LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Mendel, zuletzt war das Investmentgeschehen (nicht nur) am heimischen Immobilienmarkt von Vorsicht und Zurückhaltung geprägt. Wie hat sich das auf die Geschäfte der EHL Investment Consulting ausgewirkt?
Markus Mendel: Das hohe Zinsniveau, die getrübten Konjunkturaussichten und die Zurückhaltung der Banken bei neuen Finanzierungen sind die Ursache für die starke Zurückhaltung und Vorsicht auf Investorenseite. Das hat sich natürlich dämpfend auf das Transaktionsvolumen insgesamt ausgewirkt und damit selbstverständlich auch auf uns.
Durch unsere starke Kundenbindung, das hervorragende Team und die exzellente Vernetzung ist es uns jedoch vergleichsweise sehr gut gelungen, auch in einem herausfordernden Marktumfeld einige bemerkenswerte Transaktionen umzusetzen und erfolgreich abzuwickeln. Prominente Beispiele wie den "City Tower Wien" mit über 150 Millionen Euro Transaktionsvolumen konnte man der Presse entnehmen (Anm. d. R. LEADERSNET berichtete), allerdings sind natürlich auch viele der zuletzt geglückten Transaktionen ohne jegliche Öffentlichkeitswirksamkeit vonstattengegangen. In Summe sind wir deshalb zufrieden, wobei wir natürlich immer noch weit hinter den Rekordzahlen 2020 bis 2022 zurückliegen. Ein Krisenszenario haben wir jedenfalls nicht und können unserer EHL Familie deshalb ein stabiles Umfeld bieten, was in Zeiten wie diesen sehr wichtig ist.
LEADERSNET: Mittlerweile sind die langfristigen Zinsen wieder etwas gefallen. Macht sich das auf dem Investmentmarkt bereits bemerkbar?
Mendel: Natürlich, der Investmentmarkt korreliert sehr stark mit dem Kapitalmarkt und eine Bewegung auf dem Kapitalmarkt bringt auch immer, wenn auch leicht zeitversetzt, eine Bewegung auf dem Investmentmarkt mit sich. Die Prüfungstätigkeit der Investor:innen hat sich im Vergleich zu den Vormonaten deutlich erhöht und es werden im Laufe des Jahres leicht sinkende Zinsen und Renditen erwartet. Diese Erwartungshaltung der Investor:innen mündet darin, dass versucht wird, das derzeit noch günstige Renditenniveau für Zukäufe zu nutzen, bevor der Markt wieder in die andere Richtung umschlägt.
LEADERSNET: Wie hoch sind aktuell die Anfangsrenditen, die mit (guten) Immobilien erzielt werden können?
Mendel: Das hängt natürlich stark von der Assetklasse sowie der Qualität der Lage, des Objekts und der Vermietung ab. Während hochwertige Core-Objekte in allen Segmenten weiterhin relativ stabil bleiben, sind Objekte in schlechteren Lagen bzw. mit schlechteren Qualitäten stärkeren Schwankungen unterworfen.
Die Renditen für Büroimmobilien zeigen je nach Lage und Qualität unterschiedliche Trends. Im CBD-Segment bewegen sich die Spitzenrenditen nun im Bereich von 4,75 Prozent bis 5,25 Prozent, während für Top-Büroobjekte außerhalb des CBD-Bereichs Renditen von 5,5 Prozent bis 6,0 Prozent zu verzeichnen sind. Für Spitzenobjekte mit historischer Bausubstanz im 1. Bezirk können die Renditen auch wesentlich unter den genannten Werten liegen. Für Objekte, die weder hinsichtlich ihrer Lage, Vermietung oder technischer Qualität zu den Top-Objekten zählen, sind zum Teil empfindliche Renditeaufschläge zu berücksichtigen. Diese Differenzierung spiegelt die verstärkte Nachfrage nach hochwertigen und zentral gelegenen Büroflächen wider.
Der institutionelle Wohnimmobilienmarkt in Wien und den Bundesländern zeigt sich im Rahmen der Möglichkeiten weiterhin liquide, wobei die Spitzenrenditen für Bestandsobjekte in Wien zwischen 4,25 Prozent und 4,75 Prozent liegen und für Wohnimmobilien in den Bundesländern Spitzenrenditen zwischen 4,5 Prozent und 5,0 Prozent erzielt werden. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum und der anhaltende Bevölkerungszuwachs in Ballungszentren sind hier die Treiber der anhaltenden Nachfrage.
