Trotz schwieriger Rahmenbedingungen berichten die heimischen Unternehmen von einer positiven Geschäftsentwicklung. Zu dieser Erkenntnis gelangt der aktuelle Austrian Business Check des KSV1870, an dem rund 1.300 Betriebe teilgenommen haben und dessen Ergebnisse am Mittwoch im Rahmen einer Online-Pressekonferenz von Ricardo-José Vybiral, Vorstand der KSV1870 Holding AG, vorgestellt wurden.
Mit aktuell 54 Prozent der befragten Unternehmen, die die eigene Geschäftslage als "sehr gut" oder "gut" bezeichnen, bewege sich die Wirtschaft auf Vorjahresniveau. Auch wenn ihnen die steigenden Energiekosten, Preiserhöhungen bei Lieferanten und die Inflation zugesetzt hätten. Der Umfrage zufolge steht aktuell ein hartes Kostenmanagement im Fokus (27 Prozent kontrollieren intensiver, 41 Prozent haben die Kontrollen angepasst) – zulasten strategischer Zukunftsthemen wie ESG oder Cyber-Security. Nur jedes fünfte Unternehmen gibt an, sich aktuell intensiv um die eigene Cyber-Security zu kümmern. Zudem ist gerade einmal ein Drittel in punkto Nachhaltigkeit/ESG auf Kurs, obwohl neue, komplexe Berichtspflichten auf die Unternehmen zukommen.
Unterschiede zwischen den Branchen
Die Geschäftslage ist in Summe positiv, aber nicht überall gleich. Insbesondere im Handel, wo laut Austrian Business Check lediglich 37 Prozent ihre derzeitige Situation mit "sehr gut" oder "gut" bewertet haben, gestaltet sich die Situation herausfordernd. Ganz im Gegensatz etwa zum Bereich Gastronomie & Beherbergung, wo in Sachen Geschäftslage ein regelrechter Aufschwung von 38 auf 65 Prozent zu verzeichnen ist. Der grundsätzlich positive Trend zeigt sich laut KSV1870 auch an der Umsatzfront: Bei 55 Prozent haben sich 2022 die Umsätze verbessert und auch für das heurige Jahr rechnen immerhin 33 Prozent mit einer Verbesserung – angesichts der aktuellen Multikrisensituation ein positives Ergebnis. Ähnlich gestaltet sich die Entwicklung bei der Produktnachfrage, wo 55 Prozent diese als "sehr gut" oder "gut" bezeichnen. Obwohl allgemeine Wirtschaftsprognosen für das zweite Halbjahr nach oben zeigen, sind die Betriebe für 2023 vorsichtig: 36 Prozent erwarten eine stärkere Nachfrage – im Vorjahr waren es noch 49 Prozent.
"Wo viel Licht, da auch viel Schatten und dieser kann mit dem Arbeitskräftemangel benannt werden. Fast 60 Prozent sind betroffen. Das führt zu Zusatzbelastungen für bestehende Mitarbeiter, steigende Kosten, um Mitarbeiter zu halten und Umsatzeinbußen bzw. müssen Aufträge sogar abgelehnt werden. Der Mangel an Mitarbeitern ist ein Thema für die nächsten zehn Jahre – und doch vermisse ich schlagkräftige Konzepte, die dieses Problem adressieren. Bisher höre ich vorrangig, was alles nicht geht", sagt Ricardo-José Vybiral, der insbesondere das Thema der „Attraktivierung der Vollzeitarbeit" als essenziell ansieht.
Große Sorgen bereitet den Unternehmen der Fachkräftemangel, der sich so gut wie durch alle Branchen zieht. Bei der Präsentation wurde dabei vor allem auf die Bauwirtschaft verwiesen. LEADERSNET fragte nach, ob es Zahlen dazu gibt, wie viele Baubetriebe aufgrund von fehlenden Mitarbeiter:innen bereits Aufträge absagen müssen bzw. nicht annehmen können. Die Antwort lautete wie folgt: "Insgesamt haben uns 76 Prozent der teilnehmenden Betriebe aus der Bauwirtschaft gesagt, dass sie vom Arbeitskräftemangel betroffen sind – 43 Prozent davon sind sehr betroffen." Jedes zweite Unternehmen aus der Bauwirtschaft habe zudem im Rahmen der Umfrage bestätigt, dass sie aufgrund fehlender Arbeitskräfte derzeit neue Aufträge nicht annehmen können. Zudem sprechen 44 Prozent von Umsatzeinbußen, wobei hier Mehrfachnennungen möglich waren.
