LEADERSNET: Unter dem Namen Creative Systems ist eine neue globale MediaCom Division an den Start gegangen. Womit beschäftigt sich diese?
Novidi: Grundsätzlich steht weniger eine einzige Division oder Abteilung im Vordergrund, sondern viel mehr ein anderer, neuer Weg wie wir Daten, Media und Kreativität betrachten, verknüpfen und einsetzen. Dementsprechend vielfältig sind die Skills, die in den Scope von Creative Systems einfließen. Mit Creative Systems legen wir Wert darauf, gemeinsam mit unseren Kunden das "bigger picture" zu sehen. Und zwar ihr individuelles bigger picture für den jeweiligen Geschäftsbereich, den spezifischen Herausforderungen und neuen Lösungen, die über herkömmliche Kommunikationsplanungen hinaus gehen. Das bedeutet Media nicht nur vernetzt im System zu denken, sondern Content und Insights datenbasiert in der Planung einfließen zu lassen, um Wachstumspotentiale in allen Bereichen der Customer und Brand Journey zu heben. Die Relevanz der Botschaften, die wir an Konsument:innen richten, spielt dabei eine zentrale Rolle. Unsere Vision ist es, Werbung und Kommunikation für Menschen sinnvoller arbeiten zu lassen und damit natürlich auch das größtmögliche Potential für unsere Kunden auszuschöpfen.
LEADERSNET: Wie werden Media, Daten und technologiebasierte Creativity vereint?
Castellanos: Data und Kreativität sind mittlerweile nicht mehr voneinander trennbar. Wir sehen immer mehr, dass sich diese Parameter gegenseitig sehr beeinflussen und somit ein komplexes System ergeben, für welches wir nun wahrhaft relevante Inhalte schaffen müssen, um den Bedürfnissen der User gerecht zu werden.
Unser Ansatz im Umgang mit Daten basiert auf einer Reihe von Tools und Produkten, die wir geschaffen haben, um die drei relevanten Bereiche Persönliches, Kulturelles und Plattform abzudecken. Wir bezeichnen das als „Relevance Wheel": Es geht uns nicht nur darum, wo und für wen die Message ausgespielt wird, sondern vor allem darum, wie sie kreiert wurde! Es muss eine sein, die den Interessen und Bedürfnissen der Konsumenten voll und ganz entspricht. Better insights = better creativity.
Mit MediaCom's System Thinking haben wir den direkten Zugriff auf alle nötigen Data- Informationen, um das Maximum an Möglichkeiten effizient für unser Kunden herauszuholen.
LEADERSNET: Welchen Nutzen können die Kund:innen daraus ziehen?
Tichy: Durch den Anspruch sowohl die kulturelle, persönliche als auch Plattform Relevanz für das Unternehmen und die Brand verstehen zu wollen, erhöhen wir den Impact der Botschaft. Dafür nutzen wir das komplette Creative Systems Universum mit allen Spezialist:innen für das jeweilige Thema. Es werden Chancenfelder erkannt, die vorher vielleicht noch gar nicht als potenzielle Wachstumstreiber identifiziert wurden. Dabei denken wir nicht nur quer durch alle Produkte und Services, sondern brechen das Kampagnendenken für uns auf. Immer mit dem Ziel Wachstum für unsere Kunden zu generieren. Wir gehen also nicht mit einer konkreten Umsetzungsmaßnahme in eine Kampagne, sondern analysieren in einem ersten Schritt, wo wir überhaupt ansetzen müssen. Was ist das eigentliche Problem? Was die größte Herausforderung? Welches konkrete Bedürfnis der Zielgruppe/n gilt es zu erfüllen? Dabei geht's selten um Produkte und Dienstleistungen. Es geht um Inhalte, Menschen und Beziehungen. Da kann auch schon mal eine Strategie rauskommen, die auf den ersten Blick nicht den Erwartungen entspricht, bei Einbeziehung aller Insights und Erkenntnisse dann jedoch viel weiter greift. Das große Ganze oder eben auch "bigger picture". Und genau das macht es so spannend!
LEADERSNET: Wie erfolgt der Kick Off in Österreich?
