Joachim Feher ist seit einem Jahr RMS Austria-Geschäftsführer. LEADERSNET hat Feher zu einem Interview getroffen und sich mit ihm darüber unterhalten, warum RMS das Erfolgsmodell schlechthin in der Vermarktung österreichischer Medien ist, warum es in Zukunft nicht mehr "Mobile First" sondern "Voice First" heißen wird und welche Pläne er für die RMS Austria hat.
LEADERSNET: Heuer ist ein ganz besonderes Jahr: 20 Jahre Privatradio und damit auch 20 Jahre RMS. In den letzten 20 Jahren hat sich das Medienbusiness stark verändert. Was ist Ihr Resümee, wenn Sie auf diese zwei Jahrzehnte zurückblicken?
Feher: Dass alle Privatradios damals gesagt haben, dass sie eine einheitliche Vermarktung brauchen, war sicherlich eines der intelligentesten Dinge, die man tun konnte. Es war auch sehr intelligent, nicht zu versuchen, das selber zu machen, sondern sich auf Fachleute zu verlassen, die das bereits in Deutschland gemacht hatten, weil sie das Know-how und bewährte Systeme relativ kostengünstig zu uns gebracht haben. Meine Bewunderung dafür, wie robust man das von Anfang an aufgestellt hat, ist sehr groß. In diesen 20 Jahren ist de facto jeder Privatsender zur RMS gekommen und alle profitieren extrem von uns. Das Ganze funktioniert auch vergleichsweise friktionsfrei und damit haben Österreichs Privatradios etwas geschaffen, was es beispielsweise im Print-Sektor nie gegeben hat. Die RMS ist das Erfolgsmodell in der Vermarktung österreichischer Medien.
LEADERSNET: Als die Privatradios gestartet sind, hat es eine große Aufbruchstimmung gegeben, die sich auch in der unterschiedlichen Musikauswahl der Sender niedergeschlagen hat. Heute ist es jedoch so, dass sich diesbezüglich alle sehr stark angeglichen haben. Gäbe es hier nicht das Potential der einzelnen Sender etwas mutiger in der inhaltlichen Ausrichtung zu sein und sich beispielsweise auf ein bestimmtes Genre wie Rock oder Schlager festzulegen?
Feher: Ich glaube, dass die Strukturen für das Privatradio hier in Österreich nicht wirklich geeignet sind, um Sparten zu bedienen. Österreich ist ein relativ kleines Land und durch die Fragmentierung der Lizenzen in regionale und lokale Räume zwingt das de facto jeden dazu, Mainstream zu machen, damit er eine kritische Masse erreicht. Das ändert sich jetzt extrem stark durch die Digitalisierung. Erstens kommen mit DAB+ neue nationale Sender und im Onlinebereich braucht es erstens keine Lizenzen für österreichweites oder globales Radio und man kann damit die Nischen besser bedienen. Wenn man ein österreichweites oder gar europaweites Rockradio macht, dann ist das ganz was anderes und man kann das auch besser monetarisieren, als wenn man z. B. nur eine Lizenz für den Raum Salzburg hat. Die vergangenen 20 Jahre haben zu einer Konsolidierung geführt. Wir haben heute eine relative stabile Landschaft im UKW-Bereich. Interessant wird aber sein, wie sich Radio im ganzen Audio Ecosystem – egal ob digitaler oder analoger Broadcast oder non-lineare Angebote – entwickelt. Es gibt praktisch einen intensiven Kampf um den Share im Ohr und Radio liegt in seiner ganzen Vielfalt derzeit stabil immer noch bei beachtlichen 70 bis 80 Prozent.
LEADERSNET: Wir haben im Vergleich zu anderen Ländern auch im Printbereich eine sehr hohe Nutzungstreue in Österreich. Warum glauben Sie, ist das so?
