„Viele Branchen benötigen Reglementierungen und Strukturen“

Denkconsult-Chef Schediwy im Interview über sein neues Unternehmen, eingefahrene Management-Muster und die Macht des „Schwarms“.

Werner Schediwy, ehemaliger Leiter Marketinging Privat- und Firmenkunden der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, hat sich 2014 mit seiner Firma Denkconsult selbstständig gemacht. Gegründet hat er das Unternehmen „als Antwort und Statement zu den gängigen unternehmerischen und managementtheoretischen Anforderungen“. Wie er das anstellen möchte, erzählt er im Gespräch mit leadersnet.at.

leadersnet.at: Was stört Sie denn an den gängigen unternehmerischen und managementtheoretischen Anforderungen?

Schediwy: Noch immer werden viele Unternehmen nach der klassischen tailoristischen Managementphilosophie, nach dem Prinzip der prozessgesteuerten Optimierung von Arbeit, geführt. Natürlich möchte ich an dieser Stelle nicht pauschalieren, aber zumindest wach rütteln. Speziell in Mitteleuropa bewegen sich viele Branchen nur dann, wenn etwa Fintech-Unternehmen den Kuchen im Zahlungsverkehr etablierter Banken spürbar anknabbern oder sich die Uhrenmanufakturen in der Schweiz einem nahezu monopolistischen Lieferanten ausgeliefert sehen. Wenn also der Leidensdruck derart groß wird beginnt das Management entweder, mit eisernen Sparambitionen die letzten Enthusiasten aus dem Unternehmen zu verdrängen oder aber sie erkennen die Notwendigkeit zur Veränderung und setzen auf eine verordnete Innovations- und Kreativitätsoffensive. Beide Methoden helfen in der Regel, den Untergang zu verzögern, aber nicht zu verhindern.

leadersnet.at: Wie möchten Sie das konkret ändern?

Schediwy: Mein Ansatz ist es, die scheinbar gegensätzlichen Entwicklungen von Innovation, Profitabilität und Nachhaltigkeit durch Einsatz individueller Werkzeuge und Sichtweisen in einen kausalen Zusammenhang zu bringen. Wir erhöhen im Zeitalter des Wissensmanagements die Substanz des Marken- und Unternehmenswertes durch alternative Denkformen und das führt bei Unternehmen zu nachhaltigen Ertragssteigerungen.

leadersnet.at: Sie waren viele Jahre im Finanzbereich in Österreich und Deutschland tätig. Sehen Sie die Veränderungen der Gesellschaft durch die digitale Revolution tatsächlich als Gefährdungspotenzial für Banken und Versicherungen?

Schediwy: Angekündigte Revolutionen finden in der Regel nicht statt. Aber die soziologischen Veränderungen durch eine integrative Digitalisierung haben bereits Diktaturen in wenigen Monaten zu Fall gebracht. Doch genau darauf liegt auch in der ökonomischen Betrachtung noch zu wenig Augenmerk: Es geht nicht nur um den Sturz eines Regimes oder um die Macht des „Schwarms“ in der Geldbeschaffung (Anm. d. Red.: Crowdfunding). Wir sollten uns hier die Frage stellen, wie es danach weiter geht. Können neue digitale Angebote tatsächlich den Wirtschaftskreislauf bedienen bzw. in Schwung halten? Oder sogar beschleunigen? Viele Branchen benötigen Reglementierungen und Strukturen, um vertrauensbildend und nachhaltig kompetent zu funktionieren.

leadersnet.at: In der Regel freuen sich Unternehmen über zusätzliche Reglementierungen aber nicht besonders.

Schediwy: Weil viele Unternehmen, Einrichtungen und Institute derzeit noch immer keinen Veränderungsbedarf sehen. Noch zählt in vielen Dienstleistungsbereichen der „Gesamteindruck“ des Kunden, die Einschätzung des Beraters, der hinter das gesprochene Wort blicken und Kundenverhalten einzigartig interpretieren kann. Durch Stimmungsanalysen mit Hilfe des Gesichts-Scans, durch biometrische Sensoren in Uhren, Smartphones oder Schmuckstücken oder durch eine psychoanalytische Auswertung ihres Antwortverhaltens lassen sich bereits heute subjektive Einschätzungen von Beratern wesentlich effizienter und genauer einsetzen. Genau deshalb sollte jedes Unternehmen sich immer und jederzeit mit Alternativen beschäftigen.

leadersnet.at: Ist eine Alternative aber nicht oft nur die zweitbeste Lösung?

Schediwy: Diesen Denkansatz versuche ich schon seit vielen Jahren zu vermeiden. Nur in der Offenheit eines breiten Denkmodells, in dem Sie Alternativen nicht verdrängen wollen, sondern sich mit diesen auseinandersetzen, von ihnen lernen und damit auch letztendlich ihren eingeschlagenen Weg fast automatisch adaptieren, werden Sie wesentlich flexibler digitalen Innovationen, sozialen Veränderungen und neuen wissensbasierten Unternehmenswerten gegenüberstehen. In der Praxis erlebe ich bei vielen Managern immer wieder das Phänomen der Beharrlichkeit betreffend eines eingeschlagenen Weges oder Entscheidung. Viele vermeiden es regelrecht auch einmal nach links oder rechts blicken zu wollen. Aber die Alternative ist nicht das schlechtere Original. Es bestätigt oder korrigiert oftmals unsere Entscheidungen, bevor es Mitbewerber machen. Denn dann wird es wesentlich teurer für das eigene Unternehmen oder führt im schlimmsten Fall sogar zum Untergang.

leadersnet.at: Wie wollen Sie diese Beharrlichkeit aufbrechen?

Schediwy: Natürlich kann man hier nie generalisieren. Was für den einen Unternehmer zutrifft kann für ein anderes Unternehmen der völlig falsche Ansatz sein. Aber Innovationen und Veränderungen müssen sich derzeit alle Unternehmen stellen. Ich habe deshalb einen dualistischen Consultingansatz entwickelt, der auf Basis meiner Erfahrungen entstanden ist. Ich begleite Manager und Unternehmerpersönlichkeiten über mehrere Monate und auch Jahre sehr persönlich und direkt. Zusätzlich entwickeln wir auf Basis der gemeinsamen Arbeit innovative Projekte in den Bereichen der Unternehmenskultur, Markenführung, analytisches CRM oder neuen Vertriebs- und Produktansätzen, die ich dann teilweise als Projektleiter begleite.

leadersnet.at: Welche Rolle spielt der Kunde in diesem Gefüge?

Schediwy: Der Kunde bekommt scheinbar immer mehr Macht. Die Crowd sagt, wo es lang geht. Mobile Devices eröffnen uns virtuelle Shopping-Malls ungeahnten Ausmaßes. Doch letztendlich wird diese basisdemokratische Bewegung durch ausgeklügelte analytische Verhaltens-Scorings der Unternehmen in winzige Teile zerlegt, um auf Basis der digitalen Fußabdrücke immer individuellere Kundenangebote zu entwickeln. Womit wir nun wieder zum Anfang zurückkehren und die neuen Herausforderungen an das Management im Umgang mit ihren Kunden und sich selbst ansprechen müssten. Kurz gesagt: der Beziehungsfaktor spielt eine immer größere Rolle. Es ist die Beziehung zu den Kunden, genauso wie zu den Mitarbeitern. Aber eben auch zu sich selbst. Quasi die Antistrategie zum Burn-Out.

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