"Technik muss geschlechtsneutral werden"

Valerie Höllinger, CEO von Austrian Standards, und Mariana Karepova, Präsidentin des Österreichischen Patentamts, über neue Rollenstereotype.

LEADERSNET: Frau Höllinger, wie hoch ist der Frauenanteil in der Standardisierung?

Höllinger: Ich muss sagen, da ist noch Luft nach oben, denn Männer sind in der Standardisierung stärker aktiv als Frauen. Die internationale Standardisierungsorganisation ISO hat kürzlich Zahlen zur Geschlechterverteilung in der Standardisierung veröffentlicht: weniger als ein Drittel der Teilnehmenden in der Normung sind Frauen. Es ist daher dringend notwendig, mehr Expertinnen für die aktive Teilnahme an der Standardisierung zu gewinnen.

Aus diesem Grund arbeiten wir an gezielten Maßnahmen im Rahmen eines Gender Action Plans. Erfreulich ist, dass zunehmend weibliche Komitee-Managerinnen in Standardisierungsorganisationen arbeiten. Außerdem freue ich mich, dass wir als Austrian Standards eine Vorreiterrolle einnehmen: Wir haben ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis mit 54 Prozent Frauen unter den Mitarbeitenden und 42 Prozent weibliche Führungskräfte in der Organisation.

LEADERSNET: Frau Karepova, warum braucht es mehr Frauen im Patentumfeld?

Karepova: Weil sehr viel wertvolles Know-how verschwendet wird. Die Empirie zeigt: Diverse Teams arbeiten besser und sind viel kreativer. Außerdem, wenn fast alles Technische von Männern erfunden wird, sind Frauen auch als Userinnen benachteiligt (Assistenzroboter, die der Frauengröße und – Physiologie entsprechen – als nur ein schnelles Beispiel).

LEADERSNET: Wenn dem so ist, was macht das Patentamt, um den Frauenanteil zu steigern?

Karepova: Wir stellen Erfinderinnen und Ihre Erfindungen in den Vordergrund – überall: Beim Staatspreis Patent, in unseren Erfolgsgeschichten und Berichten, als Vortragende und Role-Models bei unseren Events. Unsere IP-Academy bietet spezielle Seminare fürs Patentieren für Frauen an. Wir suchen ständig nach Wegen, diese unglaubliche Schieflage in Österreich zu ändern: Bei Patentanmeldungen von Frauen steht Österreich unter 38 europäischen Ländern an letzter Stelle – mit nur 8 Prozent Frauenanteil! Und das schon seit 30 Jahren.

LEADERSNET: Gibt es den "Prototyp Mann" auch in der Standardisierung?

Höllinger: Crashtest-Dummies sind hierfür ein gutes Beispiel. Denn auch Technik sollte geschlechtsneutral sein und auf den "Prototypen Mensch" setzen. Viele Jahre wurden für Sicherheitstests ein männlicher Prototyp herangezogen. Mittlerweile gibt es auch Crashtest-Dummies, die die physiologischen Eigenheiten von Frauen abbilden. Unser Auftrag in der Standardisierung ist es, diverse Perspektiven abzubilden und Standards zu entwickeln, die für alle gleichermaßen gelten.

Karepova: Auch bei der Anmeldung von Patenten gibt es noch Genderunterschiede. Der Chemiesektor weist die größte Anzahl an Erfinderinnen auf, insbesondere in der Biotechnologie und im Pharmabereich. Typische Männer-Branchen sind Maschinenbau und Elektrotechnik. Leider sind gerade diese Branchen für die Industriestruktur Österreichs bestimmend.

LEADERSNET: In welchen Branchen spielen Standards in Zukunft eine stärkere Rolle?

Höllinger: Standards sind überall dort anzutreffen, wo Innovation stattfindet. Globale Zukunftstrends wie Klimaschutz und digitale Transformation sind stark vernetzte Themen, die viele verschiedene Branchen betreffen. Damit hier Innovationen kompatibel und marktfähig sind, brauchen sie eine gemeinsame Sprache und klare Schnittstellen. Dafür sorgen Standards.

LEADERSNET: Wo sind die Zukunftsfelder für Patente?

Karepova: Österreichs Innovationen kamen in den letzten Jahren aus der Industrie, den Verkehrstechnologien und der Chemie. Im Bereich der Halbleiter-, Mess- und Steuerungstechnik haben wir stark aufgeholt. So kann sich Österreich beispielsweise auch bei den Weltraumtechnologien behaupten. Die Zukunftsfelder sind aktuell die Künstliche Intelligenz, 3D-Druck und Drohnen.

Lesen Sie hier mehr, wann Sie auf einen Standard oder ein Patent setzen sollten.

Valerie Höllinger

© feelimage, Felicitas Matern

ist seit Jänner 2022 Managing Director von Austrian Standards und seit 2021 Mitglied der Geschäftsführung. Die Juristin, Managerin und Unternehmerin verantwortete als Geschäftsführerin des BFI Wien die Geschäftsbereiche der Privat- & Firmenkunden, geförderte Bildungsprojekte sowie Finanzen und – neben der digitalen Transformation – die Segmente Innovation & New Business, Data Science, Vertrieb, Marketing & PR, Customer Care & Quality. Die gebürtige Wienerin war in den Branchen IT, Telekommunikation, Getränkeindustrie und Erwachsenenbildung als Managerin tätig und langjährige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bundestheater-Häuser.

Mariana Karepova

© Caio Kauffmann

ist seit 2015 erste weibliche Präsidentin des Österreichischen Patentamtes. Sie ist Stv. Vorsitzende des Universitätsrates der TU Graz und Stv. Vorsitzende der Plattform Industrie 4.0, Mitglied der Aufsichtsgremien sowie Jurorin bei Fonds und Preisausschreibungen. Sie hat Volkswirtschaft studiert und spezialisierte sich auf Innovations- und Technologiepolitik. In den letzten 20 Jahren, war sie Projektbegutachterin und Entwicklerin von neuen Programmen in der Forschungsförderungsgesellschaft und im Kabinett von Bundesminister:innen für Innovation und Technologie tätig.

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ist seit Jänner 2022 Managing Director von Austrian Standards und seit 2021 Mitglied der Geschäftsführung. Die Juristin, Managerin und Unternehmerin verantwortete als Geschäftsführerin des BFI Wien die Geschäftsbereiche der Privat- & Firmenkunden, geförderte Bildungsprojekte sowie Finanzen und – neben der digitalen Transformation – die Segmente Innovation & New Business, Data Science, Vertrieb, Marketing & PR, Customer Care & Quality. Die gebürtige Wienerin war in den Branchen IT, Telekommunikation, Getränkeindustrie und Erwachsenenbildung als Managerin tätig und langjährige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bundestheater-Häuser.

Mariana Karepova

© Caio Kauffmann

ist seit 2015 erste weibliche Präsidentin des Österreichischen Patentamtes. Sie ist Stv. Vorsitzende des Universitätsrates der TU Graz und Stv. Vorsitzende der Plattform Industrie 4.0, Mitglied der Aufsichtsgremien sowie Jurorin bei Fonds und Preisausschreibungen. Sie hat Volkswirtschaft studiert und spezialisierte sich auf Innovations- und Technologiepolitik. In den letzten 20 Jahren, war sie Projektbegutachterin und Entwicklerin von neuen Programmen in der Forschungsförderungsgesellschaft und im Kabinett von Bundesminister:innen für Innovation und Technologie tätig.

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