LEADERSNET: Hat die Corona Pandemie auch besonderen Einfluss auf den Büromarkt mit sich gebracht?
Wernhart: Die Pandemie hat einen nachhaltigen Wandel der Arbeitswelt mit sich gebracht. Homeoffice und Remote Working konnten in einer Geschwindigkeit und Intensität integriert werden, die ohne Lockdowns und Social Distancing kaum hätte erreicht werden können. Dieser Umstand macht eine intensive Auseinandersetzung mit den Anforderungen an die eigene Bürosituation, der eigenen Vision und der Unternehmenskultur sowie mit der Frage nach der Attraktivität des Büros heute zwingend notwendig.
LEADERSNET: Wirken sich hybride Arbeitsformen auch direkt auf die Gestaltung der modernen Bürowelt aus?
Wernhart: Die Auswirkungen sind bei den aktuellen Gesuchen definitiv merkbar. Das Erlebnis rückt in den Vordergrund und wird zum neuen Leitthema bei der Gestaltung neuer Büroräumlichkeiten. In Zukunft werden nicht weniger Büroflächen, aber vielfach ganz andere, hybride Bürokonzepte benötigt werden. Die Realisierung neuer Konzepte soll ausreichend Anreiz schaffen, damit das Büro überwiegend ein Ort der Kommunikation, Kooperation, Innovation und Kreativität wird. Natürlich sollte eine ansprechend gestaltete Arbeitswelt auch den weiterhin notwendigen informellen Austausch fördern.
LEADERSNET: Remote Working und flexibles Arbeiten: Wie steht es um neue Anforderungen an moderne Büros oder ist eher ein Refurbishment von Bestandsflächen gefragt?
Wernhart: Der Wunsch nach mehr Individualität und die Schaffung neuer flexibel nutzbarer Flächen stehen in den meisten Fällen im Vordergrund. Neben den weiterhin benötigten klassischen Arbeitsplätzen rückt eine vielseitige Arbeitsplatzgestaltung mit deutlicher Anlehnung an die Hotelarchitektur in den Fokus und soll mögliche Flächeneinsparungen generieren. Diese Einsparungen werden aber durch die Schaffung größerer und vielseitigerer Allgemeinflächen, wie Kollaborations- oder Kommunikationsflächen für die Mitarbeiter:innen zumindest kompensiert, sodass in den meisten Fällen am neuen Standort nicht weniger Flächen benötigt werden.
LEADERSNET: Welche Funktionen muss das "physische Büro" in Zukunft erfüllen?
Wernhart: Es ist in vielen Branchen davon auszugehen, dass eine 100-prozentige physische Anwesenheit im Büro nicht mehr die Regel sein wird. Das physische Büro wird in Zukunft viel stärker als bisher zu einem Ort des Austausches werden und soll mit qualitativ hochwertigen, modernen Bürokonzepten die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen stärken. Das physische Büro wird in der Gestaltung auch individueller werden, um auch die Unternehmenskultur nach außen hin sichtbar zu machen.
LEADERSNET: Entscheiden sich daher viele Unternehmen für neue Standorte? Welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle?
Wernhart: Im Zuge der Integration neuer, hybrider Arbeitsmodelle werden meist auch die Büros optisch wie auch technisch umgestaltet und zu Orten der Teamarbeit und Kommunikation. Das physische Büro wird in erster Linie für Besprechungen, Workshops und Fortbildungen genutzt. Viele Unternehmen und Konzerne sind gerade dabei, ihre Bürokonzepte gänzlich neu zu überdenken. Dabei ist derzeit eine klare Qualitätsoffensive zu beobachten. Der Trend geht eindeutig in Richtung modernes Image und optimale Mitarbeiterzufriedenheit, da der Mensch noch mehr als bisher in den Mittelpunkt rückt. Die Nachfrage konzentriert sich daher auf innovative Objekte und Projekte mit perfekter Infrastruktur und idealer Verkehrsanbindung.
LEADERSNET: Könnte es, wenn die Erholung so stark ausfallen wird, wie es scheint, sogar eine Knappheit bei modernen Büroflächen geben?
