Teure Lebensmittel: Handel weist Vorwürfe des Sozialministers zurück

| Redaktion 
| 26.04.2023

Ein Faktencheck zur Entwicklung der Nahrungsmittelpreise soll zeigen, dass die "Schuldzuweisung falsch und verkürzt" dargestellt werde.

In Österreich wird aktuell intensiv über die Entwicklung der Lebensmittelpreise diskutiert. Zuletzt ist dabei auch der Lebensmittelhandel ins Visier des Sozialministeriums geraten. Für Sozialminister Johannes Rauch sind die hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln "nicht nachvollziehbar". Er will deshalb schon in den nächsten Tagen Vertreter:innen des Lebensmittelhandels und Expert:innen zu einem Gespräch einladen. Auch der Handelsverband steht für ein bilaterales, klärendes Gespräch zur Verfügung, hat aber laut eigenen Angaben noch keine Einladung erhalten.

Der Handelsverband Österreich reagierte auf die "unfairen Vorwürfe" und versucht sie anhand eines Faktenchecks zu entkräften. Dabei geht er u.a. der Frage nach, ob der Handel für die gestiegenen Lebensmittelpreise verantwortlich ist und ob die Preise im österreichischen Handel im EU-Vergleich den höchsten Zuwachs verzeichneten.

"Ursache und Wirkung"

Laut dem Faktencheck agiert der heimische Lebensmittelhandel inflationsdämpfend und hat im letzten Jahr sogar ein reales (inflationsbereinigtes) Umsatzminus von -3,2 Prozent erwirtschaftet. Man müsse demnach zwischen "Ursache" und "Wirkung" unterscheiden. "Ursache" seien neben den gestiegenen Finanzierungskosten und deutlichen Lohnerhöhungen, vor allem die hohen Energiekosten. Die Energieversorger:innen haben die zuletzt stark gesunkenen Energiepreise an den Börsen bis heute weder an die Haushalte noch an die Handelsbetriebe weitergegeben. Hier herrsche laut dem Handelsverband tatsächlich Handlungsbedarf.

Auch internationale Markenartikelproduzent:innen, die zuletzt vielfach zweistellige Gewinnmargen realisiert haben, aber auch Molkereien und Bündelbetriebe aus der landwirtschaftlichen Produktion müssten zu einem klärenden Austausch zum Kontext der gegenwärtigen Situation eingeladen und einbezogen werden, damit eine sinnvolle Analyse überhaupt möglich ist, so der HV. 

Im EU-Vergleich im untersten Drittel

Die Agenda Austria hat vor einigen Tagen eine EU-weite Studie veröffentlicht, die zeigt, dass der österreichische Lebensmitteleinzelhandel im EU-Vergleich im untersten Drittel liegt, was die Veränderung der Preise zwischen März 2022 und März 2023 betrifft – und das, obwohl in Österreich die Energieabhängigkeit von russischem Gas deutlich höher als in anderen EU-Ländern ist.

Demnach haben sich in Österreich die Lebensmittelpreise im Jahresvergleich um 14,6 Prozent erhöht, während sowohl Deutschland als auch der EU-Schnitt bei über 20 Prozent liegt.

"Preisanstieg bei Lebensmittel-Eigenmarken"

Bei Eigenmarken-Artikel aus dem Grundnahrungsmittelbereich fallen steigende Produktionskosten aufgrund der knappen Kalkulation und niedrigeren Preise naturgemäß stärker aus als bei höherpreisigen Markenartikeln, heißt es vom HV. Der Handel spart bei den Eigenmarken u.a. an den Kosten für die Vermarktung, dafür fallen die teurer gewordenen Rohstoffe prozentuell stärker ins Gewicht. Dazu kommen noch steigende Preise für die Verpackung sowie höhere Energiekosten.

Hebel, um die Preise zu senken

Laut dem Handelsverband blieben die heimischen Handelsbetriebe bisher komplett auf ihren massiv gestiegenen Energiekosten sitzen. Deswegen könnte es bis Jahresende in 1.000 österreichischen Gemeinden keinen Nahversorger mehr geben. Hohe Energiepreise würden dazu führen, dass Nahversorger:innen pro Standort statt 40.000 Euro Energiekosten für Kühlung und Betrieb nun an die 200.000 Euro zahlen.

Deshalb sei nur ein "treffsicherer" Energiekostenzuschuss die Lösung des Problems.

"Wir verstehen die Sorge des Sozialministers, verwehren uns aber gegen eine populistische Instrumentalisierung der gegenwärtigen schwierigen Situation. Ja, die Preise sind spürbar gestiegen, aber dem Handel dafür die Schuld zu geben, ist schlichtweg falsch und verkürzt. Das Ende der Blockade der Grünen gegen den EKZ II wäre sachdienlicher, um für alle Menschen in Österreich spürbar etwas zu bewegen. Der Lebensmittelhandel wird weiterhin seinen Beitrag dazu leisten, für die Bevölkerung trotz Teuerungskrise Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen anzubieten", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will abschließend.

www.handelsverband.at

www.sozialministerium.at

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