Interview mit Peter Schentler
"Der große Durchbruch von KI im Finanzbereich steht noch aus"

Peter Schentler, Leiter CFO-Advisory bei Horváth in Wien, spricht im LEADERSNET-Interview u.a. über die derzeit größten Herausforderungen für Finanzvorstände, wie diese ihre Unternehmen (kurzfristig) voranbringen können, über die Rolle von generativer KI in der Branche sowie aktuelle Entwicklungen in der Finanzberichterstattung. Zudem gibt er eine Prognose für 2025 ab.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Schentler, Sie sind ganz nah dran an den Finanzvorständen. Mit welchen Herausforderungen sind CFOs aktuell konfrontiert?

Peter Schentler: Der Mix aus schlechter Konjunktur und steigenden Kosten – hier allen voran 20 bis 30 Prozent kumulierte Personalkostensteigerung in den letzten Jahren –, ist eine große Herausforderung. Dem gegenüber stehen neue Aufgaben im CFO-Bereich aufgrund aktueller Entwicklungen wie Protektionismus und Energiekosten, sich verstärkende langjährige Trends wie Digitalisierung und der Kampf um die besten Talente sowie neue Themen wie Künstliche Intelligenz, neue Rechnungslegungsstandards wie IFRS18 und der Dauerbrenner Nachhaltigkeit. Nachdem höhere Preise auf internationalen Märkten nur schwer durchzusetzen sind, legen Unternehmen verstärkt den Fokus auf Kostenoptimierung – im CFO-Bereich und darüber hinaus.

LEADERSNET: Performance-Optimierung ist das Gebot der Stunde. Welche Maßnahmen können Finanzverantwortliche kurzfristig treffen, um ihr Unternehmen voranzubringen?

Schentler: Marktseitig, also mit Fokus auf den Umsatz, gilt es zum Beispiel neue Kunden zu gewinnen, neue Märkte zu erschließen, die Preisdurchsetzung zu optimieren, oder neue Pricing-Modelle anzuwenden. Dem gegenüber ist natürlich auch kostenseitig dort zu sparen, wo die Leistungserbringung in Produktion und Verwaltung nicht leidet. Zum Beispiel erleben aktuell Shared Service Center, Zentralisierung und Outsourcing eine Renaissance – hier geht es immer um eine Bündelung von Aktivitäten an neuen Standorten (Greenfield), bestehenden Standorten (Brownfield) oder (teil-)virtuell. Damit wird die Effizienz und Qualität gesteigert. Daneben steht auch End-to-end-Prozessoptimierung im Fokus. Eine Optimierung frühzeitig im Prozess reduziert bekanntlich den Aufwand später deutlich und oft überproportional. Das wird seit mindestens 20 Jahren diskutiert, ist aber nur in wenigen Unternehmen erfolgreich umgesetzt.

LEADERSNET: Künstliche Intelligenz ist aktuell in aller Munde – inwieweit beeinflusst die KI den Finanzbereich?

Schentler: Sie haben recht, Generative KI ist aktuell in der Tat in aller Munde. Folgt man einigen Berichten, hat man das Gefühl, dass jede Art von Gedankenleistung der Menschen bald ausgedient hat. Und auch wenn man hier ein wenig skeptisch sein darf – ähnliche Hype-Berichterstattung gab es bei der Digitalisierung, Robotics und der Blockchain –, wird Künstliche Intelligenz zweifellos für viele Vorteile sorgen. Für Unternehmen stellt sich aber aktuell noch die Frage, wie sie sinnvoll im Finanzbereich angewendet werden soll. Hier gibt es bereits Anwendungsfälle zum Beispiel im Forecasting, intelligenter Berichtskommentierung oder der Rechnungserkennung, der große Durchbruch steht aber noch aus.

LEADERSNET: Wie wichtig ist Working Capital Management im aktuellen Zinsumfeld für Unternehmen?

Schentler: Nach mehr als zehn Jahren ist die Zeit der Nullzinsen für die nächsten Jahre vorbei. Aus diesem Grund ist ein Revival des Working Capital Managements sichtbar, also die Optimierung von Verbindlichkeiten, Vorräten und Forderungen. Das betrifft nicht nur längere Zahlungsziele und eine "simple" Bestandsreduktion, sondern insbesondere auch strategische Überlegungen mit größeren Auswirkungen: Ersatzteilhaltung und -konzepte, Bereinigung des Produktportfolios, Hinterfragen des Service-Levels gegenüber Kunden, Produktionslosgrößen, Product Lifecycle Management und vieles mehr.

LEADERSNET: Welche neuen Entwicklungen gibt es in Sachen Finanzberichterstattung?

Schentler: Eine ganz wesentliche Neuerung steht bevor: Der im April 2024 veröffentlichte IFRS 18 wird IAS 1 ablösen. Einige sprechen von der bedeutendsten Änderung im Rahmen der Offenlegung von Finanzberichten, seit die IFRS vor mehr als 20 Jahren eingeführt wurde. Eine geänderte GuV-Struktur mit neuen Definitionen und Bezeichnungen, neue Vorgaben zu berichteten Kennzahlen, und neue Guidelines zur Gruppierung von Informationen. Das führt zur Anpassung von Berichtsstrukturen und -inhalten, was Änderungen bei Kennzahlen, Accounting-Guidelines sowie Prozessen zur Folge hat und auch ERP-, Planungs-, Reporting- und Konsolidierungssysteme betrifft.

Auch die ESG-Berichterstattung steht aktuell vor größeren Veränderungen. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) tritt EU-weit mit dem Geschäftsjahr 2024 für große Unternehmen von öffentlichem Interesse in Kraft. Ab 2025 folgen weitere große, nicht börsennotierte Unternehmen. Im Rahmen der CSRD sind die Unternehmen angehalten, umfassende und detaillierte Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) auf Basis von zwölf European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu machen.

LEADERSNET: Der konjunkturelle Ausblick ist nicht gerade rosig. Wie sieht ihre Prognose für 2025 aus? Mit welchen Herausforderungen werden die Finanzverantwortlichen konfrontiert sein?

Schentler: Die Nationalbank hat in ihrer letzten Prognose von einer Rezession gesprochen. Inwieweit diese genau eintrifft, ist schwer zu sagen. Aber selbst im besten Fall wird das Wachstum nicht hoch sein. Das zeigt auch unsere aktuelle CxO Priorities Studie, laut welcher der größte Teil des Personalwachstums außerhalb Mitteleuropas erfolgt, während – auch in Österreich – die Anzahl der Beschäftigten reduziert wird. Darüber hinaus wird es sicher weitere geopolitische Herausforderungen geben: Stichwort US-Wahl, Handelskrieg mit China und der Nahostkonflikt.

www.horvath-partners.at

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