Podiumsdiskussion
Psychische Erkrankungen belasten Betroffene und die Volkswirtschaft

Die Volksbank Wien AG lud gemeinsam mit ganznormal.at und der Sparda-Bank zur Podiumsdiskussion in den Flughafentower Schwechat, wo Expert:innen über Herausforderungen psychischer Erkrankungen für Betroffene, aber auch für die Volkswirtschaft diskutierten und mögliche Lösungsansätze lieferten.

Psychische Erkrankungen bringen ganz eigene Herausforderungen für Betroffene, aber in weiterer Folge auch für die Volkswirtschaft mit sich. Zu diesem Thema diskutierte ein hochkarätig besetztes Podium im Rahmen eines Business-Frühstücks im Flughafentower in Schwechat am 4. Oktober, zu dem die Volksbank Wien AG gemeinsam mit dem Verein ganznormal.at und der Sparda-Bank lud.

Pressesprecher Peter Kleemann begrüßte in Vertretung von Flughafen-Vorstand Julian Jäger die geladenen Gäste aus der Wirtschaft, und Markus Pohanka (Austro Control und ehemaliger ORF-Moderator) moderierte die Diskussion, an der Alexander Biach (ganznormal.at und Generaldirektor der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), Johanna Klösch (Arbeits- und Organisationspsychologin bei der AK Wien), Eva Pinkelnig (Skispringerin, Sportlerin des Jahres und ausgebildete Erzieherin) sowie Christian Horak (Partner EY Parthenon) teilnahmen.

Jeder Zehnte Krankenstandstag mit Diagnose "Psychische Erkrankung"

Mentale Gesundheit ist in Österreich ein großes Thema – immerhin wurden hierzulande vergangenes Jahr 5,8 Millionen Krankenstandstage mit der Diagnose "Psychische Erkrankung" begründet, was insgesamt 10,23 Prozent aller in Anspruch genommenen Krankenstandstage ausmacht. Im Durchschnitt dauert solch ein Krankenstand übrigens 37,2 Tage. 

Leider herrschen trotz der Allgegenwärtigkeit des Themas immer noch große Stigmatisierungen. Hier setzt der Verein ganznormal.at an, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Alexander Biach (Generaldirektor der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen) ist aktiv für den Verein tätig und meint: "Die Betreuung psychischer Krankheiten muss selbstverständlich werden. Der Weg zur Behandlung soll aus allen Organisationen heraus erleichtert werden."

Anderer Umgang als vor 30 Jahren

Grund zur Besorgnis gibt es vor allem, da der prozentuelle Anteil psychischer Erkrankungen in den letzten 30 Jahren massiv gestiegen ist. So lag er 1994 noch bei 2,6 Prozent. Laut Johanna Klösch, Arbeits- und Organisationspsychologin bei der AK Wien, liege der Anstieg an psychischen Krankheiten natürlich auch daran, dass wir heute anders damit umgehen: "Beispielsweise war Burnout in den 1990ern noch kein Thema. Das heißt aber nicht, dass es diese Erkrankungen damals nicht gab. Zum Glück steigt die Erkenntnis, wie sehr sich ungesunde Arbeitsbedingungen körperlich und psychisch auswirken. In vielen Fällen ist der Arbeitsplatz der Patient, wodurch sich die Bedeutung der Prävention zeigt."

Selbstwertschätzung, Bewegung und persönlicher Kontakt essenziell

Eva Pinkelnig (Skispringerin, Sportlerin des Jahres und ausgebildete Erzieherin) statuiert, dass der erste Schritt das Bewusstmachen ist. Gerade Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, könnten aufgrund ihrer Vorbildfunktion viel dazu beitragen: "Wenn junge Menschen sehen, dass ihre Idole offen mit psychischen Belastungen umgehen, trauen sie sich das auch. Es hilft auch zu sehen, dass selbst Profisportler:innen und Stars, die vermeintlich ein sorgenfreies Leben führen, nicht vor psychischen Erkrankungen gefeit sind. Jedes Auto braucht manchmal ein Service, genauso braucht jeder Mensch zeitweise mentale Hilfe. Viele Menschen erwarten von sich selbst einen Perfektionismus, den es so gar nicht geben kann." Ihr zufolge seien Selbstwertschätzung, Bewegung und der persönliche Kontakt mit anderen Menschen hierbei wertvoller als soziale Medien.

