo Geschäfte am Sonntag geöffnet werden dürfen. 80,9 Prozent befürworten eine ganzjährige Schanigartenlösung und 60,1 Prozent sprechen sich für eine Senkung der SVA-Krankenversicherungsbeiträge aus. „Unsere Mitglieder haben ein deutliches Votum für mehr unternehmerische Freiheit und Selbstbestimmung abgegeben. Die Entscheidung der Wiener Unternehmer ist jetzt Auftrag für die verantwortlichen Politiker, notwendige Maßnahmen und Änderungen rasch umzusetzen“, so WKW-Präsident Walter Ruck.
Politik müsse jetzt handeln
Erfreut über das Ergebnis zeigen sich auch Wiens Tourismustreibende. „Die Unternehmer sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und in neue Arbeitsplätze zu investieren“, so Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). „Experten erwarten 800 neue Jobs und Mehreinnahmen von 140 Millionen Euro durch die Sonntagsöffnung.“ Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will ergänzt: „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Es ist jetzt an der Zeit, dass statistische Erhebungen auch in
politischen Maßnahmen münden.“ Wirtschaftskammer Österreich-Präsident Christoph Leitl forderte ebenfalls ein Handeln der Politik: „Was in acht anderen Bundesländern funktioniert, sollte doch auch in Wien möglich sein. Das Votum ist ein demokratiepolitisch wichtiges Signal für unternehmerische Freiheit und muss als solches von der Stadtpolitik akzeptiert und umgesetzt werden.“
„Unbeteiligte Mehrheit stimmt über betroffene Minderheit ab“
Jedoch nicht von allen wurde das Ergebnis wohlwollend aufgenommen. Der sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) etwa spricht von einer „verfehlten Trickbefragung“, da alle Mitglieder der Wirtschaftskammer abstimmen haben können und nicht nur die betroffenen Betriebe. „Während sich der schwarze Wirtschaftsbund mit Jubelaussagen zum Ergebnis der Urbefragung überschlägt, bleibt bei den betroffenen Händlerinnen und Händlern selbst ein schaler Nachgeschmack", so SWV-Präsident Fritz Strobl. „Unabhängig vom tatsächlichen Abstimmungsergebnis darf nicht vergessen werden, dass hier eine unbeteiligte Mehrheit über eine unmittelbar betroffene Minderheit abgestimmt hat und somit der Abstimmung demokratiepolitisch jegliche Legitimation fehlt.“
Wahlbeteiligung bei 16 Prozent
Kritik gab es auch an der Wahlbeteiligung, die bei rund 16 Prozent (14.465 abstimmende Unternehmen) lag. „Nach der groß angelegten Mitgliederbefragung der Wiener Wirtschaftskammer wissen wir nun, dass etwa 10.000 Wiener Unternehmer aus sämtliche Branchen für die Errichtung von Tourismuszonen sind. Ein Rücklauf von 16 Prozent bei einer massiv beworbenen Urabstimmung ist alles andere als berauschend. Das Ergebnis ist weder überraschend noch ändert es etwas an unserer Haltung zu Tourismuszonen in der Wiener Innenstadt“, kommentierte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Wolfgang Katzian, das Ergebnis. Für WKW-Präsident Ruck ist die Beteiligung dennoch positiv. Bei der letzten Urabstimmung im Jahr 1995 zum Thema Pflichtmitgliedschaft sei die Beteiligung bei 15.000 gelegen. Auch im Vergleich zur Beteiligung bei der Wirtschaftskammer-Wahl (27.000) sei das Ergebnis ordentlich. (as)
www.wkw.at