Leadersnet:Herr Gschwandtner, mit Jahresende legen Sie Ihr ‚Baby‘ Runtastic mit einem lachenden und einen weinenden Auge in die Hände ihre Mitgründer. Was war denn der skurrilste Moment – oder auch die skurrilsten Momente – mit Runtastic?
Florian Gschwandtner: Skurrile Situationen hat es schon einige gegeben. Eine Geschichte, die mir da gleich einfällt, war ganz zu Beginn von Runtastic, irgendwo auf der CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas. Als wir das erste Mal dort waren, hatten wir ja noch relativ wenig Plan von dem, was uns erwartet. Jeder von uns hatte sechs Koffer voller Produkte mitgenommen, damit wir einen Stand aufbauen konnten. Wir hatten so einen kleinen, unscheinbaren 3-Meter-Stand mit Roll-Up, nichts großartiges, mit einem kleinen Tisch und zwei Sesseln dabei. Und überraschenderweise standen schon am ersten Tag einfach 50 Leute bei uns Schlange. Das war total skurril, damit hatten wir absolut nicht gerechnet. Die Leute haben sich wirklich eine Stunde angestellt, nur damit sie sich unsere Produkte anschauen können und mit uns darüber reden können. Eine andere skurrile Story passierte beim Axel Springer-Verkauf. Ich hab mir mitten in einem entscheidenden Meeting das Sakko ausgezogen und bin auf den Boden und habe vor dem ganzen Vorstand 50 Liegestütze gemacht.
Leadersnet: Der Verkauf von Anteilen ist für viele Unternehmen ein heikles Thema. Was war es für ein Gefühl, beim Verkauf an Adidas, die finale Unterschrift unter den Vertrag zu setzen – gab es da je Zweifel, ob das gut gehen kann?
Florian Gschwandtner:Daran, dass es nicht funktionieren könnte, haben wir nie in Erwägung gezogen. Wir haben die potentiellen Partner davor über mehrere Monate gut kennengelernt und da haben wir schon gesehen, dass wir uns wirklich gut verstehen. Das Gefühl nach der Unterschrift war trotzdem ein bisschen surreal, aber das ging uns allen so. Es hieß, das ist jetzt der Deal, aber trotz Unterschrift mussten wir dann noch warten, weil der Vertrag noch zum Supervisory Board ging. Ich habe diese Situationen ein bisschen in meinem Buch beschrieben. Das war ein Warten wie auf Nadeln, vor allem weil sich das „Ok“ dann auch noch ein wenig verzögert hat. Als dann die „erlösende“ SMS kam, hat kurz darauf unsere Bank ganz nervös angerufen. Wir hatten nämlich nicht daran gedacht, der Bank von dem Deal schon im Vorhinein etwas zu erzählen und dann geht plötzlich dieser große Geldbetrag auf unser Konto ein und bei der Bank haben alle Alarmglocken geläutet, ob da eh alles mit rechten Dingen zugeht. In Wirklichkeit brauch man schon eine Zeitlang, um das alles zu realisieren.
Leadersnet: Das Gefühl ist wahrscheinlich vergleichbar mit dem Gewinn eines Lottosechsers …
Florian Gschwandtner: Das ist wahrscheinlich noch surrealer, weil das von einem Tag auf den anderen passiert, während in unserem Fall natürlich ein monatelanger Prozess vorausging, bis der Verkauf in trockenen Tüchern war. Ich glaube ein Lottosechser ist teilweise sogar etwas Schlimmes. Wenn man sich die Statistiken anschaut, dann haben die meisten Leute dadurch kein besseres oder schöneres Leben. Im Gegenteil, viele können nicht mit Geld umgehen, verlieren wieder alles – auch ihre Freunde – und stürzen dann irgendwann ab. Deshalb würde ich das mit unserer Situation nicht wirklich vergleichen.
Leadersnet: Inwieweit müssen Sie sich heute abgrenzen bzw. eine Art Schutzschild um sich aufbauen, damit Sie nicht dauernd angesprochen und mit Bitten belagert werden? Ist das ein großes Thema oder ist das eher entspannt?
