Der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) rund um Franz Blantz, Mitglied der Geschäftsleitung Bereichsleitung Insolvenz, hat am Mittwoch die Insolvenzstatistik für das erste Halbjahr 2023 präsentiert. Im Bereich der Firmeninsolvenzen wurde das Niveau von 2019 erreicht. Besonders betroffen sind die Baubranche und der Handel.
Material- und Produktionspreise
In der Corona-Pandemie wurde ein Rückstau an circa 2.000 Firmeninsolvenzen aufgebaut aber noch nicht abgebaut. Das Wiedererreichen des Niveaus von 2019 ist auf geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und neuartige Insolvenzursachen zurückzuführen.
Die Zinserhöhungen der EZB, gestiegene Kreditraten, die KIM-Verordnung und die damit verbunden verschärften Kreditvergaberichtlinien führten zu einem Abwärtstrend am Immobilienmarkt. Hart getroffen wurde hier die Baubranche. Die inflationäre Entwicklung und die gestiegenen Material- und Produktionskosten führten in der Baubranche samt Nebenbranchen verstärkt zu einer Auftragsflaute. Der Einbruch am Wohnungs- und Hausbau ist auch ausschlaggebend dafür, dass im ersten Halbjahr 2023 in der Baubranche die meisten Firmeninsolvenzen zu verzeichnen waren.
Firmeninsolvenzen © AKV
Energiekosten und Konsumverhalten
Neben dem Baugewerbe ist auch der Handel von Pleiten und Zahlungsunfähigkeit betroffen. Während Corona wurde die Branche mit Umsatzeinbrüchen konfrontiert. Die hohen Energiekosten und die damit einhergehende Inflation sowie die Kostensteigerungen führten zu einem Kaufkraftverlust und einem reduzierten Konsumverhalten bei Kund:innen. Die Folge waren vor allem im zweiten Quartal 2023 Insolvenzen namhafter Handelsunternehmen wie "Kika/Leiner" (LEADERSNET berichtete), "Geomix" (LEADERSNET berichtete) oder "Schneiders Bekleidung" (LEADERSNET berichtete). Dieser Trend wird sich auch im zweiten Halbjahr 2023 fortsetzen und dokumentiert sich in den Insolvenzen "Forstinger" (LEADERSNET berichtete) und "Tally Weijl" (LEADERSNET berichtete), welche in der ersten Juli-Woche 2023 eröffnet wurden.
Deutsche Insolvenzverfahren - "Salamander", "Delka" - (LEADERSNET berichtete) runden das Bild von Schließungen österreichischer Filialbetriebe in der Handelsbranche ab.
1.548 Firmeninsolvenzen
Die eröffneten Firmeninsolvenzen sind im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 auf 1.548 Verfahren gestiegen (Plus 12,09 Prozent). Weiterhin besorgniserregend sind die 1.224 Abweisungsbeschlüsse, die sich gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 um ein Viertel (Plus 25,54 Prozent) erhöht haben. Von den 1.548 Eröffnungen an Firmeninsolvenzen sind 932 Eröffnungen auf Initiative der Gläubiger:innen zurückzuführen, so dass circa 60 Prozent der Firmeninsolvenzen über Gläubigeranträge eröffnet werden.
Gesamtpassiva der eröffneten Unternehmensinsolvenzen © AKV
Nach den Insolvenzen hat auch die Gesamtverbindlichkeiten (Plus 12,50 Prozent) zugenommen, nämlich von 1,067 Milliarden Euro auf 1,200 Milliarden Euro. Die größte Firmeninsolvenz nach Passiva legte die Leiner & kika Möbelhandels GmbH mit Verbindlichkeiten von circa 132 Millionen Euro.
Die Anzahl der gefährdeten Arbeitsplätze ist um 87,64 Prozent gestiegen, nachdem 9.095 Dienstnehmer:innen im ersten Halbjahr 2023 unmittelbar von eröffneten Insolvenzen betroffen waren. Davon entfallen 3.297 Dienstnehmer:innen auf jene der Leiner & kika Möbelhandels GmbH, gefolgt von der "Montavit" mit 242 Dienstnehmer:innen.
Die eingetrübte Wirtschaftslage lässt auch im nächsten Halbjahr keine Entspannung bei den Firmeninsolvenzen erwarten, so dass der AKV mit circa 5.500 Firmeninsolvenzen im Gesamtjahr 2023 rechnet.
www.akv.at
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