Karin Seywald-Czihak, Geschäftsführerin der ÖBB Werbung, Andreas Vretscha, CEO der GroupM und Jürgen Hofer, Chefredakteur des Horizont, war es zu wenig, immer nur mit dem Zeigefinger auf andere zu deuten. Sie wollen die Werbe- und Marketingbranche nachhaltiger machen. Was es bedeutet CO2-neutral Werbung zu machen und wie sich der Umgang mit Nachhaltigkeit in den letzten Jahren gewandelt hat, verraten sie im LEADERSNET-Wirtschaftstalk
LEADERSNET: Frau Seywald-Czihak, was versteht man denn unter Green-Marketing?
Seywald-Czihak: Green-Marketing ist eine positive Ausprägung des Marketings per se. Es geht darum, nicht nur die klassischen Marketing Ziele zu verfolgen, sondern auch auf ökologische Kriterien und auch soziale Anliegen zu achten.
LEADERSNET: Sie sind Geschäftsführerin der ÖBB Werbung – warum kommt gerade von Ihnen diese Initiative?
Seywald-Czihak: Die ÖBB ist das Klimaschutz-Unternehmen Nummer Eins und wurde heuer dafür auch ausgezeichnet. Da liegt es auf der Hand, sich diesem Thema anzunehmen. Es ist mir auch persönlich ein Anliegen. Zudem bin ich letztes Jahr zur "Marketerin des Jahres" gekürt geworden und das hat mich auch ein bisschen dazu bewogen, den "Green Marketing Award" mit auf die Welt zu bringen.
LEADERSNET: Herr Vretscha, gibt es von der GroupM Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit und wie kann man sich nachhaltige Werbung vorstellen?
Vretscha: Da gibt es wirklich sehr viele Initiativen bei uns. Unser Mutterkonzern, die WPP, hat sich selbst das Ziel gesetzt, 2025 vollkommen CO2-neutral im eigenen Arbeitsbereich zu arbeiten und das 2030 auch auf die Arbeit mit allen Zulieferern auszuweiten. Um das zu erreichen bieten wir etwa unser Produkt "Admosfy" an. Es klingt vielleicht abstrakt, aber das misst den CO2-Ausstoß von Werbekampagnen. Ein Flugblatt oder ein Plakat muss ja produziert werden und TV-Spots brauchen Strom, um ausgestrahlt zu werden. Hier entsteht ein CO2-Fußabdruck. Wir messen den und geben unseren Kunden die Chance, ihn auch zu kompensieren. Daher passt auch bei uns der "Green Marketing Award" wunderbar in das System.
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LEADERSNET: Herr Hofer, Sie sind einer der Mitveranstalter des Awards. Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit in der Berichterstattung des Horizont?
Hofer: Wir merken seit einiger Zeit, dass das Thema nicht mehr nur ein Trendthema ist, sondern quasi in der Mitte unseres Tuns steht, oder stehen sollte. Ganz viele Initiativen gehen in diese Richtung, weil wir alle bemerkt haben, dass es da Versäumnisse gab und dass es ganz wichtig ist, auch im Marketing nachhaltig und in die Zukunft gewandt zu agieren.
LEADERSNET: Wer darf beim "Green Marketing Award" einreichen und ab wann wird das möglich sein?
Hofer: Einreichen darf jeder. Unsere Intention ist es, die Unternehmen zu forcieren, die zu einer besseren, nachhaltigeren Zukunft führen. Wer dann gewinnt, entscheidet ein zweistufiger Prozess. Der Grundgedanke der Beurteilung ist, nicht nur mit Worthülsen um sich zu werfen, sondern wirklich ernst gemeint im Kern die Dinge zu verändern. Der Award soll auch ein Weckruf sein und ein wenig zeigen, was es denn auch an guten Dingen gibt. Einreichen kann man ab 1. Jänner und de facto eingereicht werden kann alles, was bis zu diesem Zeitpunkt umgesetzt worden ist, an Marketingmaßnahmen.
LEADERSNET: Gibt bereits Projekte, bei denen man sagen kann, dass sie eingereicht werden sollten?