Feher: Ehrlich gesagt herrscht im Radiobereich gar kein so großer Unterschied zu anderen Ländern. Wir hatten vor ein paar Wochen die Radiodays Europe hier in Wien. Dort wurde gesagt, dass noch nie so viel und so lange Radio gehört wurde wie heute. Auch in den USA hat Radio die höchste Tagesreichweite von allen Mediengattungen. Das ist in ganz vielen Ländern so und hat die unterschiedlichsten Ursachen. Erstens hat es das Radio extrem gut geschafft, generationsübergreifend relevant zu sein. Radio ist für 17-jährige genauso ein Thema wie für 64-jährige. Sehr viele Leute stehen nach wie vor in der Früh auf und schalten als erstes das Radio ein, um zu hören, ob die Welt noch steht. Diese gesicherte Information, dass man kuratierte Nachrichten hört, wo man sich sicher sein kann, dass es keine Fake-News sind, das gewinnt an Bedeutung. Die Kombination aus Information und Service, macht auch das lokale Erfolgsmoment aus. Die Leute wollen beispielsweise wissen, ob es auf dem Weg in ihre Arbeit einen Stau geben wird.
LEADERNET: Ist das der Vorteil, den Radio beispielsweise gegenüber Musikstreamingdiensten hat?
Feher: Ja, das ist richtig. Wahrscheinlich wird man zu 70 Prozent den Radiosender wählen, der dem eigenen Musikgeschmack entspricht, aber für die restlichen 30 Prozent sind andere Faktoren, wie die zuvor genannten, ausschlaggebend. Das sind dann 30 Prozent Vorteil, den Radio gegenüber Spotify und Co. hat. Ein weiterer wichtiger Punkt für den anhaltenden Erfolg des Radios ist die Mobilität. Radio ist das mobilste Medium von allen. Deshalb hat es schon immer die größte Außer-Haus-Nutzung gehabt – sei es mittels Autoradio oder mittlerweile auch via Smartphone. Wir als Radiosender müssen es deshalb schaffen, dass die Leute weiter Radio hören und nicht einen Musikstreaming-Dienst. Hier bringt die Digitalisierung natürlich große Chancen. Auch wenn der lineare Bereich eines Programmsenders noch eine lange Zeit sein Rückgrat bilden wird, müssen natürlich auch die verschiedenen Web-Radios bespielt werden. Dazu kommen Podcasts und viele andere Dinge, die wir heute noch gar nicht kennen. Das alles führt dazu, dass sich Radio auch nach 100 Jahren noch immer extrem robust zeigt. Es wurde weder vom Kino, noch vom Fernsehen, noch vom Internet verdrängt. Es hat dieses eine Asset, das kein anderes Medium hat: Es ist ein Nebenbei-Medium.
LEADERSNET: Wann wird eigentlich das digitale Autoradio, für das es bereits einen Testlauf gab, umgesetzt?
Feher: Wir haben jetzt in Wien DAB+ in Regelbetrieb. Das wird in absehbarer Zeit auch österreichweit starten, damit gibt es mehr Platz, wieder mehr Frequenzen und mehr Vielfalt. Doch es steht auch schon der nächste Schritt vor der Tür. 5G Mobilfunk ist nämlich in der Lage auch Rundfunk zu verbreiten – nicht nur im Streaming-Bereich, sondern es ist tatsächlich dafür geeignet Rundfunk von einem großen Sender an alle Geräte zu verbreiten. Das wird sicher immens geil, da damit praktisch automatisch die Rückkanalfähigkeit gegeben ist.
LEADERSNET: Österreich-Chef Wolfgang Fellner möchte jetzt das zweite nationale Privatradio starten. Wie groß sehen Sie die Chancen, dass das auch gelingen wird?
Feher: Ich freue mich über alles, was das Privatradio stärkt – egal ob es neue Verbreitungswege, neue Sender oder neue Lizenzräume sind. Alles was uns mehr Hörer bringt, ist uns herzlich willkommen.
LEADERSNET: Abgesehen von 5G, wohin wird die Reise für Radio in Zukunft gehen?
