Wie kann man bürokratische Hürden abbauen, ohne die bewährten Sicherheits- und Qualitätsstandards zu gefährden? Welche Spielräume gibt es bereits und wie können sie besser genutzt werden? Neben diesen Fragen beleuchtete die Veranstaltung auch die Herausforderungen und Chancen eines Ansatzes, der in Deutschland als "Gebäudetyp-e" gerade erste Erfahrungen sammelt und von Österreich aus genau beobachtet wird. Lesen Sie hier die Zusammenfassung der spannendsten Wortmeldungen.
Karl Grün, Stv. Dir. Austrian Standards, betonte in seiner Begrüßung, dass Normen keinen Selbstzweck erfüllen, sondern für Verlässlichkeit, Sicherheit und Fairness sorgen. In einer Welt von alternativen Fakten bündeln Standards erprobtes Fachwissen und können zur Stabilität in der Gesellschaft beitragen. Die Baubranche als tragende Säule der österreichischen Wirtschaft stehe vor bedeutenden Herausforderungen. Umso wichtiger sei der kritische und konstruktive Diskurs: denn die Standardisierung lebt von der Meinungsvielfalt. Grün lud dazu ein, sich aktiv an der Standardisierung zu beteiligen, und hob hervor, dass die Türen von Austrian Standards für alle offenstehen.
Gebäudetyp-e: Reduktion aufs Wesentliche
Anschließend stellte Fabian Blomeyer, Geschäftsführer Recht und Verwaltung/Bayerische Architektenkammer, den alternativen Gebäudetyp-e vor. Der Gebäudetyp-e ist jedoch keine offizielle Gebäudeklasse, sondern steht für eine Initiative aus Deutschland, die das Bauen auf seine Kern- und Schutzziele reduzieren will. Wie und auf welchem Weg diese Ziele erreicht werden, soll laut dieser Initiative individuell vereinbar sein. Blomeyer berichtete vom großen Anklang dieser Initiative, aber auch von Schwierigkeiten bei der Umsetzung. In einem künftigen Gesetz führte er zwei wesentliche Inhalte an: eine Positivliste einzuhaltender (Schutz-)Normen sowie die Befreiung von Aufklärungspflichten. In Miet- und Kaufverträgen würde eine Formulierung des Gebäudetyps-e für ausreichend Transparenz sorgen.
Definition und Konkretisierung nötig
Im Panelgespräch gab Peter Maydl, Zivilingenieur für Bauwesen/Kammer der Ziviltechniker:innen, zu bedenken, dass in Österreich die OIB-Richtlinie bereits die Möglichkeit zur Abweichung bietet. Sie würde in der Praxis aber nicht in Anspruch genommen, weil das Haftungsrisiko zu groß sei. Die Konkretisierung von Schutzniveau und Komfortstandards sei nötig und in Arbeit.
Anton Rieder, Bundesinnungsmeister-Stellvertreter Bau/Wirtschaftskammer Österreich, stellte eine gewisse Überregulierung fest. Um Baukosten und Ressourcenverbrauch zu senken, brauche es eine Trendwende. Dabei ginge es aber nicht darum, die Normung abzuschaffen, sondern die Regelwerke aufs Wesentliche zu reduzieren.
Mut zur Abweichung
Für Andreas Pöschko, Jurist und Teamleiter/Mietervereinigung, sei Gebäudetypus-e ein interessanter Ansatz, wenn er tatsächlich Kostenersparnis bringt. Für die Nutzer:innen dürfe es aber in Sachen Sicherheit keine Abstufung geben. Die Unterscheidung, ob gewisse Ausführungen unter Kategorie "Komfort" oder "Sicherheit" einzustufen sind, wird ohne Normen oft von der Gerichtsbarkeit zu klären sein. Pöschko hoffe, dass die Kostenersparnis beim Bau von alternativen Gebäudetypen auch die Mieter:innen spüren werden.
Robert Jansche, Vorstand/Österreichisches Institut für Bautechnik, betonte, dass die Schutzziele bereits definiert sind und in den neun Baugesetzen des Landes sowie in den OIB-Richtlinien enthalten seien. Die Möglichkeit zur Abweichung sei beim Großteil der angeführten Normen gegeben. Für Jansche müsse man daher vielmehr bei der Ausbildung ansetzen und die Möglichkeiten zur Abweichung aufzeigen. Es brauche vor allem mehr Mut zum bewussten, klugen Abweichen von Normen.
Einfache Regeln als gemeinsame Grundlage
Stefan Wagmeister, Komitee-Manager bei Austrian Standards International – Team-Lead "Standards für das Bauwesen"/ Deputy Head of Standards Development, betonte zum Schluss, dass Normen ein unterstützendes Regelwerk seien, um die gesetzlichen Anforderungen methodisch nachweisen zu können. Wenn es um Leistbarkeit gehe, müssen wir in Österreich über Komfort nachdenken sowie Schutzniveau und Mindestanforderungen diskutieren. Normen können diese Qualitäten beschreiben. Wagmeister zeigte sich überzeugt, dass auch das einfache und alternative Bauen Standards brauchen werden – einfache Regelungen, die der Gesamtheit zur Verfügung gestellt werden und eine gemeinsame Grundlage schaffen.
www.austrian-standards.at
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