LEADERSNET: Corona hat uns weiterhin im Griff, was hat sich auf den ersten Blick seit unserem letzten Interview im Spätherbst 2020 verändert?
Wohlfahrter: Verändert hat sich, dass aufgrund der andauernden Covid-Situation verbunden mit Lockdowns und dadurch der Totalsperre vieler Branchen – etwa der Gastro- oder Tourismusbranche – die wirtschaftlichen Auswirkungen weiter zu spüren sind. Der Arbeitsmarkt ist ebenso substantiell getroffen: wir sehen hohe Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, unsichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen und kaum Planungssicherheit für Unternehmen.
LEADERSNET: Wie kann man in der derzeitigen Situation den Bewerbermarkt beschreiben?
Wohlfahrter: Auf das Recruiting bezogen erleben wir gerade eine paradoxe Situation: Hohe Arbeitslosenzahlen führen nicht zu mehr Bewerbern. Vielmehr ist die Anzahl der Bewerbungen gesunken. Die Ursache dieses Paradoxons Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel hat ihren Ursprung in einer Mismatch-Situation: Verfügbare Qualifikationen entsprechen nicht den Anforderungen der Betriebe, Zurückhaltung bei der Wechselbereitschaft sowie regionale Inflexibilität.
LEADERSNET: Wie ist es möglich, dass noch immer ein Fachkräftemangel besteht?
Wohlfahrter: Die beiden größten Herausforderungen sind – wie bereits erwähnt – die richtige Qualifikation und die Mobilität der Arbeitnehmer. Wichtig wäre es daher aus meiner Sicht, in Ausbildungen zu investieren und mehr Personen auf die konkreten Anforderungen der Betriebe hin auszubilden und somit zu qualifizieren. Zudem braucht es ein Anreizsystem für die überregionale Vermittlung.
Der Fachkräftemangel bleibt das drängendste Problem der Unternehmen – wie es uns so gut wie alle Kunden berichten. Daher wird es ohne qualifizierte Zuwanderung auch aus Drittstatten nicht gehen. Alle am Zuwanderungsprozess beteiligten Institutionen sollten daher aus meiner Sicht für einen reibungsloseren und einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt sorgen.
LEADERSNET: Was kann für die Ausbildung von Fachkräften getan werden? Wie wichtig ist die Weiterbildung?
Wohlfahrter: Es ist enorm wichtig Aufklärungsarbeit bei jungen Menschen zu leisten und die Attraktivität einer Fachkräfteausbildung – auch der dualen Ausbildung – aufzuzeigen. Lehre mit Matura, eventuell kombiniert mit einer späteren Meisterprüfung oder Fachhochschule kann mehr Job-Chancen bieten als ein Studium.
Trenkwalder hat nicht erst seit Beginn und durch die Pandemie, sondern bereits in den vergangenen Jahren in digitale Weiterbildung investiert und die digitale Lernplattform ausgebaut. Unsere Kunden haben die Möglichkeit aus aktuell über 1.000 Kursen in verschiedensten Themenfeldern zu wählen oder die für sie notwendigen Inhalte spezifisch produzieren zu lassen.
LEADERSNET: Wie ist es möglich, dass auch in praktisch stillgelegten Bereichen wie dem Gastgewerbe Arbeitskräfte fehlen?
Wohlfahrter: Da durch den Lockdown die Perspektive fehlt, wann wieder geöffnet werden kann, wechseln natürlich einige die Branche.
LEADERSNET: Welche Herausforderungen ergeben sich im Recruiting? Wie wird sich wohl das Recruiting nach einem eventuellen Ende der Pandemie abspielen?
Wohlfahrter: Home-Office und die digitale Interaktion sind wohl gekommen, um zu bleiben. Nicht nur die Arbeitnehmer, auch Recruiter und HR-Teams mussten sich im vergangenen Jahr auf immer neue Veränderungen einstellen und mit Situationen zurechtkommen. Offenheit für neue Aufgaben und Anpassungsfähigkeit sind Skills, ohne die ein Recruiter daher heute nicht mehr auskommt. Digital Recruiting wird sich weiter verstärken.
LEADERSNET: Ist die Bedeutung der Digitalisierung auch weiterhin im Zunehmen? Wie wird das spürbar?
Wohlfahrter: Die Corona-Krise zeigt, wie flexibel wir sind bzw. geworden sind. Von "heute auf jetzt" war Vieles nur mehr Online möglich. Unsere Kommunikation und Vieles mehr finden aus Sicherheitsgründen großteils digital statt. Auch unseren Geschäftsbetrieb mussten wir natürlich umstellen. Bewerbungsgespräche werden über Skype geführt, Videokonferenzen ersetzen physische Meetings. Ich gehe davon aus, dass wir viele dieser digitalen Maßnahmen beibehalten werden. Digitalisierung wird in unserem Arbeits- wie Privatleben künftig eine noch größere Rolle spielen – daher sollte Digitalisierung bereits in Volksschule am Lehrplan stehen. Wir dürfen jedoch keineswegs die Wichtigkeit der persönlichen, zwischenmenschlichen Interaktion unterschätzen.
LEADERSNET: Wo liegen derzeit die Schwerpunkte im Leistungsangebot ihres Unternehmens?
Wohlfahrter: Menschen eine berufliche Perspektive zu vermitteln, hat für uns oberste Priorität und spiegelt sich daher auch im Recruiting wider: Stichwort "Perfect-Match" zwischen Bewerbern und Unternehmen. Wir setzen alles dran, unseren Kunden hohe Flexibilität und Qualität vor allem jedoch die passenden Lösungen zu bieten. Neben Personalberatung bieten wir Arbeitskräfteüberlassung, Business Process Outsourcing oder unsere innovative Video-basierte Lernplattform "Papagei" an.
LEADERSNET: Was kann man sich darunter vorstellen?
Wohlfahrter: Diese Plattform kombiniert mehrere Ebenen: erstens die rein technische Abbildung von Inhalten, inklusive Wissenscheck beim Mitarbeiter. Zweitens die Didaktik basierend auf neurowissenschaftlichen Forschungen – Lernen mit spieltypischen Elementen beschleunigt den Erfolg deutlich. Die dritte Ebene ist der Content, entweder in über 1000 Kursen von uns bereitgestellt, wie etwa Sprachkurse, oder spezifisch für das jeweilige Unternehmen. Mitarbeiter können in das Programm auf jedem Device über eine App einsteigen. Unsere Dienstleistungen und Lösungen passen jedenfalls gut in dieses volatile Umfeld. (jw)
at.trenkwalder.com
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