In Wien sinken die "realen" Preise von Eigentumswohnungen teils stark

| Tobias Seifried 
| 12.07.2023

In der Bundeshauptstadt verläuft die Entwicklung der Mieten und Kaufpreise seit Anfang 2023 konträr zu den letzten Jahren, in denen sie stark gestiegen sind. In einigen Bezirken ist der Rückgang besonders groß.

Die EHL hat am Mittwoch eine Analyse veröffentlicht, die die Entwicklungen am Wiener Wohnungsmarkt im ersten Halbjahr 2023 aufzeigt. Dabei wird u.a. ein Trend untermauert, welcher sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet hat: mit den teils dramatischen Preisanstiegen bei Eigentumswohnungen der letzten Jahre ist es vorbei. Real betrachtet, wurden die eigenen vier Wände in der Bundeshauptstadt dem Immobilienunternehmen zufolge seit Anfang 2023 sogar günstiger. Doch der Reihe nach.

Angebotsentwicklung

Laut den EHL-Expert:innen profitiert der Wohnungsmarkt in der Bundeshauptstadt aktuell noch von der Fertigstellung von Objekten, die vor dem drastischen Anstieg der Zinsen begonnen worden sind. Daher dürften heuer rund 15.800 Einheiten auf den Markt kommen und kurzfristig für ein derzeit ausreichend großes Angebot an Miet- und Eigentumswohnungen sorgen. 2024 und noch mehr 2025 werden die Fertigstellungszahlen EHL zufolge jedoch drastisch zurückgehen, was zu einem spürbaren Nachfrageüberhang führen soll.

Strukturell sei eine deutliche Verschiebung des Angebots von Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen festzustellen. Damit würden Projektentwickler auf die höheren Renditeanforderungen institutioneller Investor:innen reagieren und ihre Neubauprojekte nun wieder vermehrt in Form von Einzelwohnungsverkäufen verwerten.

Nachfrageentwicklung

Aus dem aktuellen Wohnungsmarktbericht geht ebenfalls hervor, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen derzeit besonders hoch ist. Dies liege vor allem daran, dass die Zinserhöhungen in Kombination mit der aufrechten KIM-Verordnung (strengere Vorgaben zur Kreditvergabe) den Zugang zu Eigentum deutlich erschweren würden. Objekte im Segment leistbares Wohnen seien laut der EHL daher rasch vollvermietet und auch die Nachfrage bei Bestandsliegenschaften und Altbauwohnungen sei sehr gut.

Da die Lebenshaltungskosten allgemein gestiegen sind, würden viele Haushalte versuchen, ihre Wohnkosten zu optimieren. Besonders gefragt seien deshalb energieeffiziente Gebäude, kompakte Wohnungsgrundrisse und auch günstigere Bestandswohnungen, die in den Vorjahren weniger nachgefragt wurden.

Trotz des Fokus' auf Miete sei aber seit kurzem eine gewisse Erholung der Nachfrage nach Eigentumswohnungen zu registrieren, auch wenn die Zahl der Transaktionen im ersten Halbjahr im Vergleich zu 2022 noch deutlich rückläufig gewesen sei. Umfragen zeigen laut den Expert:innen, dass die Schaffung von Wohnungseigentum weiterhin einen hohen Stellenwert habe, vor allem deshalb, weil Immobilieninvestitionen einen sehr guten Inflationsschutz bieten würden. Überdurchschnittlich entwickle sich der Markt für leistbares Wohnen im Wiener Speckgürtel, heißt es in der Analyse.

Preisentwicklung

Für Investor:innen und Privatkäufer:innen ist die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt natürlich besonders interessant. Der EHL zufolge verläuft die Entwicklung der Mieten und Kaufpreise in Wien seit Anfang 2023 konträr zu den letzten Jahren. So hätten sich die Eigentumspreise beinahe in allen Lagen auf Vorjahresniveau eingependelt. Unter Berücksichtigung der aktuellen Inflation und der im Durchschnitt (sehr) beachtlichen Lohnerhöhungen in vielen Branchen, seien die Wohnungspreise demnach real günstiger geworden. Da die Inflationsrate hierzulande aktuell zwischen acht und neun Prozent liegt, ist der reale Preisrückgang schon alleine deshalb - ohne Lohnerhöhung - ziemlich groß. Hier gibt es laut der EHL jedoch Unterschiede bei den jeweiligen Bezirken. Während diese Entwicklung in guten und eher zentrumsnahen Wohnlagen sehr moderat sei, ist der Rückgang in Randlagen mit ausbaufähiger Infrastruktur und breiterem Angebot stärker.

In den peripheren Stadtentwicklungsgebieten nördlich der Donau, im Süden und im Osten, sowie in äußeren Gürtelbezirken, in denen ein Großteil des zusätzlichen Wohnraums entsteht, waren nominell keine Preissteigerungen zu verzeichnen, heißt es im Wohnungsmarktbericht für das erste Halbjahr. Zwischen null und zwei Prozent Plus konnten 2023 demnach nur in den zentralen Stadtlagen innerhalb des Gürtels und den hochpreisigen Grünbezirken erzielt werden. Diese Teilmärkte würden aber quantitativ derzeit keine große Rolle spielen.

Die Mieten würden sich hingegen deutlich dynamischer entwickelten als die Kaufpreise. Im Durchschnitt lagen die Zuwächse laut der EHL mit acht bis 9,8 Prozent im Bereich der Inflationsrate. In den meisten Lagen sei zudem die durchschnittliche Leerstandsrate aufgrund der hohen Nachfrage und des Angebotsrückgangs auf unter zwei Prozent gesunken.

Ausblick

Doch wie geht es am Wiener Wohnungsmarkt nun weiter? Diese Frage wollen die Expert:innen mit einem Ausblick beantworten. Die EHL ist davon überzeugt, dass sich die ursprünglich als temporärer Bevölkerungszuwachs betrachtete Zuwanderung von Ukrainer:innen verfestigt und somit ein Wachstumsschub für die Bundeshauptstadt sei. Dieser löse zusätzlich zum strukturellen Wachstum als Folge der Urbanisierung weiteren Wohnungsbedarf aus. Allein dadurch werde das kurze Zeit befürchtete Überangebot mehr als ausgeglichen und der ohnehin geringe Leerstand werde weiter fallen. 

Wenn es in den kommenden zwölf Monaten keine klare Trendwende bei den Projektstarts gibt, werde das laut den Expert:innen zu einer jährlich weiter wachsenden Angebotslücke führen. Die geringen Fertigstellungszahlen und der sinkende Anteil von Mietwohnungen am Neuflächenangebot werden zu einem deutlichen Nachfrageüberhang bei Mietwohnungen und zu steigenden Mieten (mindestens im Bereich der Inflationsrate) führen, heißt es im aktuellen Wohnungsmarktbericht. Zudem dürften die anhaltend hohen Baukosten und der große strukturelle Wohnungsbedarf die Wohnungspreise trotz der gestiegenen Finanzierungskosten zumindest stabil halten. Größere Anstiege seien aber erst mit einer Trendwende bei den Leit- und Marktzinsen zu erwarten.

www.ehl.at

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