Spar-Vorstand an Kanzler: "Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft Österreichs"

| Tobias Seifried 
| 09.10.2022

Lebensmittel-Marktführer fordert von der Regierung aufgrund der explodierenden Energiepreise eine schnelle und großvolumige Unterstützung. Die geplanten Zuschüsse seien grob ungerecht.

Wenn sich der Vorstand eines heimischen Großkonzerns wie der Spar AG mit einem offenen Brief an den Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), den Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und die Minister:innen Martin Kocher (ÖVP), Gerhard Karner (ÖVP) sowie Leonore Gewessler (Grüne) wendet, dann ist wohl tatsächlich Feuer am Dach. In dem Schreiben, dass vom Vorstand rund um CEO Fritz Poppmeier verfasst wurde, geht es um die geplanten Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen aufgrund der explodierenden Energiepreise.

In dem per E-Mail verschickten Brief (siehe unten) schlüsselt Spar detailliert auf, weshalb es beim Unternehmens-Energiekosten-Zuschuss-Gesetz (UEZG) zu mehreren und teils großen Ungerechtigkeiten komme. Poppinger und seine Vorstandskollegen sehen deshalb sogar die Zukunft Österreichs in Gefahr.

Hilfen der Corona-Krise 2020 als Vorbild

Das UEZG wurde nach langem Ringen zwischen den Regierungsparteien Ende September präsentiert. Die zunächst geplanten Mittel von 450 Millionen wurden auf 1,3 Milliarden Euro aufgestockt. Das dürfte jedoch nicht reichen. Im Brief von Spar heißt es etwa: "Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft Österreichs, da die steigenden Energiekosten eine enorme Belastung darstellen. Dementsprechend ist es unbedingt notwendig – wie auch bei der Corona-Krise 2020 – der Staat hier schnell und großvolumig unterstützt und damit die Auswirkungen dieser Krise bestmöglich abgefedert werden."

Wettbewerbsverzerrung

Zu den aufgezählten Ungerechtigkeiten bzw. Benachteiligung, die kompakt organisierte Unternehmensgruppen wie Spar treffen würden, zählten u.a. die fehlende Möglichkeit, den Zuschuss auf Betriebsebene zu beantragen, die Förderobergrenze von 400.000 Euro je Unternehmen sowie der Plan, Unternehmen mit Energiekosten über acht Millionen Euro in der Basisstufe nicht zu fördern. Der von der EU-vorgegebene Rechtsrahmen würde da deutlich mehr erlauben. Sollte das UEZG so umgesetzt werden, wäre das laut Spar eine klare Wettbewerbsverzerrung.

Bürokratiemonster

Zu den weiteren Kritikpunkten zählt die Beschränkung der Förderung auf den Zeitraum von Februar bis September 2022. Außerdem ortet Spar einen immensen bürokratischen Aufwand bei der Beantragung der Zuschüsse und fordert eine deutliche Verlängerung des Beantragungszeitraumes. Die Zuständigkeit für die Abwicklung wird ebenfalls in Frage gestellt: "Weiters fragen wir uns, warum die Abwicklung nicht über das Finanzamt erfolgen kann. Schon bei den Covid-Förderungen führte die Förderabwicklung über privatrechtliche Förderverträge zu hoher Rechtsunsicherheit und auch zu Benachteiligungen und Ineffizienzen in der Abwicklung," so der Vorstand der Spar AG.

Einzelhändler

Abschließend fordert der Konzern auch noch spezielle Hilfen für selbstständige (Spar-)Einzelhändler. Hier wären steuerpolitische Maßnahmen notwendig, um dir Liquidität zu erhalten. "Unternehmen sollten die Möglichkeit haben, Verluste aufgrund der Energiekrise mit früheren Gewinnen (Verlustrücktrag, wie in der Coronakrise) gegen verrechnen zu können." Von den den 1.500 Spar-Märkten, werden 600 von selbstständigen Kaufleuten betrieben.

