Das negative Momentum, das aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die hohe Inflation hervorgegangen ist, beginnt in Hinsicht auf die heimische Konjunkturentwicklung zu schwinden – das zeigt eine Erhebung der Vereinigung der Österreichischen Industrie, die am Dienstag von Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) und IV-Chefökonom Christian Helmenstein vorgestellt wurde.
Anzeichen einer Stabilisierung
"Die jüngste IV-Konjunkturerhebung lässt Anzeichen einer konjunkturellen Stabilisierung erkennen. Während sich die Einschätzung des aktuellen Geschäftsganges durch die Unternehmen weiter verschlechtert, sollte sich die rezessive Dynamik in der Industrie auf Sicht von sechs Monaten abschwächen. Damit wird ein Wiedereinschwenken auf einen Expansionspfad ab der Jahresmitte 2023 wahrscheinlicher", sagt Neumayer und fügt hinzu: "Der gesamthaft betrachtet schwachen europäischen wie auch globalen Konjunkturdynamik vermag sich die heimische Industrie nicht zu entziehen."
Abnehmender Kostendruck
Während die coronabedingten Beschränkungen weitgehend aufgehoben wurden, sodass im Speziellen im Dienstleistungssektor zusätzliches Erholungspotenziale erschlossen werden konnten, sollen auch die Erzeugerpreise ihren oberen Wendepunkt durchschritten haben. Das deute auf einen abnehmenden Kostendruck vor allem in der Industrie hin. Eine Normalisierung der Preise wichtiger Industrierohstoffe habe dazu ebenso beigetragen wie ein ausgeprägter Rückgang der Frachtraten im internationalen Gütertransport und eine anhaltende Entspannung bei den Lieferkettenstörungen.
"Dennoch hätte die vorhandene Auftragsreichweite für sich genommen nicht ausgereicht, um ein Durchtauchen der wirtschaftlichen Schwächephase zu ermöglichen. Im Zusammenwirken mit den enormen öffentlichen Ausgaben der EU-Mitgliedstaaten zur Abfederung der Inflationsfolgen, welche nach dem derzeitigen Beschlussstand ein Ausmaß in einer Größenordnung von sieben Prozent für Österreich und Deutschland erwarten lassen, kann ein erheblicher Rückgang der Wirtschaftsleistung jedoch abgewendet werden", so Helmenstein und ergänzt: "Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive geht dieser Konjunkturzyklus ohne eine weitere Großkrise der Dimension einer Lehman-Insolvenz oder eines COVID-Lockdowns zu Ende. Die Lage beginnt sich zum Besseren zu wenden, vorausgesetzt, dass keine Eskalation des Krieges in der Ukraine eintritt oder weitere unvorhergesehene Negativschocks zu verzeichnen sein werden."
Nachhaltiges Wachstum stärken
"Umso wichtiger ist es, die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum in Österreich ohne Zeitverzögerung zu stärken. Dazu zählt wesentlich, die Energiekosten am heimischen Produktionsstandort, die bei einem Mehrfachen des nordamerikanischen und asiatischen Niveaus verharren, durch eine Vielzahl von Maßnahmen so weit zurückzuführen, dass eine inkrementelle De-Industrialisierung mit daraus erwachsenden Wohlstandsverlusten abgewendet werden kann. Dazu zählen auch Maßnahmen der Entbürokratisierung und strukturellen Verbesserungen im öffentlichen Sektor sowie zur Bekämpfung des Fachkräftemangels", formuliert der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer die Kernforderungen der Industrie an die Adresse der Politik.
Die Ergebnisse der aktuellen IV-Konjunkturumfrage
Das Industriellenvereinigung-Konjunkturbarometer, welches als (gewichteter) Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, passiere erneut die Nullmarke – im Gegensatz zum vorhergehenden Termin dieses Mal allerdings in umgekehrter, nämlich positiver Richtung. Sein Wert ist von minus zwei Punkten auf 7,5 Punkte gestiegen.