Wernhart: Der Vorverwertungsgrad jener Immobilien, die heuer und nächstes Jahr auf den Markt kommen, ist mit teilweise über 70 Prozent erfreulicherweise sehr hoch. Werden die noch vorhandenen Restflächen vom Markt weiterhin derart gut absorbiert, wird den Mietinteressenten in gut angebundenen Lagen mit guter Infrastruktur in den nächsten beiden Jahren ein deutlich eingeschränkteres Angebot zu Verfügung stehen. In den Jahren 2023/2024 werden wieder großvolumige Projekte wie z.B. das "VIO Plaza" direkt an der U4 Station Meidling oder das Projekt "Weitblick" an der Trabrennbahn im Viertel Zwei fertiggestellt, in welchen Kund:innen aus heutiger Sicht noch ein ausreichendes Flächenangebot zur Verfügung steht. In Teilbereichen Wiens, wie z.B. in der Innenstadt und Umgebung, ist auch jetzt schon ein deutlicher Nachfrageüberhang zu bemerken und nicht alle Kundengesuche können dort bedient werden.
LEADERSNET: Erfordern neue Player wie beispielsweise der Online-Supermarkt Jokr, an den Sie kürzlich eine Einzelhandelsfläche im Projekt "Trienna" vermietet haben, neue Konzepte beziehungsweise ein Umdenken?
Wernhart: Generell kommt es im Lebensmitteleinzelhandel immer stärker zu einer Kombination von stationärem Handel und Online-Handel. Die Verfügbarkeit/Lieferung von Lebensmitteln (nahezu 24/7) ist ein internationaler Trend, der bereits seit einiger Zeit in vielen anderen Metropolen gang und gäbe ist und nun auch nachhaltig in Österreich angekommen ist. Diese Konzepte erfordern nicht unbedingt immer eine Lage mit hoher Passantenfrequenz, die von traditionellen Einzelhändlern vorausgesetzt wird, sondern können durchaus auch in Wohngebieten im EG realisiert werden, die für klassische Retailer aufgrund geringerer Fußgängerströme nicht den Anforderungen an einen neuen Standort gerecht werden.
LEADERSNET: Wie steht es um die Anmietungen im Öffentlichen Bereich? Welche Trends verspüren Sie hier?
Wernhart: Auch im öffentlichen Bereich ist zu erkennen, dass die durchwegs positiven Erfahrungen des Home-Offices und Remote Working während der Lockdowns im letzten Jahr zu einem Fortbestand hybrider Arbeitskonzepte führen. Damit ist auch der öffentliche Sektor, wie viele Unternehmen der Privatwirtschaft damit beschäftigt, sich mit den eigenen Bürosituationen auseinanderzusetzen und alternative moderne Arbeitsplatzkonzepte zu prüfen, um mögliche Flächeneinsparungen durch den Fortbestand von Homeoffice unterschiedlichen Ausmaßes in Teilbereichen erzielen zu können.
LEADERSNET: Wie hat sich das Immobilieninvestment im Jahr 2020 eigentlich entwickelt?
Wernhart: Der Investmentmarkt des Jahres 2020 war natürlich stark von den Auswirkungen der Pandemie geprägt. Dies hat sich jedoch nicht unbedingt durch eine Zurückhaltung der Investoren bei Ihren Immobilieninvestments gezeigt. Vielmehr ist eine stark risikoadjustierte Verschiebung bei den Assetklassen, in die investiert wird, zu sehen, was die Produktknappheit genau in diesen Segmenten deutlich verschärft. Gerade die sehr sicherheitsorientierten, institutionellen Investoren haben ihr Investmentprofil überarbeiten und die krisengeschüttelten Segmente Hotel und Shopping-Center in vielen Fällen bereits durch eine Verstärkung ihres Engagements in den "coronaresistenten" Bereichen Wohnen, Logistik und Nahversorgung ersetzt. Grundsätzlich eine gute Nachricht, da weiterhin großes Interesse an Immobilieninvestments gegeben ist, allerdings kann die Erhöhung der Nachfrage in diesen Bereichen durch das aktuelle Angebot nicht mehr ausreichend gedeckt werden, was die Preise in die Höhe treibt und die Renditen immer weiter unter Druck bringt.