Castellanos: Das ist kein großer Big Bang. Viele Bereiche decken wir schon seit längerem ab. Schon letztes Jahr wurden Special Units geschaffen, die sich mit Teilbereichen von Creative Systems beschäftigen. Der letzte Schritt ist die inhaltliche Zusammenführung der verschiedenen Themen und das vernetzte Denken und Arbeiten. Natürlich stellen wir unseren Kunden die neuen Möglichkeiten und Herangehensweisen vor und binden die geballte Kompetenz unseres Creative Systems Way of Working in Strategien und Kampagnen ein.
LEADERSNET: Wie ist die Unit personell aufgestellt?
Tichy: Creative Systems wird von unterschiedlichen Spezialist:innen, die Erfahrung mit Content haben, Daten Spezialist:innen, systemischen Planner:innen und strategischen Masterminds gelebt. Alle Potentiale von MediaCom werden zu einem vernetzten Way of Working und Thinking zusammengeführt.
LEADERSNET: Welche Synergien ergeben sich innerhalb der MediaCom?
Tichy: See the bigger picture und Creative Systems sind ja keine lokale Initiative, sondern eine auf die MediaCom weltweit setzt. Die Ressourcen gehen somit über die Grenzen einzelner MediaCom Units und des Landes hinaus. Wir nutzen das lokale und das internationale WPP Netzwerk. Der Austausch zwischen Units innerhalb von MediaCom Österreich wie beispielsweise mit mSTUDIO im Bereich Content und Creation und den digitalen Spezialist:innen der GroupM als auch mit Kolleg:innen aus anderen Ländern ist so intensiv wie noch nie. Das voneinander Lernen und sich gegenseitig inspirieren, schafft Synergien und macht zusätzlich enorm viel Spaß.
LEADERSNET: Wie verfolgen Sie das Ziel, "Kreativität in die gesamte Customer Journey und Media-Planung" einzubeziehen?
Castellanos: Indem wir Creative Systems in die gesamte Customer Journey mit einbeziehen und das von Anfang an: Zuerst rein strategisch im Briefing und dann weiter während des gesamten Entstehungsprozesses von Ideen quer durch alle Plattformen und Netzwerke. Und das gemeinsam mit allen Partnern. Der neue Weg der Kreativität bindet sowohl Media als auch Data sowie das Storytelling mit ein. Das eröffnet uns die Chance, Ideen mit Kultur zu verknüpfen und hilft so unseren Kunden das Big Picture zu sehen!
Edgar Castellanos, Astrid Tichy, Omid Novidi © Daniel Schaler
LEADERSNET: Können Sie uns ein Beispiel nennen? Gibt es schon eine Kampagne mit Fokus auf dieses "bigger picture"?
Tichy: Mit Sky Österreich haben wir einen langjährigen Kunden, der mit uns immer neue Wege geht. Fast ein Jahr lang haben wir uns mit der Frage nach mehr Relevanz für bestehende und neue Zielgruppen am österreichischen Markt beschäftigt, um zu verstehen, wo wir ansetzen müssen, um die Vorteile von Sky bestmöglich kommunizieren zu können. Das Einbinden von Influencer:innen ist nicht aus einer Bauchentscheidung heraus passiert. Die Auswahl ist anhand des Brandfitscore, einem MediaCom Tool zur Analyse der passenden Influencer*´:innen geschehen, das weit mehr beleuchtet als nur Follower:innen und Engagement. Der produzierte Content wird durch Social Listening Ergebnisse relevant gemacht, die Painpoints sowohl auf den Sky Owned Channels als auch auf jenen der Influencer:innen wurden durch eine Sentiment-Analyse eruiert. Seit Kampagnenstart im Sommer 2021 werden sämtliche Aktivitäten laufenden analysiert und fließen als Learning in den nächsten Schritt ein.
