Österreichs Industrie erwartet schwächere Zahlungsmoral für 2023

| Redaktion 
| 03.11.2022

Geopolitische Unsicherheiten, steigende Energiepreise sowie zahlreiche wirtschaftliche Herausforderungen führen zu Sorgenfalten innerhalb der Branche. 

Der Kreditversicherer Atradius hat eine Zahlungsmoral-Umfrage in der Transport-, Lebensmittel- und Chemiebranche durchgeführt und kommt zu einem besorgniserregenden Ergebnis.

Verlangsamung des Cashflows

Der Inflationsdruck aufgrund von Corona, Krieg in der Ukraine und vor allem wegen turbulenter Handelsbedingungen und steigender Rohstoff- und Energiekosten habe dazu geführt, dass die österreichische Agrar- und Ernährungswirtschaft unter einer Verlangsamung des Cashflows leidet. Zwar habe sich das durchschnittlich eingeräumte Zahlungsziel bei 35 Tagen eingependelt, jedoch die Dauer der Außenstandsdauer – Days Sales Outstanding (DSO) verdoppelt. Waren es 2021 41 Tage, so brauchten die Betriebe 2022 im Schnitt 83 Tage, um ihre Forderungen zu erhalten, geht aus der Studie hervor. Im Speziellen waren Zahlungsverzögerungen bei großen Rechnungen festzustellen. Diese Tatsache führte dann automatisch zu einer längeren Verzugsdauer und zu Problemen bei der Aufrechterhaltung des Cashflows.

Ernährungs- und Agrarwirtschaft verkauft weniger auf Kredit

Dreimal so viele Betriebe der Ernährungs- und Agrarwirtschaft gaben an, dass sie um den Anteil der Forderungen zu verringern, weniger auf Kredit an B2B-Kund:innen verkauft haben. Die uneinbringlichen Forderungen am Gesamtverkauf aller Verkäufe der Branche an B2B Kund:innen liege bei acht Prozent. 2021 waren es noch zehn Prozent. Vor allem der Einsatz von mehr Zeit und Ressourcen für die Lösung unbezahlter Rechnungen und die Auslagerung von Problemkonten an spezialisierte Agenturen, habe zu dieser Verringerung beigetragen.

"Viele Unternehmen der österreichischen Agrar- und Ernährungswirtschaft ziehen angesichts der angespannten Situation ein strategischeres Kreditmanagement in Erwägung, da sie die harten Handelsbedingungen und die Auswirkungen der anhaltenden Unterbrechungen der Lieferkette zu spüren bekommen", sagt Franz Maier, Generaldirektor Österreich, Ungarn und Südosteuropa bei Atradius.

42 Prozent der an der Umfrage beteiligten Unternehmen gaben an, dass sie verstärkt Kreditversicherungen in Anspruch nehmen wollen.

Unsicherheit im Lebensmittelsektor

35 Prozent der österreichischen Ernährungs- und Agrarwirtschaftsbetriebe befürchten, dass die Coronapandemie auch 2023 für Probleme und Störungen sorgen werde. 34 Prozent gaben an, dass sie eine langsame oder gar keine Erholung der österreichischen Wirtschaft erwarten.

55 Prozent der Betriebe blicken trotzdem positiv auf das kommende Jahr, 17 Prozent erwarten kein Wachstum und weitere 28 Prozent sind unsicher. Beim Thema Zahlungsverhalten bei Kund:innen sehen 32 Prozent keine Verbesserung in naher Zukunft. 2021 waren es 49 Prozent.

Beim Thema DSO sieht es etwas besser aus. 52 Prozent der befragten Betriebe gegenüber 49 Prozent im letzten Jahr, gaben an, dass sie keine größeren Schwankungen der DSO erwarten.

"Dies könnte darauf hindeuten, dass sie sich weiterhin intensiv auf eine wirksamere Minderung des Kundenkreditrisikos konzentrieren werden, um den Cashflow zu verbessern und die DSO zu verringern", sagt Maier.

Sorge in der Chemiebranche

Laut der Umfrage ist die Zuversicht der Chemieindustrie-Unternehmen deutlich gesunken. Nur 59 Prozent der Betriebe zeigen sich für 2023 zuversichtlich, während es im Vorjahr noch 88 Prozent waren.

Ein Drittel der Unternehmen sieht die Gefahr eines anhaltenden Abschwungs der Weltwirtschaft, während 28 Prozent befürchten, dass die österreichische Wirtschaft einen langsamen oder gar keinen Aufschwung nimmt. Pessimismus herrscht auch beim Thema Zahlungsverhalten der Kund:innen. Laut Umfrage sehen 32 Prozent eine Verschlechterung der Zahlungsmoral, im Vorjahr waren es nur 5 Prozent. Bei der DSO erwarten 22 Prozent, im letzten Jahr waren es zwei Prozent, eine Verbesserung in den kommenden Monaten.

Die Chemieindustrie soll demnach vor allem das Risiko fürchten, dass Rechnungen von B2B-Kund:innen verspätet oder gar nicht bezahlt werden. Deshalb verkürzten fast 30 Prozent der Betriebe die Zahlungsfristen in den letzten zwölf Monaten deutlich. Diese liegen jetzt bei durchschnittlich 56 Tagen.

Probleme beim Cashflow in der Transportbranche

In der österreichischen Transportbranche war vor allem die Verschlechterung der Außenstandsdauer der Forderungen ein großes Problem. 70 Prozent der Unternehmen waren laut der Atradius-Umfrage davon betroffen. Die deutlich nachlassende Zahlungsmoral der Kund:innen führte dazu, dass viele Unternehmen bis zu zwei Monate länger als im Vorjahr warten mussten, um Geld von Kund:innen zu erhalten, an die sie auf Kredit verkauft hatten. Die Folge, die Unternehmen sind nicht mehr gewillt, an B2B-Kund:innen auf Kredit zu verkaufen.

50 Prozent der Transportbetriebe äußerten sich besorgt über einen anhaltenden Abschwung der Weltwirtschaft, die zunehmenden Insolvenzen, geopolitische Fragen, Liquiditätsengpässe und die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie. Nur ein Drittel der Betriebe äußerten sich positiv zum Geschäftswachstum, gegenüber 87 Prozent im Jahr 2021.

www.atradius.at

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