Nachholbedarf bei Cyber-Security
Weiters zeigt der Austrian Business Check, dass 35 Prozent der heimischen Betriebe Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen der kritischen Infrastruktur pflegen. Bei einem Drittel davon macht der Umsatz mit der kritischen Infrastruktur zwischen 51 und 100 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Für sie wird das Inkrafttreten der EU-NIS2-Richtlinie im Herbst 2024 erfolgsentscheidend. Denn bis dahin müssen sowohl Betriebe der kritischen Infrastruktur als auch deren Geschäftspartner nicht nur ausreichend Maßnahmen zum Schutz vor Cyber-Attacken implementiert haben, sondern diese auch nachweisen können. Ist das nicht der Fall, können keine Geschäfte zwischen diesen Unternehmen erfolgen. "Wenn sich die Unternehmen nicht rechtzeitig um die Implementierung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen kümmern, könnte die Nichterfüllung der neuen Richtlinie für zehn Prozent das Aus bedeuten. Hier brennt der Hut lichterloh", so der KSV1870-Vorstand. Umso besorgniserregender sei es, dass aktuell nur 21 Prozent der Unternehmen auf ihre Cyber-Sicherheit fokussieren. Bei rund 60.000 Delikten von Internetkriminalität allein im Vorjahr, wie das Bundeskriminalamt unlängst publiziert hat, sei das ein sicherheitstechnisches Harakiri.
Weiters befassen sich 40 Prozent lediglich ein "wenig damit", was im Hinblick auf die potenzielle Cybergefahr deutlich zu wenig ist. Darüber hinaus ignorieren 15 Prozent das Thema konsequent, obwohl sie den Bedarf grundsätzlich erkannt hätten. "Diese Ergebnisse sind im Hinblick auf die neue Richtlinie eine mittlere Katastrophe", so Vybiral, der an die betroffenen Unternehmen appelliert, schleunigst aktiv zu werden.
Die Annahme, dass die Digitalisierung viele Arbeitsplätze kosten werde, habe sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: "Digitalisierung ist kein Job-Killer", untermauerte der KSV1870-Vorstand. Im Bereich der Digitalisierung gab es bei den Arbeitskräften sogar einen Zuwachs von rund zehn Prozent.
ESG: Unternehmen stehen erst am Anfang
Ähnlich wie in Sachen Cyber-Security würden sich viele Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit verhalten. Wie die aktuelle KSV1870 Umfrage zeigt, stellt der Bereich Environmental, Social und Governance (ESG) den Großteil der Betriebe vor massive Herausforderungen, die bis dato eher spärlich angegangen wurden. Denn derzeit scheint nur ein Drittel der heimischen Betriebe auf Kurs zu sein. Laut eigenen Angaben verfügen lediglich 14 Prozent über eine bereits vollständig umgesetzte Nachhaltigkeitsstrategie. Weitere 18 Prozent befinden sich immerhin in der Planungsphase. Hier besteht berechtigte Hoffnung, dass in absehbarer Zeit Vorkehrungen getroffen werden. Besonders nachdenklich stimmt hingegen, dass jeder fünfte Betrieb (21 Prozent) den eigenen Handlungsbedarf in Richtung einer "grünen Zukunft" erkannt hat, jedoch keine Strategie in Planung oder gar in Umsetzung hat. "Unabhängig davon, dass je nach Unternehmensgröße viele Betriebe in den kommenden Jahren ihre 'grünen Aktivitäten' offenlegen müssen, wird ESG ein Umdenken für die gesamte Wirtschaft bedeuten. Denn früher oder später wird das Thema der Nachhaltigkeit auch ein zentraler Eckpfeiler in Finanzierungsfragen oder der Kreditvergabe sein", so Vybiral abschließend.
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