Die Folgen der Pandemie

Die Pandemie hat den Anteil der Krankenstandstagen, die auf "Psychische Erkrankungen" entfielen, deutlich verstärkt – besonders bei jungen Menschen, die vermehrt mit Depressionen zu kämpfen hatten. Laut der OECD-Studie "Health at a Glance – Europe 2022" waren damals rund 41,3 Prozent der Jungen betroffen, während es in der Gesamtbevölkerung mit 23,7 Prozent deutlich weniger waren. Dennoch zieht sich das Thema durch alle Altersgruppen, was sich etwa an den Zahlen der Frühpensionierung zeigt, die vergangenes Jahr zu insgesamt 32 Prozent auf die Diagnose "Psychische Erkrankung und Verhaltensstörungen" zurückzuführen waren. Besonders betroffen waren hier Frauen, bei denen 43 Prozent der Frühpensionierungen deswegen notwendig waren.

"Diese Zahlen sind besorgniserregend, besonders auch die psychischen Probleme vieler junger Menschen, die erst ins Arbeitsleben eintreten. Da kommt erst eine Welle auf uns zu. Die Pandemie hat uns vor große Herausforderungen gestellt und gleichzeitig unseren Arbeitsalltag verändert. Remote-Work oder Homeoffice sind heute ganz normal", sagte Christian Horak, Partner EY Parthenon. Er empfiehlt Unternehmen, das Thema so früh wie möglich anzugehen, um einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. 

Hier hakt Johanna Klösch ein und meint, dass gerade das Homeoffice auch Gefahren psychischer Belastung berge: "Arbeits- und Freizeit können leichter verschwimmen, der unmittelbare Kontakt zu den Arbeitskolleg:innen fehlt und auch die Feedbackkultur ist noch nicht ganz im Remote-Modus angekommen." Beim Thema New Work stehe man noch ganz am Anfang und müsse gemeinsam lernen, mit Chancen und Risiken umzugehen und die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Selbstständigen mehr Beachtung schenken

Alexander Biach warf ein, dass man bei all den Diskussionen oft die Selbstständigen vergesse: "Für selbständige Unternehmer:innen ist das Arbeiten alleine oft ganz normal. Wir erreichen sie nicht über interne Mentoring-Programme oder Kampagnen. In Gesunden- und Vorsorgeuntersuchungen müssen deshalb auch psychische Erkrankungen endlich den nötigen Stellenwert bekommen, um präventiv handeln zu können.

Volkswirtschaft leidet mit

Natürlich stehen die Betroffenen an erster Stelle, dennoch ist nicht zu vernachlässigen, dass auch die Volkswirtschaft unter psychischen Erkrankungen leidet, wie die OECD bereits im Jahr 2018 in ihrer Studie "Health at a Glance" dokumentierte. Laut der Studie betrugen die Gesamtkosten psychischer Erkrankungen in den 28 EU-Mitgliedstaaten insgesamt 607 Milliarden Euro, was 4,10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht. Für Österreich wurden dabei Kosten von 14,93 Milliarden Euro ermittelt, was 4,33 Prozent des BIP im Jahr 2015 entspricht. Diese setzen sich aus direkten Kosten für das Gesundheits- und Sozialsystem sowie indirekten Kosten für den Arbeitsmarkt zusammen.

Um die Auswirkungen auf Betroffene und die Wirtschaft zu minimieren, betonten die Expert:innen auf dem Podium die Notwendigkeit, das Bewusstsein für psychische Gesundheit zu stärken. Unternehmen sollten offen über das Thema sprechen und gemeinsam mit den Mitarbeitenden auf präventive Maßnahmen setzen. Angebote wie Supervision und Coaching seien wichtige Schritte, um gezielt das Stressmanagement und die Work-Life-Balance zu fördern. Interne Programme allein reichen jedoch nicht aus – es braucht auch eine gesetzliche Gleichstellung psychischer Belastungen mit physischen Erkrankungen. Im Fokus der Diskussion stand vor allem ein offener Umgang und die Entstigmatisierung. Nur durch eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema "Psychische Erkrankungen" können wir erste Anzeichen bewusst wahrnehmen und schneller sowie effektiver im Sinne der Betroffenen handeln.

Fotos von der Podiumsdiskussion finden Sie in unserer Galerie.

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