Für Fachmarktzentren bleibt die Spitzenrendite in Wien in einem Bereich von 5,5 Prozent bis 6,0 Prozent auf einem anspruchsvollen Niveau.
Im Logistikbereich bewegen sich die Spitzenrenditen für Top-Produkte derzeit zwischen 5,0 Prozent und 6,0 Prozent. Hier ist eine grundsätzlich hohe Nachfrage gegeben, allerdings ist das Angebot gerade im Spitzensegment sehr überschaubar.
LEADERSNET: Sie sind so gut wie täglich mit institutionellen Investor:innen in Kontakt. Hellt sich bei diesen die Stimmung mittlerweile wieder etwas auf?
Mendel: Hier spüren wir tatsächlich eine deutliche Erholung und wieder mehr Optimismus bzw. einen stärkeren "Zug aufs Ziel". Einige Investor:innen sehen die Talsohle bereits erreicht, was bedeutet, dass nun der Zeitpunkt für Ankäufe wieder gekommen ist. Es wird zwar vermutlich noch etwas dauern, bis sich ein gänzlich neues Marktgleichgewicht gebildet hat, jedoch gehen wir davon aus, dass die Europäische Zentralbank spätestens im zweiten Halbjahr mit einer Zinskorrektur nach unten beginnen wird, was sich positiv auf den Investmentmarkt auswirken sollte. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich die laufenden Ankaufsprüfungen in einigen bemerkenswerten Transaktionen niederschlagen werden.
LEADERSNET: Sind die Banken mit neuen Finanzierungen nach wie vor zurückhaltend, oder zeichnet sich hier bereits eine Trendwende ab?
Mendel: Auf dem Finanzierungssektor ist nach wie vor ein Engpass gegeben. Die Banken sind weiter zurückhaltend und können aufgrund der Marktlage "Cherry Picking" betreiben, was bedeutet, es werden nur die Objekte finanziert, die ins Profil passen und das Risiko für die Bank am geringsten halten. Zudem sind natürlich auch die Finanzierungsquoten deutlich zurückgegangen. Eine Finanzierung mit einem LTV von 70 Prozent bis 80 Prozent oder mehr zu bekommen, was früher leicht möglich war, ist heute kaum mehr darstellbar. Ein weiterer starker Einflussfaktor auf die Finanzierbarkeit einer Immobilie ist deren Nachhaltigkeit im Sinne von ESG und EU-Taxonomie. Nachhaltige Immobilien bzw. solche, die mittels zukünftiger Investitionen in nachhaltige Assets transformiert werden können, finden deutlich leichter den Weg durch das Risikomanagement der Banken.
LEADERSNET: Die EZB könnte im Juni die erste Leitzinssenkung durchführen. Rechnen Sie mit einer Signalwirkung, falls es tatsächlich dazu kommen sollte?
Mendel: Definitiv. Wir rechnen ebenso mit einer Zinssenkung spätestens Anfang der zweiten Jahreshälfte. Das wird sich zwar nicht unmittelbar auswirken, da die Einpreisung gerade in den langfristigen SWAP Sätzen bereits erfolgt ist, aber es hat dennoch eine Signalwirkung, die dabei helfen wird, die vorherrschende Unsicherheit bei den Investor:innen zu verringern.
LEADERSNET: Mit welchem Transaktionsvolumen rechnen Sie in diesem Jahr? Im Vorjahr ist es ja besonders stark zurückgegangen.
Mendel: Die Prognose des Transaktionsvolumens ist aktuell schwierig und hängt natürlich von der Entwicklung in den nächsten Monaten ab. Wenn es so weitergeht, wie bisher und die Unsicherheit auf Investorenseite langsam schwindet, sind wir zuversichtlich, dass das Transaktionsvolumen in diesem Jahr wieder ein leichtes Plus im Vergleich zum Vorjahr, in dem es viele Inter-Company-Deals gegeben hat, verzeichnen kann, also die drei Milliarden Euro Marke vielleicht sogar überschritten werden kann.
LEADERSNET: Abschließend: Wann ist ihrer Meinung nach der ideale Zeitpunkt für den Wiedereinstieg?
Mendel: Für einige Segmente ist der Zeitpunkt für den Wiedereinstieg schon da. Gerade im Prime-Segment werden die Preise nicht weiter nachgeben. Für liquide Investor:innen also ein sehr guter Zeitpunkt, die Portfolios mit guten Objekten wieder aufzustocken, zumal nur die wenigsten Investor:innen es schaffen werden, zum historischen Tiefststand einzusteigen.
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