Rund 800 niederösterreichische Versicherungsmakler arbeiten kompetent, kundenorientiert und unabhängig. Das Image hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Im leadersnet.at Interview spricht Andreas Büttner, Obmann-Stv. Fachgruppe Versicherungsmakler WK NÖ, über die Veränderungen des Berufsstandes, neue technische Möglichkeiten und Big-Data-Ansätze.
leadersnet.at: Wie hat sich der Berufsstand Versicherungsmakler in den letzten zehn Jahren verändert?
Büttner: Einerseits sind die bürokratischen Hürden höher geworden, andererseits entlastet sich die Versicherungswirtschaft zusehends auf Kosten der selbständigen Vermittler, indem sie immer mehr Aufwand auf den Makler verschiebt. Insofern haben sich die kaufmännischen Rahmendaten zum Nachteil des Versicherungsmaklers sehr einseitig verschoben. In einer Zeit, in der Makler in ihre technische Infrastruktur investieren müssen, um neuen Markteinflüssen zu begegnen, kann dies zu einem existenzbedrohlichen Umfeld werden.
leadersnet.at: Stimmt die Aussage "der Versicherungsmakler ist der Navigator im Versicherungsdschungel" auch im Zeitalter des Internets noch immer?
Büttner: Der Kunde hat heute viel mehr Möglichkeiten, sich direkt zu informieren. Informationen ohne Erfahrung fehlt aber der Bewertungsmasstab, insofern ein klares: Ja. Der Versicherungsmakler wird dringender benötigt denn je. Das Problem ist allerdings, dass dieser heute erheblich qualifizierter arbeiten und den Kunden erst überzeugen muss, dass dieser ihn tatsächlich benötigt. Auch das erhöht natürlich den Aufwand des Maklers wesentlich.
leadersnet.at: War der Versicherungsmakler früher sehr verkaufsgetrieben, so ist er heute der EDV-unterstützte Berater. Sind die technischen Möglichkeiten Fluch oder Segen für den Versicherungsmakler?
Büttner: Manche Makler leben oft in der Illusion einer freien Entscheidung bezüglich ihrer technischen Ausstattung. In Wahrheit hat der Makler nur die Wahl, ob er seinen Kunden moderne Services bietet oder ob er dies seinem Wettbewerb überlässt. Ob es Fluch oder Segen ist, hängt letztlich an dieser Entscheidung. Makler, die sich für moderne, technologisch gestützte Services entschieden haben, sind in der Regel sehr zufrieden. Sie gewinnen neue Kunden und reduzieren ihre Arbeitslast.
leadersnet.at: Können Onlineportale wie durchblicker.at das Geschäft des Versicherungsmaklers gefährden?
Büttner: Sie führen zu mehr Transparenz im Versicherungsmarkt. Es gibt eine direkte Korrelation zwischen dem Informationsvorsprung eines Verkäufers und seiner Marge. Das heißt: Je mehr die Kunden auf anderen Wegen erfahren, desto mehr schränkt dies die Beeinflussungsmöglichkeiten des Verkäufers ein. Das drückt seinen Verdienst. Hoch qualifizierte Versicherungsmakler sind sicherlich nicht gefährdet, aber auch ihr Aufwand erhöht sich. Darin liegt bereits eine Gefährdung.
In Österreich erscheint uns der Effekt des Durchblickers nicht so gewaltig, weil hier die Blockade der Versicherer funktioniert. Das Portal erhält keinen gleichwertigen Marktzugang. In Deutschland ist die Zahl der Versicherer hingegen erheblich größer. Entsprechend finden Portale mehr Möglichkeiten, den Markt für sich zu nutzen. Das Münchener Portal Check24 ist mittlerweile zum größten Privatkunden-Versicherungsmakler Europas aufgestiegen. Das raubt dem klassischen Makler schon Marktanteile. Ich rate jedoch dazu, sich nicht allzu sehr auf die Onlineportale zu konzentrieren. Ihr Weg zum Kunden ist immer noch passiv. Sie sind darauf angewiesen, durch Werbung auf sich aufmerksam zu machen und den Kunden zu animieren, sie ihrerseits im Internet zu besuchen. Dieser Weg droht sich umzudrehen, wo es Anbietern gelingt, sich direkt auf den Devices ihrer Kunden - beispielsweise dem Smartphone - zu platzieren. Dies ermöglicht, die Lebensgewohnheiten des Kunden auszuforschen und den Kunden aktiv im Bedarfsfall anzusprechen. Diese Entwicklung wird klassisch arbeitende Versicherungsmakler schon sehr bald massiv bedrohen.
leadersnet.at: Darf man sich aufgrund der Möglichkeiten der Digitalisierung auf die Zukunft des Berufsstandes Versicherungsmakler freuen oder muss man diese mit Respekt erwarten?