Hier sehen die den Brief im Wortlaut:

Betreff: Anmerkungen zum geplanten UEZG

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung,

die Energiekrise im Herbst/Winter 2022/23 hat ähnlich tiefgreifende Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und auf uns alle als Gesellschaft wie die Corona-Krise 2020/21. Man muss es mit aller Deutlichkeit sagen: Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft Österreichs, da die steigenden Energiekosten eine enorme Belastung darstellen. Dementsprechend ist es unbedingt notwendig – wie auch bei der Corona-Krise 2020 – der Staat hier schnell und großvolumig unterstützt und damit die Auswirkungen dieser Krise bestmöglich abgefedert werden.

Die SPAR Österreichische Warenhandels-AG („SPAR“) sieht sich – als eine der größten Arbeitgeberinnen und führendes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen in Österreich – bei diesem essenziellen Thema in der gesellschaftlichen Verpflichtung, hier an Lösungen mitzuwirken. Daher wenden wir uns nun mit diesem Schreiben an die österreichische Bundesregierung, um Verbesserungsvorschläge zur geplanten Richtlinie zum Unternehmens-Energiekosten-Zuschuss- Gesetz („UEZG“) zu übermitteln. Es ist uns vollkommen bewusst, dass aktuell multiple Krisen die österreichische Bundesregierung vor große Herausforderungen stellen. Wir sind gleichzeitig überzeugt, dass effektive staatliche Unterstützungsmaßnahmen zur Stärkung der österreichischen Wirtschaft beitragen und wir so auch diese Krise gemeinsam meistern können.

Vor diesem Hintergrund finden Sie nachfolgend unsere Verbesserungsvorschläge zum UEZG:

1) Deckelung der Zuschusshöhe und Einschränkung auf Unternehmen anstatt Betriebe

Wir sehen in den ersten Ankündigungen eine grobe Benachteiligung von kompakt organisierten Unternehmensgruppen (in unserem Fall Handel & Produktion in wenigen großen Gesellschaften) aufgrund fehlender Möglichkeit der Beantragung auf Betriebsebene, sowie der Förderobergrenze von 400 TEUR pro Unternehmen. Leider wird hier der EU-rechtliche Rahmen nicht ausgenützt! In der entsprechenden EU-RL wird von einem „energieintensiven Betrieb“ (siehe Art. 17 iVm Art. 11 der Richtlinie 2003/96/E) gesprochen, nicht vom Gesamtunternehmen. Ein Zuschuss auf Betriebsebene wäre somit aus unserer Sicht möglich und geboten.

Weiters war im Gespräch, dass Unternehmen mit Energiekosten über EUR 8 Mio. in der Basisstufe nicht gefördert werden, sondern nur in der Förderstufe 2 berücksichtigt werden können. Das würde wiederum einer groben Benachteiligung kompakt organisierter Unternehmen gleichkommen. Diese EUR 8 Mio.-Grenze stellt somit eine willkürliche Bestimmung dar und sollte keinesfalls in die Richtlinie aufgenommen werden.

Letztlich sind somit Unternehmen aufgrund der „zufälligen“ Organisation der Gruppe von einem höheren Zuschuss ausgeschlossen, was somit auch zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

2)  Förderzeitraum Februar bis September 2022

Die Einschränkung der Förderung auf Februar bis September 2022 ist für uns völlig unverständlich. Die Energiekosten bleiben auch danach hoch und ursprünglich war die Förderung bis Jahresende im UEZG auch so vorgesehen. Eine Verkürzung durch die Richtlinie würde dem Ziel der Maßnahme völlig widersprechen. Weiters sollte die Regelung auch für 2023 gelten, bzw. falls das beihilfenrechtlich tatsächlich jetzt noch nicht möglich sein sollte, wenigstens die Förderung auf Ende 2022 ausgedehnt werden! Die Energiekosten werden in den nächsten Monaten unserer Ansicht nach nicht sinken!

3)  Komplexität der Berechnungen, Vergleich mit anderen EU-Staaten

Die bisher bekannten erforderlichen Daten und Berechnungen zur Beantragung sind aufwendig und teilweise in der kurzen Zeit schwierig zu beschaffen. Ein Beispiel: In der Basisstufe kann der Treibstoff mitberücksichtigt werden, allerdings müssen die exakt verbrauchten Liter im Förderzeitraum ermittelt werden, da die Mineralölsteuer (das sind ja auch Kosten!) rausgerechnet werden muss. Das ist für ein Unternehmen extrem aufwendig und auch für die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater schwierig zu prüfen und zu bestätigen. Schließlich wird ein belegmäßiger Nachweis gefordert – in unserem Fall würde es sich hierbei sicherlich um hunderttausende Belege handeln.

