Dass sich die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) massiv auf die Nachfrage nach Hypothekarkredite auswirken wird, haben viele Expert:innen bereits mit Inkrafttreten der neuen Richtlinie im August 2022 vorhergesagt. Nun zeigt eine aktuelle Analyse des KSV1870, dass sie mit ihrer Prognose ins Schwarze getroffen haben.
Starker Rückgang
In den ersten drei Quartalen 2023 sind die Hypothekarkredite dem Kreditschutzverband zufolge um 50,6 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurückgegangen. Grund dafür sei neben den gestiegenen Zinsen vor allem die KIM-V, die die Kreditvergabe mithilfe deutlich restriktiverer Rahmenbedingungen seit gut einem Jahr neu regelt. Besonders betroffen seien junge Menschen (bis 35 Jahre), für die sich der "Traum vom Eigenheim" immer seltener erfülle. In dieser Alterskategorie hat sich die Anzahl der gewährten Kredite laut der Analyse zuletzt sogar um 57,6 Prozent reduziert, was den Höchstwert darstellt. Parallel dazu sei auch das generelle Finanzierungsvolumen im Schnitt um sieben Prozent auf 196.000 Euro gesunken.
Konkret sehen die erhobenen Daten wie folgt aus: In den ersten drei Quartalen 2023 wurden 44.628 Hypothekarkredite gewährt, was gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 50,6 Prozent bedeutet. Hypothekarkredite werden in der Regel für die Finanzierung von Immobilien verwendet. Der häufigste Grund für den Absturz: die hohen Anforderungen der KIM-Verordnung. Die zumindest 20-prozentige Eigenkapitalquote, eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren und eine Monatsrate, die maximal 40 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen darf, sind offenbar für viele eine enorme Hürde bei einer Finanzierung. Im Vergleich dazu sind die Abstattungskredite (Q1 bis Q3 2023: 273.000) mit einem Minus von 11,5 Prozent bedeutend weniger stark rückläufig.
Zuletzt mehrten sich die Stimmen für eine Lockerung der neuen Regeln. Die Kreditvergaberichtlinien müssten unbedingt noch angepasst werden. Die aktuelle Regelung stelle selbst Besserverdiener:innen vor oft unüberwindbare Hürden, um sich in jungen Jahren Eigentum zu schaffen, sagte unlängst Bernhard Reikersdorfer, Managing Director von Remax Austria (LEADERSNET berichtete). Kurz davor schlug auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr (LEADERSNET berichtete) in die selbe Kerbe.
Bundesländer im Vergleich
Gegenüber dem Vorjahr verzeichnen laut dem KSV1870 alle neun Bundesländer in den ersten drei Quartalen 2023 massive Rückgänge, was die Anzahl der gewährten Hypothekarkredite betrifft. Am deutlichsten fällt das Minus demnach dabei in Wien (- 57,6 Prozent) aus, gefolgt von Tirol (- 52,2 Prozent) und Vorarlberg (- 51,8 Prozent). Am "geringsten" ist der Einbruch mit 46,7 Prozent in Kärnten. Die KIM-Verordnung treffe die Menschen österreichweit mit voller Wucht. Immer weniger könnten sich einen Kredit für die Eigenheimfinanzierung leisten.
"In Zeiten steigender Zinsen und wirtschaftlicher Turbulenzen wird es für viele Privathaushalte nahezu unmöglich, ein finanziell sicheres Fundament für die Zukunft zu schaffen. Daher stellen wir die KIM-Verordnung in ihrer jetzigen Fassung infrage und plädieren für ihre Flexibilisierung. Davon versprechen wir uns eine Kreditvergabe, die sich an die jeweiligen ökonomischen Rahmenbedingungen anpasst und Antragsteller nicht von vornherein ausschließt", erklärt Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG.