Auch mit unserem Kunden Bank Austria, Member of UniCredit Group, standen wir vor der Frage wie wir für ein bestimmtes Thema Interesse aber auch die öffentliche Wahrnehmung steigern können. Mit einem Relevance Audit, der sich über mehrere Wochen erstreckt hat, haben sich Themenfelder, Plattformen und Inhalte gezeigt, wie man dem Thema mehr Nutzen für die Zielgruppe und Emotion geben kann. Die Erkenntnisse, welche Sorgen und Bedürfnisse Menschen haben und wie man ihnen dabei helfen kann oder auch wie man ein aktuelles, länderspezifisches Movement für das Thema nutzen kann – das ist unser Verständnis des bigger picture.
Schlussendlich sind harte Fakten am Ende das Ziel. Der Weg, um dieses Ziel zu erreichen, darf keine Kommunikations-Einbahnstraße sein und führt auch oft über Umwege zum Resultat.
LEADERSNET: Relevanz ist in diesem Zusammenhang ein oft benutztes Schlagwort. Können Sie näher darauf eingehen, was dies in Ihrem Fall bedeutet?
Novidi: Relevanz ist tatsächlich das Herzstück. Wir sind überzeugt, dass Botschaften mit echter Relevanz Werbung für Menschen und Marken besser machen.
Wer kennt das nicht: Werbung, über welchen Kanal auch immer, die entweder nervt oder einfach irrelevant für mich ist, weil sie zwar sozio-demographisch zu mir passen mag, aber keine Rücksicht auf meine Lebenssituation nimmt und auch Tonalität und Visualität mit der man mich am besten erreicht, ignoriert. Bei Relevanz geht es in Wirklichkeit um den "perfect match" zwischen Themen und Werten für Menschen. Dieser findet sich im kulturellen Interesse und in länderspezifischen Besonderheiten. Nehmen wir zum Beispiel eine Food-Kampagne. Die kann in den USA phänomenal funktionieren, in einem europäischen Land aber komplett floppen. Die Unterschiede in der Wertigkeit, Wahrnehmung und Einstellung zu Lebensmitteln, Gesundheit, Essenszeiten und -mengen etc. ist vollkommen unterschiedlich. Das muss man berücksichtigen.
Relevanz ist außerdem etwas sehr Persönliches. Inhalte und Botschaften funktionieren, wenn sie auf die Bedürfnisse und das Verhalten von Menschen maßgeschneidert sind. Selbst, wenn die sozio-demographischen Merkmale übereinstimmen, können Bedürfnisse ganz unterschiedlich gelagert sein. Eine Frau mit 20 Jahren kann sich in einer ähnlichen Situation befinden wie eine Frau mit 40 Jahren. Beide können gerade in Ausbildung, im Jobwechsel oder auch in Karenz sein. Aber nicht nur das Wie und Was, sondern auch das Wo spielt eine entscheidende Rolle. Werde ich einen 20 Sekunden TV-Spot 1:1 auf Social Media bis zum Ende anschauen? Eher unwahrscheinlich. Content hat den größten Impact, wenn er mit dem Wissen auf welcher Plattform er leben soll, entwickelt wird.
LEADERSNET: Kurz gesagt: Sie geben Daten einen Sinn. Ist das korrekt?
Novidi: Nicht ganz. Das wäre nichts Neues und zu eng gefasst. Es ist mehr als das. Wir erheben, interpretieren und nutzen Daten anders. Wir betrachten einer größtmöglichen Perspektive und entscheiden, welche Daten Relevanz haben: in welchem Zeitraum, auf welcher Plattform und mit welchem Impact auf die Botschaft, die unsere Kunden aussenden.
Die Branche hat in den letzten Jahren viel Zeit darin investiert Media Targeting zu betreiben. Personalisierung und Kreativität, sprich die Aufbereitung der Botschaft, wurde dabei vernachlässigt. Bedeutet das, dass wir versuchen mit Werbe-Agenturen in Konkurrenz zu treten? Ganz und gar nicht. Die Zusammenarbeit wird enger denn je. Beginnend mit dem Briefing bis zur Frage wo und wie Ideen sich über alle Plattformen und Zielgruppen am besten entfalten können.
LEADERSNET: Wie können diese Insights optimal genutzt werden?