Florian Gschwandtner: Nein, das ist total entspannt. Natürlich gab es in den letzten Wochen, nach meiner Kundmachung, dass ich mich von Runtastic zurückziehe, sehr viel mediale Aufmerksamkeit. Da bekommt man dann klarerweise auch ein paar freche Anfrage, wo Leute irgendwie Geld wollen. Aber ansonsten ist es relativ entspannt. Was es schon gibt, sind sehr viele Anfragen von Start-ups, allein über Social Media, die ich gar nicht alle beantworten kann. Viele verstehen das dann nicht, aber damit muss man leben können. Ich kann ja nicht zehn Stunden am Tag Facebook-Nachrichten beantworten.
Leadersnet: Wenn Sie mit Ende Dezember Ihren Schreibtisch räumen, was ist Ihr größtes Learning aus Runtastic?
Florian Gschwandtner: Ich glaube es sind mehrere Dinge. Schon allein die Tatsache, dass man wirklich sehr viel erreichen kann, wenngleich auch keiner daran glaubt. Ein gewisser Neid am Anfang kann schon eine sehr große Motivation sein. Das ist einmal ein großes Learning und ein anderes ist, dass, wenn man ein gutes Team ist, vor allem ein gutes Gründerteam, man unglaublich weit kommen kann. Mit dem richtigen gemeinsamen Mindset ist nicht jede kleine Panne gleich eine schlimme Niederlage, sondern ein Learning. Ich glaube wirklich felsenfest an das Team, und wir sind jetzt zehn Jahre zusammen und sind sehr gute Freunde. Wir haben gemeinsame Interessen und unternehmen auch viel gemeinsam. Das ist wirklich eine schöne Geschichte. Das ist natürlich sehr selten, aber das ist auch mit einer der Gründe unseres Erfolges, dass es so lange und so gut funktioniert hat und in Zukunft auch ohne mich gut funktionieren wird.
Leadersnet: Von der Geschäftsidee bis zum erfolgreichen Unternehmen ist es ein langer, steiniger Weg. Haben Sie einen Tipp an Leute mit einer coolen Idee, die daran denken ein Start-up zu gründen? Worauf sollte man gerade am Anfang am meisten achten?
Florian Gschwandtner: Egal, um welch tolle Idee es sich auch handelt, die Idee ist meiner Meinung nach nur fünf bis zehn Prozent wert. Denn wir alle haben coole Ideen, ich habe jetzt auch schon wieder zehn coole Ideen, aber es ist die Ausführung, die Umsetzung, die die Idee und damit ein Start-up schlussendlich zum Erfolg macht. Die Idee ist also tatsächlich nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen und wenn man sich junge Unternehmen anschaut, dann hat sich da meist von der Ursprungsidee vieles geändert. Auch wir hatten anfangs Ideen, die nicht funktioniert haben, die wir eben ändern mussten. Das haben wir dann intuitiv auch gemacht. Die Umsetzung der Idee ist ganz, ganz wichtig – noch wichtiger als die Idee selbst, möchte ich fast sagen.
Leadersnet: Abschließend würde uns noch interessieren, an wie vielen Start-ups Sie mittlerweile beteiligt sind und wie stark Sie sich da auch persönlich einbringen?
Florian Gschwandtner:Ich weiß es gar nicht so genau, aber ich würde meinen, es sind um die zehn Start-ups. Wahrscheinlich werden noch ein paar hinzukommen. Das was ich investiere, ist Smartmoney. Das heißt es ist nicht nur Geld, sondern auch speziell mein Netzwerk, mein Know-how und meine Erfahrung, die ich einbringe. Deshalb ist mein Involvement auch aktiv. Da gibt es Quartalmeetings und es geht ja oft auch darum, die richtigen Fragen zu stellen und da bringe ich mich dann schon ein.
Leadersnet: Sie haben gesagt, dass Sie jetzt ganz bewusst den Plan haben, keinen Plan zu haben. Als Eigentümer und Geschäftsführer stellt man sich das schwer vor, inwieweit denken Sie, ist das durchführbar?
Florian Gschwandtner: Ich glaube sehr stark daran und es ist auch mein großes Ziel das so zu machen. Die Frage ist nur, wie lange es durchhaltbar ist. Ich hoffe, dass es ein paar Monate lang funktioniert. Ich habe einen großen Respekt vor dem Nichtstun. Das kenne ich so nicht und das wird wirklich ganz anders. Da müssen wir und vielleicht nochmal im Frühjahr unterhalten, ob das dann nun eine gute Geschichte war oder nicht.