In einem Gastkommentar, das zuerst in der Kronen Zeitung (12. Juli 2023) erschienen ist, hat Leonhard Schitter wohl vielen weiteren heimischen CEOs aus der Seele gesprochen. Der Vorstandsvorsitzende der Energie AG spricht sich darin ganz klar für eine neue "Willkommenskultur" aus und kritisiert vor allem jene Menschen, die sich einerseits über fehlende Arbeitskräfte beklagen, aber andererseits gegen Zuwander:innen wettern. Laut Schitter brauche die heimische Wirtschaft ausländische Arbeitskräfte, damit wir unseren Wohlstand halten können. Die unsachliche Vermischung von Asyl und Zuwanderung im politischen Diskurs sei jedenfalls nicht zielführend. Damit bringt er wohl auf den Punkt, wovon zahlreiche heimische Top-Manager:innen ebenfalls überzeugt sind.
Hier der Gastkommentar im Wortlaut:
In seiner Kolumne "Ausländer rein!" (Kronen Zeitung, 10. Juli 2023) hat Chefredakteur Claus Pándi den Nagel auf den Kopf getroffen: Auf der einen Seite wird ein harter Kurs gegen jede Form von Migration, sprich Zuwanderung, propagiert, andererseits beklagen oft die gleichen Leute den Arbeitskräftemangel in Österreich. Als Vertreter eines Unternehmens mit mehr als 5.000 Menschen kann man dieses Vorgehen, Pándi nennt es "Tollhaus", nur mit Kopfschütteln quittieren.
Angesichts des demografischen Wandels ist es höchst an der Zeit, den erbittert geführten Kulturkampf um Zuwanderung einzustellen und den Blick auf das zu richten, was unsere Wirtschaft, unser Gesundheits- und Sozialsystem, nein, unser aller Wohlstand und unsere Gesellschaft dringender braucht: Sachlichkeit.
Arbeitskräftemangel trocknet Wirtschaft gefährlich aus
Fakt ist, dass wir den Arbeitskräftemangel, der unsere an sich gut aufgestellte Wirtschaft gefährlich austrocknet, nur mit dem "eigenen Nachwuchs" und Umschulungen nicht stoppen können. Das mögen manche beweinen, ein Rezept dagegen bietet nur faktenbasiertes und pragmatisches Handeln. Dringend! Wenn man dem "Naturereignis" Pensionswelle, das Demografen bereits seit Jahrzehnten vorhersehen, mit Sachlichkeit begegnete, würde man rasch auf probate Mittel stoßen. Eine rasche Lösung gibt es zwar nicht. Auch wird uns die Sündenbock-Politik, die Asyl und Zuwanderung vermischt, nicht ans Ziel bringen. AMS-Chef Johannes Kopf hat es treffend formuliert: "Es ist ein mühsamer Kampf, er wird nicht alle Probleme lösen, aber er ist zu führen."
Kopf führt ein paar Stellschrauben an, an denen dringlichst gedreht werden müsse, die jedoch leider dem Kulturkampf zum Opfer gefallen sind: Wie die Angebote für flächendeckende Ganztagesbetreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag, Anreize die Frühpension einzuschränken, altersgerechte Arbeitsplätze zu schaffen oder Fachkräfte im benachbarten Ausland aktiv anzuwerben, als im fernen Asien. Oder endlich den vertriebenen Ukrainerinnen und Ukrainern eine echte Bleibeperspektive zu gewähren und ihnen einen Zuverdienst zu ermöglichen, ohne dass ihre Grundversorgungsleistungen gefährdet sind.
Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
Um Pándi aufzugreifen: Seid willkommen all jene, die hier arbeiten und unsere Werte teilen wollen. Das heißt aber im Gegenzug: Wir müssen den Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, ihre erworbene Qualifikation rascher und unbürokratischer anerkennen. Zuwanderer qualifizieren, ihnen unsere Sprache beibringen, unsere Kultur und unseren Wertekompass klarmachen – und ihnen ein Umfeld bieten, damit sie sich zuhause und willkommen fühlen können.
Wir müssen ihnen und ihren Familien auch Wohnraum, aber nicht in Ghettos, bieten, ihren Kindern Schulbildung ermöglichen. Dazu braucht es eine neue Willkommenskultur, die auf Offenheit und die Anerkennung von Leistung setzt. Das ist in unserem Land noch sehr ausbaufähig.
Wir müssen uns bewusst sein, dass es mit zuziehenden Arbeitskräften wie mit den ansässigen ist: Wir sind im internationalen Wettbewerb und müssen um sie ehrlich werben. Mit falsch verstandenem Kulturkampf schießen wir uns ins eigene Knie. Wir müssen endlich mit lösungsorientierter Sachlichkeit dem Arbeitskräftemangel Einhalt gebieten.
www.energieag.at
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