Zahlreiche Vertreter:innen aus dem Lebensmittelsektor, Behörden, Begutachtung, Ministerien sowie Justiz fanden sich am Mittwoch, dem 23. Oktober, im Wiener Ares Tower zusammen, um im Zuge der Tagung "Lebensmittel.Recht.Up2Date" über vergangene und kommende Entwicklungen im Lebensmittelrecht zu debattieren. Die Veranstaltung, ins Leben gerufen von Quality Austria und Saicon, wurde vom Sachverständigen Andreas Schmölzer geleitet und bot eine Reihe an spannenden Vorträgen zu diesem Thema.
Kennzeichnungsthemen dominieren die Rechtssprechung
Eröffnet wurde das Programm von Rechtsanwalt Markus Grube (GPKH Rechtsanwälte), der einen Überblick zur von Kennzeichnungsthemen dominierten Rechtssprechung gab. In letzter Zeit wird hier vor allem über irreführende Abbildungen diskutiert, wobei eine OGH-Entscheidung prägend war: Dabei hatte eine Bio-Limo mit Fruchtabbildungen auf dem Etikett geworben, obwohl sie teils nur natürliche Aromen enthielt - dies entschied der Oberste Gerichtshof als irreführend.
Ebenso fiel im Frühjahr ein Urteil zur Füllmengenreduktion. In diesem Fall wurde die enthaltene Menge vermindert, wobei das Verpackungsdesign gleich geblieben ist. Das Gericht entschied hier für eine zusätzliche, blickfangartige Information der Füllmengenreduktionen, die drei Monate lang auf der Verpackung angegeben werden soll.
"Hot Chips" schädigen Kinder
Einblicke in die Herausforderungen amtlicher Überwachung erhielt das Publikum in weiterer Folge von Ulrich Busch vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Probleme hätte es im vergangenen Jahr etwa mit extrem scharfen Snacks gegeben, die von Kindern und Jugendlichen als Mutprobe gegessen werden, und zwar im Rahmen der auf Social Media trendigen "Hot Chip Challenge". Busch betonte, dass hier Warnhinweise nicht ausreichen würden, weil die Produkte per se gesundheitsschädlich seien. Dementsprechend gab es hier mehrere Fälle, bei denen Kinder aufgrund einer Schädigung mit Scharfstoffen im Krankenhaus endeten.
Einen Todesfall hatte man zudem in der Gastronomie zu beklagen, wo ein:e Konsument:in wegen Bacillus cereus in Teigwaren verstorben war. Zudem führte der Vortragende an, dass tabakfreie Nikotin-Pouches ein Problem darstellen würden, da diese in Deutschland nicht ins Tabakgesetz fallen, aber als ungeeignete Lebensmittel beanstandet werden. In Österreich gelten Pouches allerdings generell nicht als Lebensmittel.
Wie sich der Green Deal auf den Lebensmittelsektor auswirkt
Andreas Schmölzer von Saicon consulting, der die Veranstaltung leitete, gab in weitere Folge einen Überblick über klimarelevante Rechtsanforderungen für Lebensmittel. Der Green Deal der EU würde nämlich das große Ganze außer Acht lassen. Der Finanzsektor prägt das Thema durch strikte Regelungen zu Taxonomie, Offenlegung und Nachhaltigkeitsberichterstattung, was wenig Spielraum für Interpretationen lässt. Im Marketing bringt die Empowering Consumers Directive strengere Regeln für klimabezogene Werbung, verschärft durch die kommende Green Claims-Richtlinie. Für zukünftige Produktvorschriften dient die Ökodesign-Verordnung als Rahmen, die bereits bestimmte Vernichtungsverbote enthält. Zudem steht die Veröffentlichung der Verpackungsverordnung bevor, die weitreichende Änderungen in der Verpackungspraxis bringen dürfte. Die Entwaldungsverordnung, die einige Lebensmittel betrifft, fordert entwaldungsfreie Herkunft und wird voraussichtlich erst 2026 verpflichtend.
Anschließend gewährte Andreas Lidauer von der Hofer KG Einblicke in die praktische Umsetzung der Klimagesetze und hob hervor, wie wichtig eine passende Softwarelösung dafür ist. Die Vielzahl an Kennzahlen und Daten stellt eine Herausforderung dar, was auch Hanna Schreiber vom Umweltbundesamt betonte. Sie erklärte, dass die umfassende Umweltbewertung sämtliche Lebensphasen abdeckt und in drei Hauptbereiche unterteilt wird.
Blick in die Zukunft
Zum Thema Verbrauchererwartungen und Maßstäben im Konsumentenschutz referierte Theresa Bauer vom VKI, die anhand verschiedener Beispiele illustrierte, was die Verbraucher:innen beschäftigt. Dies anhand von Anfragen und Zuschriften, die hauptsächlich den Preis und das Gewicht, gefolgt von der Produkt-Aufmachung und den Zutaten betrafen.
Ein immer relevanter werdendes Thema in der Ernährung ist zudem Veganismus. Hierzu zeigte Sonja Lackner von der Meduni Graz im Zuge ihres Vortrags zur ernährungswissenschaftlichen Leistungsfähigkeit von Ersatzprodukten auf, dass diese ernährungsphysiologisch meist ungenügend seien und daher auch keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten.
Natürlich beschäftigte sich auch ein Programmpunkt mit Künstlicher Intelligenz, wobei Thomas Delissen von der FH St. Pölten veranschaulichte, dass deren Ergebnisse nicht immer ausreichend faktengesichert sind. Moderne KI-Systeme ermöglichen allerdings mittlerweile eine präzise Überwachung von Fertigungsprozessen, etwa bei der Kontrolle des Drucks von Etiketten. Herausfordernd bleibt jedoch die inhaltliche Prüfung der Etiketten, also die Bewertung, ob deren Gestaltung gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Kennzeichnung von Tierwohl
Abschließend rückte die Tagung die Tierwohlkennzeichnung in den Fokus. Dafür zeigte Rechtsanwalt Grube die Situation in unserem Nachbarland Deutschland auf, wo bereits ein Rechtsrahmen für verpflichtende Kennzeichnung geschaffen wurde und derartige Systeme auch bereits freiwillig umgesetzt werden. Trotzdem wird die Frage des Tierwohls aber am häufigsten von jenen angegeben, die sich von Fleisch in der Ernährung abwenden, wie Andreas Herrmann von der AMA in seinem Vortrag zum diesbezüglichen Status des Gütesiegel-Programms der AMA erwähnte. In Österreich würden bereits seit langem Vorbereitungen für eine entsprechende Kennzeichnung laufen, allerdings gibt es immer noch keinen abschließenden Plan. Simon Lindenthaler vom Handelsunternehmen Lidl betonte, dass die Kennzeichnung der Haltungsform allerdings nur einen Teilaspekt von Tierwohl umfasse.
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