Überlebensgroß und beinahe einschüchternd begegnen den Besucher:innen die biomorph anmutenden Skulpturen von Karl Karner in seiner aktuellen Ausstellung (... Installation ... Performance ... Landschaften?) "Fichtengrau" in der Galerie von Lisa Kandlhofer in Wien. Wir trafen Sie zum Interview:
Frau Kandlhofer, Sie sind bekannt dafür, auch Hermann Nitsch auszustellen – jetzt den Feldbacher Karl Karner. Was verbindet Sie mit ihm?
Lisa Kandlhofer: Mit Karl Karner arbeite ich schon seit 14 Jahren zusammen und hatte das Glück in den letzten Jahren Hermann Nitsch kennenlernen und begleiten zu dürfen, sowie gemeinsam große Projekte zu realisieren. Ein Highlight war zum Beispiel eine große Ausstellung in Venedig im Zuge der Biennale 2022. Bei beiden Künstlern ist ein Kernelement ihrer Praxis die Performance – in verschiedener Ausdrucksform. Während Nitsch diesen performativen Aspekt durch seine Orgien Mysterien Theater und groß-angelegten Malaktionen ausformte, werden die Arbeiten von Karl Karner vom Künstler selbst oder vom Publikum während Performances bespielt, weitergeformt, oder auch zerstört. Das Transformative und grundlegend Interaktive ist Teil der Kunstpraxen beider Künstler.
Ihr Fokus liegt auf interdisziplinärer Kunst (und Performance). Darf man fragen: warum? Gibt es Überlegungen dazu, eventuell eine Initialzündung?
Kandlhofer: Unter anderem ist Performance ein verbindendes Element unserer Künstler:innen. Es liegt mir am Herzen diese Kunstform zu unterstützen, weil sie eine Möglichkeit bietet, stark mit Betrachter:innen in Kontakt zu treten.
Sie geben immer wieder auch noch jungen, aufstrebenden Künstler:innen Raum – wie findet Ihr euch?
Kandlhofer: Da gibt es mehrere Wege - beispielsweise bieten Wiener sowie internationale Kunstuniversitäten und angebotene Atelierbesuche eine tolle Möglichkeit, junge Talente wirklich im Anfangsstadium ihrer Karriere zu finden. Auch auf Kunstmessen sieht man immer wieder eine spannende, neue Position. Ebenso werden natürlich auch junge Positionen von Vertrauten aus dem Kunstmarkt empfohlen. Social Media darf ebenso nicht vergessen werden und ist mittlerweile ein wichtiges Tool. Jede:r Künstler:in hat aber schlussendlich eine eigene Geschichte.
Gleichzeitig sind Sie auch in besonderer Weise für junge, bisher noch unbedarfte Kunstinteressierte da, beraten und unterstützen. Gibt es eine diesbezügliche Vision?
Kandlhofer: Uns als Galerie liegt viel daran, interessierte Personen zu begleiten und sie zu unterstützen, um langfristige Beziehungen aufzubauen. Es ist uns wichtig, die Schwellenangst zu nehmen, dass man auch kommen kann, wenn man nichts kauft. Jede:r wird begrüßt und bekommt – wenn gewünscht – eine Führung durch die Ausstellung.
2010 bespielten Sie einen ersten "temporären Raum" mit Kunst, 2016 eröffneten Sie Ihre erste "permanente" Galerie in Wien. Damals wollten Sie ein wenig NY, wo sie mehrere Jahre lang gelebt haben, nach Österreich bringen. Rückblickend: gelungen?
Kandlhofer: 2010 gab es noch wenige sogenannte "Off-Spaces". Die Kunstszene damals war beschränkt auf ein paar wenige etablierte Galerien - das hat sich seit damals geändert. Wir haben jetzt eine spannende, junge Galerienszene und mittlerweile ziehen auch einige Galerien aus dem Ausland nach Wien. Irgendwann war es notwendig diesen Off Space in eine permanente Galerie umzuwandeln, um Künstler:innen zu repräsentieren und als Galerie zu wachsen - die Eröffnung der ersten großen Galerieräumlichkeiten war mein persönliches Highlight. Zurück nach Österreich ging es für mich, um wieder zurück zu meinen Wurzeln zu finden.
Der Kunstmarkt in Wien – welchen Stellen wert nimmt er aus Ihrer Sicht international ein und wie entwickelt er sich?
Kandlhofer: Der Wiener Kunstmarkt ist nach wie vor klein, entwickelt sich aber stetig weiter. Initiativen wie das Galerienfestival Curated By mit internationalen Kurator:innen und Wiener Kunstmessen helfen hierbei mit.
Lisa Kandlhofer im Gespräch mit Leadersnet-Art Herausgeber Gerhard Krispl inmitten der Ausstellung "Fichtengrau" by Karl Karner ©Günter Langegger / Leadersnet
Karl Karner – "Fichtengrau" – die Ausstellung / die "Performance"
In ihrem Erscheinungsbild ähneln Karl Karners Arbeiten aus Aluminium und Bronzeguss hergestellten fantastisch-futuristischen Lebensformen (oder sind es Landschaften?), deren Äußeres sich aus fein verästelten Strukturen und einer organischen Oberfläche zusammensetzen und dabei einen höchst fragilen Eindruck hinterlassen.
Pessimismus ist dem Künstler dabei allerdings fremd, vielmehr werden zarte Hoffnungszeichen erkennbar, wenn einzelne Sprösslinge aus dem Untergrund einer seiner Skulpturen (Landschaften?) sprießen. Karner hat den Untergrund spezifischer Arbeiten nämlich mit Saatgut präpariert, deren Bewässerung er persönlich vornimmt. So erlebt die Skulptur eine Metamorphose, die sinnbildlich für das menschliche Potential steht, durch Achtsamkeit gegenüber der Natur, den bereits entstandenen Schaden etwas entgegenzusetzen und nicht in Teilnahmslosigkeit zu verharren.
Die Galeristin Lisa Kandhofer vor Karl Karners "Fichtengrau" 2023, aluminiun ©Günter Langegger / Leadersnet
Über den Künstler:
Karl Karner (geb. 1973 in Feldbach, Österreich) lebt und arbeitet in Feldbach, Österreich. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Professor Heimo Zobernig. Karner positioniert seine Arbeit zwischen den Disziplinen der bildenden Kunst, der Performance und des Tanztheaters. In seiner Praxis setzt sich Karner immer wieder mit der Körperwahrnehmung und dem Konzept der Körperlichkeit selbst auseinander. Diese beziehen sich nicht nur auf den menschlichen Körper, sondern können auch als eine breite Auseinandersetzung mit Objekt, Materialität und Raum verstanden werden. In den Installationen und Kunst-Environments des Künstlers werden Betrachter:innen häufig zu Akteur:innen. Solche partizipativen Impulse betonen die Ironie, die diesen Kunstwerken innewohnt.
Karl Karner – Fichtengrau
bis 13. Juni 2024
Galerie Kandlhofer
www.kandlhofer.com
Kommentar schreiben