Bei Amazon sollte es gerade hoch her gehen, doch seit Montag ist es an mehreren Standorten in Deutschland ungewohnt ruhig, denn viele Mitarbeiter haben mit 21. Dezember die Arbeit niedergelegt. Beginnend mit der Nachtschicht haben unzählige Mitarbeiter des Onlinehändlers an den Standorten in Werne, Leipzig, Rheinberg, Koblenz sowie an zwei Standorten in Bad Hersfeld die Arbeit niedergelegt. Der Streik soll bis einschließlich Weihnachten andauern, wie die Gewerkschaft Verdi mitteilte. Dort rechne man mit rund 1.700 Streik-Teilnehmerinnen und Teilnehmern, so Verdi. Bei Amazon selbst blieb in einer ersten Reaktion jegliche Aufregung über den X-Mas-Streik aus.
Langer Streit um Tarifvertrag und bessere Arbeitsbedingungen
Die Gewerkschaft fordert, dass Amazon den Tarifvertrag für den deutschen Einzelhandel unterzeichnet. Dies ist eine Forderung, die Verdi bereits seit Jahren vergeblich durchzusetzen versucht. Außerdem setzt sich die Gewerkschaft für tarifliche Regelungen zum Schutz der Gesundheit ein.
Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger erklärte nun, die weitgehende Schließung von Läden seit der vergangenen Woche wegen des Lockdowns in der Corona-Pandemie habe dazu geführt, dass das Bestellaufkommen bei Versandhändlern wie Amazon noch einmal deutlich gestiegen sei. Amazon verdiene sich in der aktuellen Krise "eine goldene Nase".
Unmenschlicher Druck: "Mitarbeiter an der Grenze ihrer Belastbarkeit"
Während der US-Konzern seine Milliardengewinne weiter erhöhe, "verweigert er den Beschäftigten eine tarifvertragliche Bezahlung", kritisierte die Gewerkschafterin. Stattdessen würden die Mitarbeiter "einem noch größeren Druck ausgesetzt, weil Amazon trotz der zusätzlichen Arbeitshetze Lieferversprechungen macht", wird Verdi in einer Berichterstattung des Standard zitiert, in der es weiter heißt: Dies gehe "unweigerlich auf Kosten der Gesundheit der Belegschaft, gerade jetzt unter den Bedingungen der Pandemie".
Die Amazon-Mitarbeiter würden sich bereits "an der Grenze ihrer Belastbarkeit"befinden, so Verdi Hessen. Weiters würden sich die Angestellten in diesen besonderen Zeiten von dem Unternehmen nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Verdi Nordrhein-Westfalen erklärte, dass es immer wieder Meldungen über Infektionen an den Standorten gebe. Firmenchef Jeff Bezos könne sich offenbar nicht vorstellen, "was es für die Beschäftigten bedeutet, wenn zusätzlich zum täglichen Arbeitsstress auch noch Angst um die Gesundheit hinzukommt". Andernfalls hätte er "schon lange der Unterschrift unter die Tarifverträge des Einzelhandels zugestimmt".
"Keine Auswirkung auf Kunden, kein Problem"
Wer denkt, dass das Timing dieser Aktion ideal sei und der Onlinegigant nun reagieren müsse, liegt jedoch falsch: Amazon meint, dass die Streiks keinerlei Auswirkungen auf die Belieferung der Kunden habe, und sieht generell auch keinen Handlungs- oder Veränderungsbedarf in seiner Konzernpolitik: "Der allergrößte Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet ganz normal", so der Internetriese, der von sich selbst als Arbeitgeber sagt, dass Amazon ein Umfeld biete, "in dem man gerne arbeitet, sich einbringen und erfolgreich sein kann", wie der Konzern beispielsweise vom Standard zitiert wird.
Darüber hinaus erklärt Amazon Deutschland, dass man im dort aktuell vorherrschenden Lockdown "zehntausende kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland unterstütze, indem man ihnen ermögliche, ihre Produkte online zu verkaufen, erklärte. Gerade jetzt komme "vielen Einzelhändlern und damit auch Amazon derzeit die wichtige Rolle zu, Waren für Menschen im ganzen Land nach Hause zu liefern", plädiert der Onlineriese.
Aktuell arbeiten (laut Angaben des Unternehmens, Anm. d. Red.) 16.000 Festangestellte sowie über 10.000 Saisonkräfte für Amazon Deutschland, der Einstiegsstundenlohn für Angestellte liege derzeit zwischen 11,30 und 12,70 Euro brutto, so die Angabe des immer wieder für unfaire Arbeitsbedingungen kritisierten Unternehmens. (red)
www.amazon.de
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