Die leichte Verbesserung des IV-Konjunkturbarometers sei ausschließlich auf die Teilkomponente der Geschäftsaussichten zurückzuführen, welche ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau von -46 Punkten angehoben wurden. Dennoch befinde sich selbige bei einem aktuellen Wert von -20 Punkten weiterhin auf Rezessionsniveau. Diese Trendumkehr sei beinahe zur Gänze darauf zurückzuführen, dass zum aktuellen Termin noch gut ein Viertel der Respondent:innen eine abermalige Verschlechterung des Geschäftsganges erwarte, während dies zum letzten Termin bei mehr als der Hälfte der Fall war.
Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage habe sich erwartungsgemäß weiter von +42 Punkten auf +34 Punkte eingetrübt. Mit entsprechender zeitlicher Verzögerung folge sie damit der Teilkomponente der Geschäftsaussichten, wenngleich nicht im selben Ausmaß.
Mit einem Saldo von +32 nach zuvor +52 Punkten liege die Gesamtauftragsbestände in der Industrie nach wie vor auf einem auskömmlichen Niveau, allerdings setze sich ihr Abbau in beschleunigter Weise fort. Dementsprechend verringere sich die Auftragsreichweite in einem beträchtlichen Tempo, was wiederum mit der überwiegend negativen Einschätzung der näheren Geschäftsaussichten korrespondiere. Wenig Unterstützung komme diesbezüglich von der Komponente der Auslandsaufträge, deren Saldo sich von +49 Punkten auf +33 Punkte verringerte. Zudem sei diesbezüglich zu erwarten, dass die rasche Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar im Ausmaß von elf Prozent innerhalb von drei Monaten die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exporteure in den kommenden Quartalen zusätzlich beeinträchtigen werde.
Angesichts des momentan erheblich eingetrübten Konjunkturbildes halten die Unternehmen laut der IV an ihrer vorsichtigen Produktionsplanung fest. In saisonbereinigter Analyse der kurzfristigen Produktionserwartungen verharre der Saldo bei minus drei Punkten nach zuvor minus sechs Punkten in negativem Terrain, was die Aussichten einer rezessiven Entwicklung in der österreichischen Industrie in den kommenden Monaten unterstreiche.
Nach einem regelrechten Einbruch bei der Einschätzung der Beschäftigungsaussichten zum vorhergehenden Termin sei eine Stabilisierung derselben marginal oberhalb der Nulllinie (Saldo von Plus einem Punkt) zu verzeichnen. Der auch hier zu beobachtende Vorzeichenwechsel sei das Ergebnis von zwei parallel zueinander verlaufenden Prozessen. Einerseits erhalte nahezu ein Fünftel der Unternehmen eine positive Einstellungsneigung aufrecht und beabsichtige eine Ausweitung der Humankapitalbasis. Zugleich beginne der Anteil jener Unternehmen, welche ihren Beschäftigtenstand nicht zu halten vermögen, auf Sicht der nächsten drei Monate geringfügig zurückzugehen, und zwar um zwei Prozentpunkte.
Mit einem Saldo von +41 Punkten nach zuvor +42 Punkten erhärte sich die Einschätzung, dass auf der Ebene der Erzeugerpreise der obere Wendepunkt der Preisauftriebsdynamik durchschritten worden sei. Der nach wie vor außergewöhnlich hohe und dazu noch stabile Wert dieses Indikators weise jedoch darauf hin, dass der zuletzt zu gewärtigende Preisauftrieb weder ein auf wenige Warenkategorien beschränktes, noch ein vorübergehendes Phänomen sein werde.
Die Vielzahl der konjunkturellen Störfaktoren wirke auf die aktuelle Ertragslage der Unternehmen zurück. Nachdem der betreffende Saldo zuvor viermal in Folge gefallen sei, verharre er zu diesem Termin bei einem Saldo von unverändert plus neun Punkten. Mit -13 Punkten nach zuvor -35 Punkten komme der Saldo der Ertragserwartungen auf Sicht des nächsten Halbjahres weiterhin in negativem Terrain zu liegen. Der Anteil der Respondent:innen mit der Erwartung einer anhaltenden Ertragserosion überwiege somit weiterhin jenen mit der Erwartung einer Verbesserung ihrer Ertragssituation. Dennoch nehme die hiermit zum Ausdruck kommende Intensität des Konjunkturpessimismus ab, so die IV-Expert:innen abschließend.
www.iv.at
Kommentar schreiben