Feher: Ich glaube einmal auf der einen Seite sehr stark daran, dass es in Zukunft nicht mehr "Mobile First" sondern "Voice First" heißen wird. Es gibt immer mehr Zero-Screen-Devices und Alexa und Co. haben mit der Spracheingabe gegenüber allen anderen Eingabemethoden wahnsinnig viele Vorteile. Wir können fünfmal so schnell sprechen, wie wir schreiben können. Zudem gibt es hier auch kein Generationenproblem, da so ein Gerät jeder intuitiv bedienen kann. Damit sind wir grundsätzlich schon in dem Kanal, der Radio ausmacht. In diesem Zusammenhang sind das Know-how und der Wissensvorsprung, den Radiomacher haben, nicht zu unterschätzen. Denn sie wissen, wie man über das Ohr ins Gehirn und in das Herz der Menschen kommt und dort auch bleibt. Daher bin ich auch überzeugt, dass wir am Beginn eines zweiten goldenen Audiozeitalters stehen und das bringt natürlich viele Vorteile für das Radio. Was in diesem Zusammenhang kritisch zu hinterfragen ist, ist das Thema Steuerung und Empfehlung, das sich durch die VoiceControl-Technologie ändern wird. Derzeit ist es ja bei Google schon so, dass die meisten Menschen sich nur die Suchergebnisse der ersten Seite anschauen. Das sind aber zumindestens zwölf Empfehlungen, wenn ich aber beispielsweise Alexa oder Siri frage, wo ich heute mein Essen bestellen soll, dann wird sie nur eine Empfehlung geben und nicht zwölf und wie diese zustande kommt, ist dann kritisch zu hinterfragen. Ich glaube wir müssen sehr rasch die Gatekeeper Funktion, die die großen globalen Player haben, kritisch hinterfragen.
LEADERSNET: Wie kann man dem entgegentreten?
Feher: Konsequent durchgedacht bedeutet das, dass Unternehmen wieder viel mehr in Markenpflege investieren müssen, damit die Leute wieder konsequent sagen, ich möchte die Marke A, damit Alexa dann auch die Marke A bestellt. Das ist eigentlich eine ganz fantastische Zukunftsaussicht für alle klassischen Medien. Es wird zu einer noch größeren Renaissance von Reichweite führen. Wir können aber aufgrund der Digitalisierung und der neuen Verbreitungswege auch in den weiteren Steps der Costumer Journey eine Rolle spielen, weil wir etwa im Streamingbereich super targeten können. Radiosender sind prädestiniert dafür, ganz viel über ihre Hörer zu wissen. Die Hörer geben gerne ihre Daten preis. Kein anderes Medium ist so erfolgreich in der Mobilisierung seiner Konsumenten bei Gewinnspielen und Events vor Ort. Das gibt uns die Chance beispielsweise in Evaluierungs- und Triggerphasen eine große Rolle zu spielen. Wir kennen bereits interaktive Prototypen. Hören hat ja keinen Klick-Button, also muss man das anders lösen und zwar mit VoiceControl. Das bedeutet, dass wir in zwei Jahren mit unseren Radiospots reden werden können, indem man beispielsweise sagt "Navigiere mich zur nächsten Filiale" oder "Setze mir das Produkt auf die Einkaufsliste".
LEADERSNET: Abschließend noch eine Frage zu Ihrer Person. Sie sind seit einem Jahr Geschäftsführer der RMS. Wie lautet Ihr Resümee nach zwölf Monaten in dieser Position und was haben Sie für 2018 noch geplant?
Feher: Ich habe meine Aufgabe bei der RMS immer so verstanden, dass ich all das, was ganz hervorragend funktioniert, hege und sanft weiterentwickle. Die RMS ist in den Augen vieler Agenturen und vieler Werbetreibender der Liebling. Dieses Asset möchte gilt es zu hegen, zu pflegen und auszubauen. Darüber hinaus versuche ich mich, mit meinem Know-how aus dem Agenturbereich, in vielen Detailbereichen einzubringen und da und dort feinziseliert Optimierungen vorzunehmen. Der dritte große Punkt ist die digitale Transformation. Da befinden wir uns auf einem guten Weg und haben viele Projekte laufen. Wir sind seit Kurzem programmatisch buchbar und wir erweitern konsequent unser Portfolio. Unser Inventar hat sich in einem Jahr verdoppelt und wächst dynamisch weiter. Es geht mir viertens aber auch sehr stark darum, das Medium Radio und die Radiowerbung zu entstauben. Da haben wir schon erste Schritte getan, aber da kann man gar nicht genug tun. Radio hatte bei vielen in der Werbebranche gefühlt schon seit langer Zeit kaum eine wirkliche Neuigkeit zu vermelden und auch kaum eine Story zu erzählen. Das ändern wir und zeigen auf, dass sich die spannenden Themen nicht nur rund um Digital Display und Video drehen.
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