LEADERSNET: Was waren die größten Deals im ersten Corona-Jahr?
Wernhart: Es gab auch im Jahr 2020 einige bemerkenswerte Transaktionen die die hohe Attraktivität des österreichischen Investmentmarktes unterstreichen. Die von EHL begleiteten Ver- und Ankäufe des ehemaligen Bank Austria Headquarters in der Lassallestraße 5 sowie der Ankauf des Autro Tower sind hier sicherlich die größten Beispiele des vergangenen Jahres, wobei jedoch auch viele Wohnneubauprojekte einen neuen Eigentümer gefunden haben.
LEADERSNET: Von welchem Preissegment sprechen wir hier? Wo liegen eigentlich die Spitzen- und wo die Durchschnittsmieten?
Wernhart: Im Top-Büro-Segment, d.h. in hervorragender Bürolage mit langfristigen, idealerweise öffentlichen Mietern bewegt man sich derzeit bei Renditen von ca. drei Prozent. Im institutionellen Wohnsegment, insbesondere wenn es sich um bereits fertiggestellte und vermietete Objekte handelt, tendieren die Renditen bereits unter drei Prozent. Im Bürovermietungsbereich befinden sich Durchschnittsmieten bei 14,90 Euro netto/m² und die Spitzenmieten bei aktuell 25,50 Euro netto/m² mit steigender Tendenz.
LEADERSNET: In welchen Bezirken befinden sich die Wiener Top-Bürogegenden? Was haben diese gemeinsam?
Wernhart: Historisch ist die Nachfrage in der Region Innenstadt und Umgebung sehr hoch und für viele Unternehmen eine der attraktivsten und renommiertesten Mikrolagen in Wien. Jedoch konnten wir die vergangenen Jahre beobachten, dass gewachsene oder neu entstandene Bürocluster wie zum Beispiel das Areal rund um den Hauptbahnhof oder der Wienerberg im Süden von Wien eine hohe Nachfrage verzeichnen konnten. Die perfekte Infrastruktur für Büronutzer und die hervorragende Anbindung sowohl an das hochrangige Straßennetz als auch an den öffentlichen Verkehr sind ausschlaggebend, dass sich Unternehmen für diese Lagen entscheiden.
LEADERSNET: Worauf ist das Interesse der Investoren derzeit besonders ausgerichtet?
Wernhart: Das Investoreninteresse konzentriert sich derzeit, insbesondere auf konservativer, institutioneller Seite sehr stark auf die Assetklassen Wohnen, Logistik, Top-Büro sowie Lebensmitteleinzelhandel, da sich diese Assetklassen in den vergangenen Monaten als "coronaresistent" erwiesen haben.
LEADERSNET: Mit welchen spannenden Projekten wartet EHL Gewerbeimmobilien heuer auf?
Wernhart: Wir haben aktuell eine Vielzahl von sehr spannenden und innovativen Objekten in der Vermarktung. Als Beispiele können z.B. das hochwertig sanierte Quartier Lassalle (ca. 83.000 m2), für das ein Vermietungsgrad von rund 90 Prozent ein Jahr vor Fertigstellung erzielt werden konnte, sowie das prestigeträchtige "Ensemble Schwarzenbergplatz" (ca. 9.000 m2) und das spannenden Neubauprojekt "VIO Plaza" (ca. 22.000 m2) genannt werden.
LEADERSNET: Können Sie uns einen Ausblick auf 2022 geben?
Wernhart: Der Markt hat bereits im heurigen Jahr durch die intensive Implementierung flexibler Arbeitsformen ordentlich an Dynamik gewonnen. Der überwiegende Anteil der Übersiedlungen geht dabei mit einer umfassenden Überarbeitung der firmenbezogenen Bürowelten einher. Dieser Trend wird auch 2022 anhalten. Hybride und flexible Arbeitsformen sind für viele Branchen zur neuen "Normalität" geworden und dies gilt es in entsprechend gestaltete Bürowelten umzusetzen. Projektentwickler und Vermieter werden auf diese Entwicklungen verstärkt mit entsprechend gestalteten Konzepten reagieren und auf einen möglichst variablen Mieterausbau Wert legen. (jw)
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