Interview mit Thomas Stefan Wurst
"Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Entlastung und Fairness zu wahren"

| Redaktion 
| 26.02.2025

Mit 1. Jänner 2025 traten in Österreich neue Steuerregelungen in Kraft, die insbesondere Kleinunternehmer:innen betreffen: Die Anhebung der Umsatzgrenzen für die Umsatzsteuerbefreiung und die Einkommensteuer-Pauschalierung soll den Verwaltungsaufwand reduzieren und Betrieben mehr Flexibilität ermöglichen. Im LEADERSNET-Interview erklärt Thomas Stefan Wurst, Berufsgruppensprecher der Berufsgruppe Buchhaltung der UBIT Wien, was das für die Unternehmer:innen konkret bedeutet. 

LEADERSNET: Welche wesentlichen Änderungen kommen 2025 auf Kleinunternehmer:innen zu?

Thomas Stefan Wurst: Die wichtigsten Neuerungen betreffen die Umsatzgrenzen für die Kleinunternehmerregelung bei der Umsatzsteuer sowie für die Pauschalierung bei der Einkommensteuer. Ab 2025 wird die Umsatzgrenze für die Umsatzsteuerbefreiung auf 55.000 Euro brutto angehoben. Dadurch können mehr Unternehmen von der Befreiung profitieren und sich den Verwaltungsaufwand für Umsatzsteuervoranmeldungen ersparen. Auch bei der Einkommensteuer-Pauschalierung steigt die Umsatzgrenze auf 55.000 Euro brutto, wodurch mehr Betriebe eine vereinfachte Gewinnermittlung nutzen können.

Eine wesentliche Neuerung ist die Toleranzregelung: Wer die Umsatzgrenze um bis zu zehn Prozent überschreitet, bleibt im laufenden Jahr weiterhin steuerlich begünstigt, muss sich jedoch auf eine Umstellung im Folgejahr einstellen. Diese neuen Regelungen setzen ein klares Signal an Österreichs Kleinunternehmer:innen, denn sie bedeuten Bürokratieabbau, eine einfachere Abwicklung und mehr Handlungsspielraum.

LEADERSNET: Was bedeutet das konkret für Unternehmer:innen in der Praxis?

Wurst: Einerseits stellt die Anhebung der Umsatzgrenzen für viele Betriebe eine Erleichterung dar, da sie sich von komplexen Abrechnungen befreien können. Andererseits sollte jede:r Unternehmer:in genau prüfen, ob die Anwendung der Kleinunternehmerregelung oder der Pauschalierung tatsächlich steuerliche Vorteile bringt. Wer beispielsweise hohe Betriebsausgaben hat, könnte mit der normalen Gewinnermittlung besser fahren, da die Kleinunternehmerregelung keinen Vorsteuerabzug erlaubt. Zudem ist eine regelmäßige Umsatzkontrolle essenziell, um sicherzustellen, dass die 55.000-Euro-Grenze nicht unbeabsichtigt überschritten wird.

Diese Änderungen zeigen, dass steuerliche Beratung immer wichtiger wird – sei es zur Optimierung der Steuerstrategie, zur Erstellung von Prognosen oder zur Wahl der passenden Gewinnermittlungsform. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist es entscheidend, steuerliche Gestaltungsspielräume optimal zu nutzen, um unnötige Belastungen zu vermeiden.

LEADERSNET: Welche Vor- und Nachteile bringen die neuen Regelungen mit sich?

Wurst: Die Anhebung der Umsatzgrenzen für die Umsatzsteuerbefreiung und die Einkommensteuer-Pauschalierung ist ein dringend notwendiger Schritt, um Kleinunternehmer:innen wirtschaftlich zu stärken und ihre Resilienz zu erhöhen. Angesichts steigender Betriebskosten und wirtschaftlicher Unsicherheiten ist die Entlastung durch weniger Verwaltungsaufwand eine dringend benötigte Maßnahme. Gleichzeitig ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Entlastung und Fairness zu wahren, da sowohl die Umsatzsteuer- als auch die Pauschalierungsregelung laufend an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen.

Der größte Vorteil ist zweifellos der geringere Verwaltungsaufwand. Kleinunternehmer:innen müssen sich weniger mit Umsatzsteuervoranmeldungen oder detaillierten Betriebsausgabenabrechnungen beschäftigen, was Zeit und oft auch Kosten spart. Ein möglicher Nachteil besteht darin, dass Unternehmen, die sich für die Kleinunternehmerregelung entscheiden, keinen Vorsteuerabzug geltend machen können. Wer hohe Investitionen plant, sollte daher sorgfältig prüfen, ob es langfristig vorteilhafter ist, auf die Regelbesteuerung zu setzen.

LEADERSNET: Wie sieht die Lage im internationalen Vergleich aus? Sind diese Reformen ausreichend?

Wurst: Österreich bewegt sich mit diesen Anpassungen in die richtige Richtung. In vielen EU-Ländern sind die Umsatzgrenzen für Steuererleichterungen höher als bisher in Österreich, weshalb eine Anpassung längst überfällig war. Das Thema Bürokratieabbau ist auch auf europäischer Ebene von hoher Relevanz. Laut dem Bürokratiekostenindex von Economica liegt Österreich in diesem Bereich im Mittelfeld. Diese Anpassungen sind daher ein Schritt in die richtige Richtung, doch langfristig wird es weitere Entlastungskonzepte für KMU brauchen.

Für die Gesamtwirtschaft wirken sich Maßnahmen wie diese positiv auf Investitionen, Beschäftigung, Wertschöpfung und Planungssicherheit aus. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich auch die nächste Regierung mit weiteren Maßnahmen zur Stärkung von Kleinunternehmen befassen wird.

www.wko.at/wien

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