Büttner: Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Wer sich an die Spitze eines Trends setzt, kann die Richtung mitgestalten und von der Entwicklung profitieren. In unserem Berufsstand, wo das Sicherheitsdenken einen gewissen Konservativismus fördert, wollen aber viele nicht wahrhaben, dass die Welt sich dreht. Das hindert die Welt aber nicht daran, sich weiterzudrehen. Entsprechend viele Opfer wird es kosten. Ich habe deshalb großen Respekt vor der Entwicklung, auch wenn ich versuche den Maklern von Arisecur bestmögliche Chancen zu eröffnen.
leadersnet.at: Wie viel Mensch und wie viel IT benötigt das Maklergeschäft im Versicherungswesen?
Büttner: Es gibt dazu eine Studie von Deloitte zusammen mit der Oxford-University. Das Ergebnis ist für unsere Branche verheerend. Im Innendienst erwischt es in den nächsten zwei Dekaden fast alle Mitarbeiter. Versicherungsunternehmen werden den heutigen menschenleeren Fabriken ähneln, in denen computergesteuerte Maschinen arbeiten. Man darf nicht vergessen, dass Versicherungen ein virtuelles Produkt sind. Um Sicherheit herzustellen, benötigt es keiner materiellen Produktion. Es gibt aber einen Lichtblick für den Versicherungsmakler. Hier zeigt die Studie das rund 40% der Versicherungsmakler auch in zwei Jahren noch ihr Einkommen finden können. Mein Ziel für Arisecur ist es, dafür zu sorgen, dass sich diese 40% vor allem aus unseren Partnern rekrutieren.
leadersnet.at: Hat man früher gesagt „Content ist King“, so ist heute das Wissen rund um vernetzte Daten der Wettbewerbsvorteil. Haben sich die Möglichkeiten der Datenvernetzung im Versicherungswesen bereits ausgewirkt?
Büttner: Der deutschsprachige Raum ist da sehr hinterher, im amerikanischen gibt es bereits Produkte, die über Big Data-Ansätze die Risiken eines Kunden einschätzen und tarifieren. Die Ergebnisse zeigen, dass algorithmen-basierte Auswertungen der social-media-Kommunikation eines Kunden zu überlegenen Kalkulationen führt. Die Jahrzehnte währende Erfahrung unserer Risikoprüfer und Underwriter scheint mehr auf Dogmen zu beruhen, denn auf faktischer Belastbarkeit. Die Mühlen mahlen langsam bei uns, aber es steht uns sicherlich noch einiges bevor.
leadersnet.at: Die WKNÖ Versicherungsmakler positionieren sich mit dem Slogan „Richtig versichert?“. Unter welchem Umständen ist man richtig versichert?
Büttner: Als Versicherungsmakler sind wir naturgemäß Zahlenmenschen. Wir neigen dazu, solche Dinge mathematisch, juristisch, analytisch zu betrachten und dann treten wir oft als Missionare auf. Ich sehe das etwas anders. Sicherheit ist ein Gefühl: Ein Kunde ist dann richtig versichert, wenn es sich für ihn gut anfühlt. Als Versicherungsmakler sollten wir uns daher auf Education-Marketing konzentrieren. Das heißt unsere Beratung sollte darauf abzielen, dem Kunden die richtigen Grundlagen für seine Entscheidung zu vermitteln. Dann kommt es aber darauf an, sich voll auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu konzentrieren und ihm Raum zu lassen. Ich muss allerdings zugeben, dass mir das selbst viel zu selten gelingt. Am Ende bin auch ich viel zu oft eher Missionar als Zuhörer und Beistandsleister.
www.noe-versicherungsmakler.at