Andere EU-Staaten sind hier wesentlich pragmatischer, siehe etwa Italien, wo Kostensteigungen ab 30% gefördert werden und der Zuschuss unmittelbar von den Steuerzahlungen (KÖSt, aber auch LSt) eines Monats oder Quartals abgezogen werden kann.

4)  Kurze Antragsfristen und Abwicklung über AWS

Die Registrierung beim AWS wird von Ende Oktober bis Mitte November möglich sein, danach soll das Unternehmen eine Information über einen Zeitraum für die formale Antragseinreichung erhalten. Dem Vernehmen nach soll dies maximal bis Mitte Dezember 2022 möglich sein. Aufgrund der Komplexität der Berechnungen und der notwendigen Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer, sowie der immer noch nicht vorliegenden Richtlinie ist dieser Zeitraum äußerst knapp bemessen. Ein Beantragungszeitraum bis 30.6.2023 wäre wesentlich sinnvoller, da dann auch ein bestätigter Jahresabschluss vorliegt und die diversen Berechnungen einfacher und effizienter erstellt werden können.

Zudem soll die Reihung für die Vergabe der Zuschussmittel nach dem Einlangen der Förderanträge unter Berücksichtigung der budgetären Verfügbarkeit erfolgt. Wer also länger braucht, hat das höhere Risiko, dass er nichts bekommt. Das widerspricht jedem Rechtsverständnis und wir ersuchen Sie dafür Sorge zu tragen, dass jedes Unternehmen einen Zuschuss erhält, welches auch einen Anspruch nachgewiesen hat.

Weiters fragen wir uns, warum die Abwicklung nicht über das Finanzamt erfolgen kann. Schon bei den Covid-Förderungen führte die Förderabwicklung über privatrechtliche Förderverträge zu hoher Rechtsunsicherheit und auch zu Benachteiligungen und Ineffizienzen in der Abwicklung.

5) Steuerpolitische Begleitmaßnahmen wie zB Verlustrücktrag

Speziell für selbständige Einzelhändler, die zweifelsohne aufgrund der momentanen Vorgaben teilweise in eine Verlustsituation geraten werden, sind Cash-Flow erhaltende Maßnahmen besonders wichtig. Unternehmen sollten die Möglichkeit haben, Verluste aufgrund der Energiekrise mit früheren Gewinnen (=Verlustrücktrag, wie in Coronakrise) gegenverrechnen können.

Weiters wäre es sinnvoll Anreize für steuerzahlende Unternehmen zu geben, damit Energiesparen „monetär substanziell“ belohnt wird und nicht jene Unternehmen bezuschusst werden, die keine Vorsorgen treffen und keine energiesparenden Maßnahmen ergreifen.

Abschließend möchten wir betonen, dass wir mit diesem Brief nachdrücklich unsere Sorge zum Ausdruck bringen, dass wichtige Marktteilnehmer, wozu auch unsere vielen familiengeführten SPAR-Einzelhandelsbetriebe gehören, von dieser Förderung ausgeschlossen werden – die negativen Folgen nicht nur für die betroffenen Betriebe, sondern insgesamt für die österreichische Wirtschaft und die Nahversorgung wären verheerend.

Wir appellieren deshalb nachdrücklich an die österreichische Bundesregierung, von den EU- beihilfenrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und so die Folgen der Energiekrise effektiv abzufedern.

Mit freundlichen Grüßen
(Vorstand) SPAR Österreichische Warenhandels-AG

www.spar.at

KR Prof. Kristian Scheed
Ein Bravo für diesen durchdachten , sachlichen und meiner Ansicht nach völlig richtigen Artikel.
Warum wird nicht einfach über das Finanzamt abgerechnet? Wieso werden Energiesparer nicht belohnt? etc. etc.
Danke der SPAR für diese Initiative.

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