„Sich in der Werbung nicht mit Artificial Intelligence zu befassen, ist grob fahrlässig“, leitete Tunnel23-Geschäftsführer Michael Katzlberger in das zweite iab austria Impulse-Event des Jahres ein. Bereits heute hat jeder im Alltag mit ihr zu tun und künftig wird sie die wesentliche Grundlage für die Entwicklung neuer Technologien sein. Als konkrete Beispiele für bereits existierende Anwendungen führte Katzlberger die Gesichtserkennung bei Facebook, Empfehlungen bei Amazon und Netflix oder die Spracherkennung von Siri, Alexa und Co. an.
Nach Mobile kommt Artificial Intelligence, um die Werbung zu verändern
Für die Werbebranche werde künstliche Intelligenz der nächste große Schritt nach Mobile sein, der den Markt grundlegend verändern werde, blickte der Agenturchef in die nahe Zukunft: „Bereits jetzt setzen Unternehmen wie Starbucks oder Bud Light in ihren Apps auf Spracherkennung, um die Interaktion mit den Konsumenten zu vereinfachen und individuelle Werbebotschaften auszuspielen.“ Mit bereits bestehenden Apps könnten aus Gesichtszügen bereits Stimmungen ausgelesen werden, um menschliche Emotionen zu interpretieren und darauf zu reagieren. Hohes Potenzial in der Kundenkommunikation sehe er im IBM Watson-System, das Kundendialoge ausliest und ebenfalls Emotionen erkennt und somit auf die Gefühlslage des Kunden eingehen kann.
In Österreich möchte Katzlberger noch heuer die erste auf künstlicher Intelligenz beruhende Kampagne in der digitalen Außenwerbung einsetzen. Die strengen Datenschutzrichtlinien in Europa sieht er momentan noch als problematisch für den Einsatz in Kampagnen im öffentlichen Raum, da die Technologien Aufzeichnungen nutzen, um automatisiert ihr Wissen zu erweitern. Zudem stellen sich auch moralische Fragen, wie weit künstliche Intelligenz gehen darf. Trotz aller noch offenen Fragen ist Artificial Intelligence für Katzlberger „die wichtigste Erfindung der Menschheit – noch vor dem Feuer und dem Auto.“
Selbstdenkende Maschinen
Xephor Solutions-CEO Isabell Kunst arbeitet an einer Maschine, die denken und auf unvorhergesehene Situationen selbstständig reagieren kann. Ihr System entstand aus dem Einsatz im Risikomanagement von Banken, wofür mehrere neuronale Netze gemeinsam eingesetzt wurden, um das menschliche Hirn abzubilden. Neben der Finanzindustrie kommen die Systeme von Xephor Solutions auch in der Diagnostik und im Gesundheitsbereich beispielsweise zur Früherkennung von Prostatakrebs zur Anwendung: „Der Computer kann mehr sehen als der Mensch und blickt bis in jedes Pixel hinein“, erzählte Kunst aus der Praxis. Weitere Möglichkeiten ergeben sich in der Verwaltung von Patientenakten und in der automatisierten Abrechnung mit Krankenkassen.
Bei Xephor Solutions wird auch die eigene Firewall von der künstlichen Intelligenz gesteuert, die selbstdenkend auf Angriffe reagieren und Lösungen erschaffen kann. Im Marketingbereich berücksichtigt ihr System Parameter wie das Wetter, weltweite Ereignisse, Konkurrenzaktivitäten, Mediadaten oder Produktspezifika, um Lösungen vorzuschlagen. „In der Anfangsphase ist das System wie jeder Mensch von guten Lehrern abhängig, um zu wissen, was es leisten soll. Nach einer gewissen Zeit arbeitet es vollkommen autark und kann sogar die E-Mails intelligent beantworten“, so Kunst.
Wie die industrielle Revolution
TheVentury-Mitgründer Jakob Reiter hat Europas ersten Bot Accelerator gegründet und holt Start-ups nach Österreich, um Wien zum globalen Hot-Spot für Bots zu machen. Schon heute belegt die Bundeshauptstadt einen internationalen Spitzenplatz in der Entwicklung von Bots und gewinnt international an Bedeutung. „Heute sind mehr User in Messaging-Plattformen als auf Social Media unterwegs“, zeigte er die Bedeutung der User-Kommunikation und damit das Erfolgsgeheimnis erfolgreicher Marketingstrategien auf. Facebook lasse seit einem Jahr die Weiterleitung von Nachrichten an Bots zu, wodurch Kundenanfragen automatisiert und in Sekundenbruchteilen beantwortet werden könnten. Reiter: „Chatbots geben uns die Möglichkeit, bei unseren Kunden zu sein und direkt mit ihnen zu sprechen.“
Reiter vergleicht den Vormarsch der künstlichen Intelligenz mit der industriellen Revolution im viktorianischen Zeitalter mit allen ihren Revolutionen durch die Veränderung der Arbeitswelt. 183 Berufe werden laut einer Oxford-Studie mit über 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit von Maschinen übernommen werden. In dieser Veränderung sieht Reiter gesellschaftliche Chancen: „Menschliches Wissen wird durch die Zusammenarbeit mit Maschinen gestärkt werden. Die kognitive kreative Fähigkeit des Menschen wird gefördert, während der Routinebetrieb von der Maschine übernommen werden wird.“
Den aktuellen Status künstlicher Intelligenz verglich er mit dem Wissen von Kleinkindern: „Sie versteht, was sie hört und sieht. Die Entwicklung geht dann sehr schnell, wenn sie dem Kleinkindalter entwächst.“ Abschließend riet Reiter Unternehmen, jetzt in der Aufbruchsphase der künstlichen Intelligenz zu experimentieren, solange noch Fehler erlaubt seien: „In drei Jahren wird niemand mehr einem Chatbot Fehler verzeihen.“
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