Seywald-Czihak: Ja, da gibt es eine Vielzahl an Projekten. Zwei sind mir besonders aufgefallen. Eines wird gerade bei der Expo in Dubai ausgestellt – nämlich "Helios". Die bieten eine umweltschonende Wasserdesinfektion an. Das ist natürlich für diverse Länder in Afrika und Staaten wie Indien wichtig. Das zweite Projekt ist die Initiative "To Good To Go", wo es um das Vermeiden von Lebensmittelverschwendung geht. Das ist für uns alle sinnvoll, denn wir wissen ja, wie viel wir oder Restaurants wegwerfen. Solche Initiativen braucht es mehr in der Zukunft.
LEADERSNET: Gibt es schon einen Zeithorizont, wann der "Green Marketing Award" stattfinden soll?
Seywald-Czihak: Ja, der wird rund um den "Tag der Umwelt 2022" (5. Juni) stattfinden. Konkret haben peilen wir gegenwärtig den 9. Juni 2022 an.
LEADERSNET: Marketing, Werbung, das Positionierung von Kernbotschaften sind das Geschäft von GroupM. Wie sah das in den letzten Jahren in der Firmenkommunikation aus? Ist das Thema Nachhaltigkeit wichtiger geworden?
Vretscha: Das Thema wandert sogar in den Unternehmensziele rein. Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das nicht Gleichberechtigung, Gleichbehandlung, Diversity und Nachhaltigkeit in den Unternehmenszielen hat. Zudem werden Unternehmen auf Börsen bereits nach ihren Nachhaltigkeits-Aktivitäten bewertet. Ich finde, dass ist für die Gesellschaft ein sehr wichtiger Vorgang.
LEADERSNET: Wie wird der Prozess zur Auswahl der Sieger durch die Jury ablaufen?
Vretscha: Dieser Prozess wird zweistufig stattfinden. Wir werden von Expert:innen, aus der Werbebranche und Wissenschaft, die Projekte anschauen lassen. Danach kommt eine repräsentative Umfrage aus der dazu. Ich glaube, dass das alles sehr streng sein wird.
Andreas Vretscha, Paul Leitenmüller, Karin Seywald-Czihak und Jürgen Hofer © LEADERSNET
LEADERSNET: Was wird es bedeuten, diese Trophäe zu gewinnen? Steigt für den Sieger dann die mediale Präsenz?
Hofer: Was damit einhergeht ist natürlich, dass das Thema das ganze Jahr getrommelt wird. Das Ziel ist nicht nur einen Preis zu verleihen und dann wieder ein Jahr zu warten, sondern das Thema eben wirklich ein Jahr am Köcheln zu halten, um eben diesen Nachhaltigkeitsgedanken einfach noch mehr Schub zu verleihen.
LEADERSNET: Warum muss nachhaltiges Marketing vor den Vorhang?
Seywald-Czihak: Um aufzuzeigen, was alles geht. Es braucht einfach mehr Initiativen wie diese, um auch im Marketing weiterzukommen.
LEADERSNET: Ist die Marketingbranche eigentlich klimafit und ist sie nachhaltig oder war das bis jetzt relativ nachrangig?
Seywald-Czihak: Ich glaube, das Thema war noch nicht so präsent, wie es das jetzt ist. Das hat schon eine gewisse Dynamik bekommen, finde ich.
LEADERSNET: Green-Marketing und erfolgreiches Wirtschaften geht das überhaupt miteinander?
Vretscha: Es geht nicht mehr ohne einander. Das ist mittlerweile eine Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften.
LEADERSNET: Wie sieht das bei den Medien aus? Können sich Anzeigen finanzierte Medien Green-Marketing leisten?
Hofer: Ja, die müssen es sich leisten können. Natürlich müssen wir Medien uns die Frage stellen, wie wir uns finanzieren, aber die Frage darf den Umweltgedanken nicht schlagen.
Ab 1. Jänner können sich Interessent:innen für den "Green Marketing Award" bewerben. Eingereicht werden können Marketingaktivitäten, Case Studies und Kampagnen aus allen Branchen in drei Kategorien: "Think Different", "Be Aware" und "Innovate". (ca)
www.green-marketing-award.at
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