Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hängt seine politische Tätigkeit komplett an den Nagel. In einer "persönlichen Erklärung" in der Politischen Akademie der Volkspartei in Wien nahm der 35-Jährige zu den Hintergründen seines Rückgangs Stellung. Vorab wurde die Geburt von Kurz' Sohn am vergangenen Samstag als ausschlaggebendes Ereignis für die Beendigung seiner politischen Karriere genannt: "Es hat Klick gemacht."
"Es ist unglaublich schön, dem eigenen Land dienen zu dürfen"
Er habe immer nach seinen Überzeugungen gehandelt, das habe Zustimmung gebracht aber auch Ablehnung, so Kurz. Die Aufgabe als Bundeskanzler habe eine extreme inhaltliche Breite geboten. Spitzenpolitik sei ein ständiges Wechselbad an Gefühlen: "Es ist wunderschön, etwas bewegen zu können, aber gleichzeitig gab es jeden Tag so viele Entscheidungen zu treffen, dass man vorab weiß, dass da auch falsche dabei sein werden."
"Dazu gab es täglich Kritik und in letzter Zeit das Gefühl, gejagt zu werden", sagt Kurz. Kritik sei aber auch positiv gewesen, da sie ihn und sein Team zu Höchstleistungen motiviert habe. "Wir haben die Tätigkeit für die Republik über fast alles gestellt", blickt er zurück.
Er sei die vergangenen zehn Jahre mit 100 Prozent Begeisterung dabei gewesen. Nun sei diese Begeisterung allerdings weniger geworden. "In meinem Fall haben die Entwicklungen der letzten Monate stark dazu beigetragen", so Kurz weiter. "Mein Alltag war kein Wettbewerb der besten Ideen mehr, sondern bestand aus Vorwürfen und Vorverurteilungen. Das hat meine eigene Flamme ein bisschen kleiner werden lassen." "Ich möchte nicht behaupten, dass ich nichts falsch gemacht habe, ich habe natürlich Fehlentscheidungen getroffen und konnte meinen Ansprüchen oft nicht gerecht werden", so Kurz weiter. Er sehe sich weder als "Heiliger noch als Verbrecher". "Ich bin ein Mensch mit Stärken und Schwächen und allem, was dazugehört."
Mit dem Kapitel Politik abgeschlossen
"Ich freue mich auf den Tag, an dem ich bei Gericht beweisen kann, dass die Vorwürfe gegen meine Person falsch sind. Egal, wann dieser komme", so Kurz.
"Für mich beginnt ein neues Kapitel im Leben", so Kurz abschließend. Er freue sich, Zeit mit der Familie verbringen zu können und den neuen Lebensabschnitt zu starten. Eine geordnete Übergabe aller politischen Agenden kündigte er für kommende Woche an.
Wer übernimmt, wer geht?
August Wöginger werde den Klub wieder leiten. Die Rolle als ÖVP-Chef werde Gerüchten zufolge Innenminister Karl Nehammer übernehmen. Dieser soll auch der neue Kanzler werden. Alexander Schallenberg hat nämlich am Donnerstagabend verlautbart, dass er sein Amt zur Verfügung stellt. "Es ist nicht meine Absicht und war nie mein Ziel, die Funktion des Bundesparteiobmanns der Neuen Volkspartei zu übernehmen. Ich bin der festen Ansicht, dass beide Ämter – Regierungschef und Bundesparteiobmann der stimmenstärksten Partei Österreichs – rasch wieder in einer Hand vereint sein sollten", so Schallenberg in einer schriftlichen Stellungnahme. "Ich stelle daher mein Amt als Bundeskanzler zur Verfügung, sobald parteiintern die entsprechenden Weichenstellungen vorgenommen wurden"
Nach Schallenbergs Ankündigung folgte dann der nächste Paukenschlag: Gernot Blümel teilte mit den Worten "Es war mir eine Ehre" mit, dass er als Finanzminister mit sofortiger Wirkung zurücktrete. Blümel führte als Gründe für seine Entscheidung an, dass er kürzlich zum zweiten Mal Vater geworden sei und dass er einer der engsten Vertrauensmänner von Sebastian Kurz sei. Wer ihm als Finanzminister folgen soll, ist noch unklar, kolportiert wird Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber. In diversen Medienberichten wurden zudem Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck als Ablösekandidatinnen genannt.
Kurz' politische Karriere in Bildern – inklusive zahlreicher bekannter Gesichter wie René Benko, Arnold Schwarzenegger, Christian Kern, DJ Ötzi, Gerhard Schröder und Christoph Dichand – finden Sie in unserer Fotogalerie. (as/jw)
www.sebastian-kurz.at
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