Während die Industrie hierzulande bereits seit Monaten über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit klagt und deshalb sogar für die Umsetzung eines sogenannten "SOS-Wohlstand"-Programms plädiert, läuft es für die großen österreichischen Industrieunternehmen außerhalb Mitteleuropas offenbar besser. Dort verzeichnen sie der jährlichen Horváth-Studie "CxO Priorities" (siehe Infobox) zufolge nämlich ein Wachstum.
Doch zunächst zur Ausgangssituation. Laut der Analyse steht die strukturelle Optimierung der Kosten und Profitabilität für große Industrieunternehmen in diesem Jahr ganz oben auf der Managementagenda. Für zwei Drittel der Vorstände hätten die beiden Themen größte Bedeutung. 66 Prozent der im Zuge der diesjährigen "CxO Priorities" Studie befragten Manager:innen, bezeichnen die Verbesserung von Kosten- und Erlösstrukturen als "sehr wichtig". 2023 lag dieses Thema der Managementberatung zufolge noch an dritter Stelle. Im Zuge dessen setze sich die Deglobalisierung der Unternehmen fort: aus Exportweltmeistern werden transnationale Organisationen. Investiert werde vor allem in die Wertschöpfungshubs Nordamerika, Asien (insbesondere China, Indien) und auch in Osteuropa. In Österreich und Deutschland würden Unternehmen unterm Strich einen Abbau der Arbeitsplätze in den kommenden fünf Jahren planen. Im Westen Europas sehe es in puncto Wachstum wenig besser aus. Trotz hoher Kostenpriorität seien die Unternehmen optimistisch und rechnen mit steigenden Umsätzen in 2025 - davon rund zwei Drittel durch gestiegene Absatzmengen. Es werde also wieder mehr produziert.
Wachstum findet im Ausland statt
Mit Ausnahme des Automotive-Sektors gehen die CxOs in allen Industriezweigen für das Gesamtjahr 2024 von konstanten oder leicht steigenden Umsätzen aus, so die Studienautor:innen. Mit Blick auf 2025 sind die Aussichten positiv - keine Branche gehe dann mehr von einem Rückgang aus, alle rechnen mit relevanten Umsatzsteigerungen. "Die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Der Fokus auf Kostenmanagement - und auch Liquiditätsmanagement ist vor allem angesichts der steigenden Personalkosten, Energiekosten sowie gestiegenen Zinsen in der Priorität gestiegen. Aktuell sehen wir aber, dass Vorstände und Geschäftsführer:innen zunehmend wieder zu Wachstum umschwenken. Die Unternehmen bedienen die Märkte zunehmend direkt aus den Regionen mit eigenen Standorten heraus und denken damit stärker regional als global", sagt Christoph Kopp, Associate Partner und Industrieexperte bei Horváth.
"Für den Standort Österreich muss man aber sagen: Aufschwung sieht anders aus. Denn das Wachstum findet im Ausland statt, die Wertschöpfung wird dezentraler - sowohl aus Kostengründen, Nähe zum Kunden als auch aufgrund der Regulatorik und potenzieller Handelshemmnisse. Das ist Erfolgsfaktor, aber auch Herausforderung: Die Unternehmen müssen ihre Organisationsstrukturen dahingehend anpassen, dass die Regionen autonomer vom Headquarter agieren können", so der Horváth-Experte.
Frust über Rahmenbedingungen in Österreich ist groß
Über die eingangs erwähnten, sich verschlechternden Standortbedingungen in Österreich bestehe Kopp zufolge großer Unmut und Unverständnis bei den Top-Entscheider:innen, selbiges gelte für den großen Nachbarn Deutschland, Österreichs wichtigsten Handelspartner und Wirtschaftsraum. Der Industrie-Experte hat laut eigenen Angaben persönlich im Rahmen der Studie intensive Gespräche mit zahlreichen Vorständen und Geschäftsführungsmitgliedern international agierender Industriekonzerne geführt, insgesamt wurden weltweit CxOs aus 440 großen produzierenden Unternehmen gefragt. In Österreich allein waren es 82 CxOs aus 14 verschiedenen Industrien. Kopp sagt: "Industriekonzerne mit Hauptstandort in Österreich und Deutschland investieren zwar noch immer die Hälfte ihrer Kapitalaufwendungen für Ersatz und neue Produktionen in der Heimat. Doch das bedeutet auch: die Hälfte der Investitionen fließen ins Ausland, und zwar die Wachstumsinvestitionen."
Nur die Hälfte der Investitionen verbleiben in der Heimat
Ein starker Fokus der österreichischen, aber auch der deutschen Produzent:innen liegt der Befragung zufolge in den USA. "Nicht nur die Kostenstrukturen und Marktchancen sind hier attraktiv - das ökonomische Mindset ist ein ganz anderes. Die Industrie hat volle politische Rückendeckung und Unterstützung, Wachstum und Unternehmensansiedlungen werden gezielt gefördert", so der Horváth-Experte. Doch die Unternehmen stellen sich resilient auf und setzen nicht alle Karten auf den US-Markt, sondern orientieren sich beispielsweise auch weiterhin verstärkt nach Asien, insbesondere China und Indien. Kopp dazu: "Die Unternehmen betreiben globales Derisking, aber das heißt nicht, dass sie aus China rausgehen - im Gegenteil."
Organisatorischer Umbruch steht bevor
Während die Wertschöpfungskette bereits umstrukturiert und dezentralisiert sei, sind es die Organisationsstrukturen der Horváth-Studie zufolge häufig noch nicht - oder nicht konsequent genug. "Kosten reduzieren reicht nicht, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die Unternehmen müssen Strukturen entwickeln, die den Regionen ein autonomeres Agieren ermöglicht. 'Decentral Empowerment' ist hier das Stichwort", so der Horváth-Experte In international verzweigten Produktions- und Vertriebsstrukturen gelte es, die Zusammenarbeit dezentraler, agiler und kollaborativer zu gestalten, weniger hierarchisch und vom Headquarter gesteuert. Die Daten- und IT-Infrastruktur dafür sei vorhanden - jetzt gelte es, den Kulturwandel in passenden Strukturen abzubilden.
Als positiv erachtet wird, dass die Neuordnung von Organisationsstrukturen von drei Viertel der produzierenden Unternehmen als relevantes Managementthema betrachtet werde - die Priorität ist im Vergleich zu 2023 um zwei Plätze im Ranking gestiegen.
Nachhaltigkeit für Österreichs Industrie-Kapitäne weiterhin Top-Thema
Ferner zeigt die Horváth-Studie, dass Nachhaltigkeit als auch digitale Transformation ganz weit oben und mit steigender Priorität auf der Agenda der österreichischen Industrie-Kapitäne stehen. "Der Blick auf Nachhaltigkeit hat sich bei den Unternehmen gewandelt. War früher der Fokus stärker auf der Frage, wie man das eigene Unternehmen nachhaltiger gestalten kann, hat sich der Blick geweitet: Zusätzlich wird die Frage gestellt, wie kann ich bestmöglich zur Nachhaltigkeit meines Kunden beitragen und für ihn damit Mehrwert schaffen", so der Horváth-Industrie-Experte abschließend.
www.horvath-partners.at
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