Schlechte Aussichten für junge Menschen
Die gewährten Hypothekarkredite sind in sämtlichen Altersgruppen stark rückläufig. Ganz besonders betroffen sei die für die Schaffung eines neuen Eigenheims besonders relevante Gruppe der bis 35-Jährigen. Hier falle das Minus mit 57 Prozent am gravierendsten aus. Damit einhergehend sei diese Altersgruppe auch nicht mehr wie im Vorjahr für 41,2 Prozent aller Hypothekarkredite "verantwortlich", sondern nur mehr für 35,9 Prozent.
"Einerseits legt man vor allem jungen Menschen nahe, in Immobilien zu investieren, um sich für die Zukunft zu rüsten, andererseits werden die Einstiegshürden so angesetzt, dass diese insbesondere für die junge Generation schlichtweg nicht machbar sind", so Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Der Absturz bei den Kreditvergaben wirke sich auch auf die Baubranche aus. Die Auftragslage sinke. Es fehle an neuen Projekten im Wohnbau, denn die Kosten sind hoch und die Nachfrage ist zurückgegangen. Auch 2024 werde sich daran laut dem Experten voraussichtlich nichts ändern.
Geringeres Kreditvolumen, kürzere Laufzeiten
Weiters geht aus der Analyse hervor, dass einhergehend mit der sinkenden Anzahl an Kreditverträgen zwischen Jänner und September 2023 das Kreditvolumen im Hypothekarbereich gegenüber dem Vorjahr deutlich rückläufig ist – und zwar vom Kleinstkredit bis hin zu Krediten mit höheren Volumen. So weisen etwa die im Zuge der Immobilienanschaffung häufig benötigten Kreditrahmen von 100.000 Euro (- 39,8 Prozent), 250.000 Euro (- 50,6 Prozent) und 500.000 Euro (- 59,5 Prozent) beträchtliche Rückgänge auf. Insgesamt sei das durchschnittliche Kreditvolumen bei Hypothekarkrediten innerhalb eines Jahres von 210.000 Euro auf 196.000 Euro gesunken. Dieser Abwärtstrend setze sich auch bei den Kreditlaufzeiten fort. Die bis zum Vorjahr am häufigsten gewählte Laufzeit "bis 30 Jahre" verzeichnete mit 58,1 Prozent das deutlichste Minus. "Die insgesamt geringeren Kreditvolumen lassen darauf schließen, dass aktuell vermehrt auch aus finanziellen Gesichtspunkten auf zumeist günstigere Renovierungsarbeiten gesetzt wird", so Wagner, der dem Thema "Mieten statt kaufen" wenig abgewinnen kann.
Abwärtstrend auch bei Abstattungskrediten
Nach zuletzt konstanten Jahren in Bezug auf die Zahl der gewährten Abstattungskredite stehe im laufenden Jahr ein Rückgang zu Buche. Gegenüber den ersten drei Quartalen 2022 sank die Zahl der gewährten Kredite um 11,5 Prozent auf knapp über 273.000 Kredite. "Es zeigt sich, dass viele Menschen die Befürchtung haben, Kredite in Zukunft nicht mehr bedienen zu können. Deshalb verzichten sie in Zeiten hoher Kosten und steigender Zinsen auf nicht notwendige Ausgaben, um sich nicht selbst in eine zusätzliche finanzielle Schieflage zu manövrieren", so der Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Zwar gebe es in den niedrigen Bereichen "bis 2.000 Euro" Zuwächse von etwa elf Prozent, doch je höher die Kreditrahmen ausfalle, desto größer sei der Rückgang, was die Anzahl der Verträge betreffe. Im Bereich "bis 500.000 Euro" falle das Minus mit 44,4 Prozent am deutlichsten aus. Eine teils entgegengesetzte Entwicklung zeige sich puncto Laufzeit. Während Abstattungskredite mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr (+ 15,8 Prozent) und von bis zu drei Jahren (+ 6,8 Prozent) zulegen, verzeichnen alle anderen Laufzeit-Cluster einen Rückgang. Am deutlichsten fällt dieser mit minus 54,6 Prozent in der Kategorie "bis 30 Jahre" aus. „Die Menschen werden sehr vorsichtig und vermeiden es, sich langfristig zu binden", sagt Wagner abschließend.
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