LEADERSNET: Studien an der Hochschule Rosenheim und an der New Design University in St. Pölten, Arbeitserfahrung in Architekturbüros von Wien bis Berlin sowie in einer Tischlerei. Ihr Portfolio scheint sehr breit gefächert zu sein. Jetzt planen Sie "alles, was mit Innenräumen zu tun hat". Was reizt Sie besonders an der Innenarchitektur?
Neuhauser: Als Innenarchitektin habe ich einen sehr vielfältigen und kreativen Beruf. Jeder Raum, jeder Ort, jeder Mensch und jede Familie ist anderes. Das Konzept, die Farben, die Materialien und die Möbel müssen an die Bedürfnisse der Bewohner angepasst sein. Es gibt keine Planung, die für alle passt.
Ein kurzes Beispiel: Du betrittst ein Restaurant. Die Einrichtung ist stimmig, es riecht gut, im Hintergrund hörst du ansprechende Musik, das Licht ist angenehm warm, es ist nicht zu kalt oder zu warm, die Speisekarte passt zum Gesamtkonzept des Restaurants, das Essen und das Geschirr passen zusammen und es schmeckt gut. Du fühlst dich sofort wohl und geborgen. Du bleibst gerne noch etwas länger sitzen und isst ein Dessert oder trinkst ein Glas Wein.
Das meine ich mit vielfältig und kreativ. Innenarchitektur hört nicht beim Möbel auf, sondern geht bis hin zum Geschirr und zur Speisekarte. Innenarchitektur hört auch nicht im Innenraum auf, sondern geht oft bis zur Fassade und zur Terrasse.
LEADERSNET: Kurz nach der Geburt Ihres Kindes haben Sie das Büro Lieblingsplan gegründet. Was waren die Beweggründe für die Selbstständigkeit?
Neuhauser: Es war immer ein Traum von mir, mein eigenes Innenarchitekturbüro zu führen. Nach der Geburt meines Sohnes war der perfekte Zeitpunkt dafür gekommen. Ich habe die vergangenen zehn Jahre als Innenarchitektin gearbeitet und daher ausreichend Berufserfahrung und Kontakte gesammelt.
Da ich noch in Karenz war, konnte ich langsam starten. Ich konnte alles in Ruhe vorbereiten und hatte nicht den Druck, sofort genügend Aufträge haben zu müssen. Durch die flexiblen Arbeitszeiten kann ich nun Beruf und Familie optimal vereinen.
LEADERSNET: Mit "N1" haben Sie einer vierköpfigen Familie ein Einfamilienhaus mit so wenig Quadratmetern wie nötig und so großzügiger Wirkung wie möglich entworfen. Worin liegt die Einzigartigkeit dieses Projektes?
Neuhauser: Die Einzigartigkeit liegt sicher in der Größe von nur 105 m² Wohnfläche und in der Raumaufteilung. Aber auch die Details wie keine sichtbare Verschraubung der Fassade oder des Terrassenbelags, raumhohe Fenster, flächenbündige Sesselleisten, bis zu sechs Meter lange bündig eingelassene LED Leisten, mit dem Parkett bündig eingelassenes Glas vor dem Kamin und der fast drei Meter lange Esstisch aus massiver Eiche machen dieses Haus einzigartig.
LEADERSNET: Holz spielt bei "N1" eine große Rolle. Warum haben Sie sich für diesen Werkstoff entschieden?
Neuhauser: Holz ist ein natürlicher und umweltfreundlicher Rohstoff. Es ist sehr vielfältig und kann sowohl konstruktiv als auch dekorativ eingesetzt werden.
LEADERSNET: Welchen Herausforderungen sind Sie beim Grundriss begegnet?
Neuhauser: Die Schwierigkeit war, relativ klein zu bleiben und auf nichts verzichten zu müssen. Es war nicht so einfach, zwei Kinderzimmer inklusive eigenem WC mit großem Waschtisch auf so kleiner Fläche unterzubringen. Auch die Stauraumsituation musste gut durchdacht werden. Außerdem brauchte es eine Speziallösung für Waschmaschine und Trockner. Und schließlich musste auch noch ein fast drei Meter langer Esstisch für die ganze Familie Platz finden.
LEADERSNET: Das 105-Quadratmeter-Haus ist nur 7,5 Meter breit. Welche Kniffe mussten Sie einsetzen, um es größer wirken zu lassen?
Neuhauser: Zwei raumhohe, vier Meter lange Fensterelemente schaffen einen fließenden Übergang von Innen nach Außen, wodurch das nur 7,5 Meter breite Haus größer wirkt. Auch alle anderen Fenster – bis auf das Badezimmerfenster – sind raumhoch, wodurch die Räume größer wirken.
Außerdem kommen immer wieder große Spiegelfächen zum Einsatz. Der Parkettboden ist im ganzen Haus ohne Übergänge verlegt. Dadurch bekommt man den optischen Eindruck von Weite.
LEADERSNET: Gibt es im Haus ungenutzte Flächen, oder konnte alles verbaut werden?