Tichy: Das ist der Punkt. Es geht sehr viel um Insights. Auch wenn wir von "Creative" Systems sprechen, sind Daten der Schlüssel zum Erfolg. Daten können dabei unterschiedliche Ausprägungen haben und werden von uns immer in ihrer Synergie betrachtet.
Der bereits erwähnte Brandfitscore ist ein sehr gutes Beispiel. Er ist 2018 aus unserem Anspruch entstanden Influencer:innen wir alle Medien nicht aus dem Bauch heraus auszuwählen und uns über möglichst viele Likes zu freuen, sondern mit konkreten KPIs zu versehen. Dabei war uns der damals gängige Faktor Follower:innen und Engagement nicht genug. Die Zielgruppe sind nämlich nicht die Influencer*innen selbst, sondern deren Follower:innen. Der Brandfitscore sagt uns nicht nur, welches Mind-Set Follower:innen haben oder welche sozio-demographischen Ausprägungen anhand ihres Posting-Verhaltens, sondern auch welcher Content gut funktioniert und welche Emotionen er in der Zielgruppe auslöst. Damit haben wir die Möglichkeit Kunden jene Influencer*innen vorzuschlagen, die auf ihre jeweiligen Ziele fokussiert der Best Fit sind.
Castellanos: In Sachen Plattform Relevanz zeigt sich zusätzlich nach wie vor, dass die Aufbereitung des Contents einen großen Unterschied in der Effektivität ausmacht. Unser international entwickeltes Tool Feedready dient dazu bestehenden Content je nach Plattform optimal zu adaptieren. Dabei spielen das Format, die Länge, Sound und die Reihenfolge der abgespielten Inhalte eine entscheidende Rolle. Das Werbemittel wird unter Berücksichtigung der Plattform Ansprüche sowie dem Nutzungsverhalten gestaltet.
LEADERSNET: 77 Prozent aller Marken könnten morgen verschwinden und niemandem würde es auffallen: schrieb Marketing Week 2019. Wie beurteilen Sie die Lage?
Castellanos: Ganz ehrlich: nur einen Handvoll Marken sind echte Love Brands. Das sind Marken, denen vertraut wird, deren Kommunikation und Aktivitäten man als glaubwürdig empfindet und wo man auch so schnell nicht Marke wechseln würde. Das funktioniert aber nur, wenn man authentisch ist und über einen langen Zeitraum die Bedürfnisse der Zielgruppe hört, sieht und erfüllt. Weil: Menschen mögen keine Unternehmen. Unternehmen werden oft anonym und unpersönlich empfunden.
Menschen mögen Menschen. Das ist so, weil wir uns mit ihnen identifizieren können, ihnen Attribute zuweisen können und ihr Verhalten interpretieren können. Marken wollen Konsumenten nahe sein. Sie wollen viel von ihnen wissen und erwarten, dass man sich mit ihrem Content beschäftigt.
Novidi: Es geht also darum jedes Mal wieder die passende Produktlösung für das Ohr und Auge von Konsument:innen zu gestalten und ihnen das zu geben was sie brauchen und nicht vorrangig das was die Marke sagen möchte. Wenn eine Marke das schafft, bleibt sie in den Köpfen der Menschen. Wie viel Prozent das in den nächsten Jahren schaffen, werden wir sehen.
LEADERSNET: Können Sie uns einen kurzen Ausblick auf die Branche geben?
Novidi: Kurz gefasst: Daten, Technologie, Media und Kreativität im Zusammenspiel werden die entscheidenden Faktoren für Agenturen, Kunden und Medientreibende sein, um Diversität für Insights, Strategien und Kreativität zu schaffen. Vielfalt, anstatt more of the same.
Das stetig wachsende Verständnis für Konsument:innen, deren Verhalten und Bedürfnisse schafft ein klares Bild für den zukünftigen Anspruch an Medien, Plattformen und Technologien, die sich stetig weiterentwickeln. Die entscheidende Frage, die wir uns stellen müssen: investieren wir ausreichend Aufmerksamkeit in relevante Botschaften für Zielgruppen, die nachhaltigen Impact generieren? (jw)
www.mediacom.com
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