Neuhauser: Im gesamten Haus gibt es keine ungenützten Flächen. Alle Gangflächen wurden mit großzügigen schlichten weißen Schränken verbaut, um Stauraum zu schaffen, aber keine zusätzlichen Räume. In diesen Einbauschränken kann alles Notwendige verstaut und versteckt werden – zum Beispiel gibt es einen Wäscheschrank, in welchem sich Waschmaschine, Trockner und ein kleiner Wäschehalter befinden. Der Gang zum Schlafzimmer ist gleichzeitig ein vier Meter langer begehbarer Kleiderschrank. Im Vorzimmer wurden extra Tiefe Einbauschränke verbaut. Hier finden nicht nur Jacken und Schuhe ausreichend Platz, sondern es gibt auch genügen Platz für Staubsauger, Bügelbrett, Büroartikel und vieles weitere.
LEADERSNET: Warum sollte man bei Projekten dieser Art eigentlich ein Ingenieurbüro zu Rate ziehen?
Neuhauser: Gut gestaltete Wohnungen und Häuser sollen perfekt auf die Ansprüche der Benutzer abgestimmt sein. Das Konzept, die Farben, die Materialien und die Möbel müssen an die Bedürfnisse der Bewohner angepasst sein. Es gibt keine Planung, die für alle passt.
Herauszufinden, was das Richtige für die jeweilige Person oder Familie ist, ist einer meiner wichtigsten Aufgaben. Nur wenn man sich mit den Räumen identifizieren kann, fühlt man sich darin wohl und ist auf Dauer zufrieden damit.
Um diese Anforderungen in der Planung optimal erfüllen zu können, benötigt man eine gute Ausbildung und vor allem mehrere Jahre Berufserfahrung. Um die Befähigungsprüfung für ein Ingenieurbüro zugelassen zu werden, sind diese Punkte Voraussetzung.
Für statisch relevante Planungen arbeite ich eng mit erfahrenen Baumeistern oder Architekten zusammen. Beim Einfamilienhaus N1 war der Baumeister nicht nur an der Einreich- und Ausführungsplanung beteiligt, sondern baute den Holzriegelbau auch.
LEADERSNET: Ihr Credo ist "Räume, die glücklich machen". Wie hat sich dies durch Corona verändert? Verlangen die Menschen nun nach anderen Räumen beziehungsweise Raumkonzepten, um darin glücklich zu wohnen und zu arbeiten?
Neuhauser: Durch Corona werden die eigenen vier Wände wieder wichtiger. Dabei kommen neue Aspekte wie Home Office oder Home Schooling dazu. Es braucht neue Strukturen, durchdachte Konzepte und Lösungen für die Platz- oder auch Akkustikprobleme, die sich bei vielen Menschen ergeben haben.
LEADERSNET: Wie schaffen Sie es trotz höchster Funktionalität auch hohen ästhetischen Ansprüchen gerecht zu werden?
Neuhauser: Das ist die tägliche Herausforderung in meinem Beruf. Bei der Planung beginne ich meist im Grundriss. Ich überlege mir die optimale Raumaufteilung, gehe tägliche Abläufe durch und denke über die Anordnung der Möbel nach. Danach folgt die Optik. Ich erstelle Farb- und Materialkonzepte und entwerfe Möbel, die sowohl funktional wie auch optisch ansprechend sind. Es ist ein Zusammenspiel aus schlichten funktionalen Möbeln, wie zum Beispiel Einbauschränken und optischen Highlights, wie zum Beispiel einem Esstisch aus Massivholz und Metall.
Je frühe ich bei einem Projekt dabei bin – im optimalen Fall von Anfang an – umso besser können diese Punkte aufeinander abgestimmt und umgesetzt werden.
LEADERSNET: Welche Materialen setzen Sie besonders gerne ein, um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen?
Neuhauser: Ich verwende verschiedenste Hölzer, Stoffe oder gerne auch ausgefallene Materialien, wie zum Beispiel Mooswände. Es ist wichtig Materialien zu verwenden die nicht nur durch ihre Optik, sondern auch durch ihre Haptik überzeugen. Materialien müssen zum Angreifen animieren und sich gut anfühlen. Glatte Oberflächen sind praktisch und schlicht. Sie sind in vielen Bereichen nicht weg zu denken, müssen aber gut mit anderen Materialien kombiniert werden.
LEADERSNET: Geht der Trend Ihrer Meinung nach ganz allgemein zum Tiny Living, also zum Wohnen auf kleinem Raum ?
Neuhauser: Es ist auf jeden Fall ein neuer Trend. Unter Tiny Living verstehe ich Häuser mit 45 m² oder weniger. Die meisten Menschen können sich nicht dauerhaft vorstellen auf so kleinem Raum zu leben und vor allem mit Familie ist es für viele undenkbar.
In Zukunft werden Tiny Häuser häufiger als heute bewohnt werden, aber eher von der jüngeren Generation als Übergangslösung. Tiny Living wird das klassische Einfamilienhaus nicht ablösen, aber die Wohnfläche von Einfamilienhäusern wird sich aus verschiedensten Gründen verkleinern. Häuser mit 150 bis 200 m² für vier Personen werden auf ca. 100 m² reduziert werden. (jw)
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